Von PER HINRICHS

Die Frau ist vielseitig, und das hört man schon ihrer Ansage auf dem Anrufbeantworter an: "Hier Dr. Gerda Basse, Umweltberatung, Ferienwohnungen, Galerie." Damit hat die 51-Jährige aus Leer/Ostfriesland ihre Berufe und Hobbys schon fast erschöpfend angegeben; doch Anrufer erkundigen sich in diesen Tagen weniger nach einem günstigen Urlaubsdomizil als nach ihrem Versuch, die "Rote Flora" in Hamburg zu kaufen. Basse ist eine der beiden Interessenten, die der Stadt Hamburg für viel Geld ein Problem vom Hals schaffen wollen.

Fragt sich nur, warum sich Gerda Basse das gelbe Theater mit den unbequemen Nutzern kaufen möchte. "Ich habe eben großes Interesse an diesem soziokulturellen Zentrum", sagt sie darauf kurz - und möchte erst einmal nicht weiter darüber sprechen. Denn noch gehört der promovierten Physikerin das Gebäude ja nicht.

Verliebt in den revolutionären Charme der "Roten Flora"

Basse hat schon einmal versucht, ein selbst verwaltetes Kulturzentrum zu kaufen. Vor sieben Jahren entrümpelte in ihrer Heimatstadt Leer ein kleiner Verein ein großes Lagerhaus am Bahnhof, das "Zollhaus". Die Kulturfreunde zogen Politiker und die örtliche Sparkasse auf ihre Seite und machten aus dem verlassenen Gebäude ein lebendiges Haus. Ein Ort für Kleinkunst, Theater, Konzerte und Partys entstand; und dann kam Gerda Basse und wollte das Zollhaus kaufen.

Gastronomie sollte dort einziehen, Büros im ersten Stock entstehen, und der Zollhausverein bliebe als Hauptnutzer drin: So stellte sich Basse "ihr" Zollhaus vor. "Und ähnlich sind auch meine Pläne für die ,Rote Flora'", sagt sie. Den klammen Leerer Stadtvätern hätte sie die Immobilie gleich in bar abgekauft. Doch der Zollhausverein lehnte das Angebot dankend ab. "Wir haben ihr damals nicht recht getraut", sagt Fritz-Rudolf Brahms, Erster Vorsitzender des Zollhausvereins. "Keiner wusste, was sie wirklich vorhat."

"Die haben doch kein Konzept", sagt Basse heute. Dort zählten nur Partys und Geld. Bei der "Flora" sei das anders: "Die haben wenigstens Ideale!" Dass eines davon "Antikapitalismus" heißt und das "Flora"-Plenum vor zwei Jahren deshalb schon einmal den Verkauf an Gerda Basse verhindert hat - damit könne sie gut leben. "Die müssen mich ja nicht lieben, ich will von denen auch nichts", sagt die potenzielle Käuferin.

Krawalle und Drogenhandel schrecken die Investorin nicht ab, weil "ich davor keine Angst habe und die Nutzer für das Dealen nicht verantwortlich sind", sagt Basse. Angst: Was ist das überhaupt für ein Wort für eine selbstständige Frau, die nach der Promotion zum TÜV Norddeutschland ging, um dort Atomkraftwerke auf die Einhaltung von Sicherheitsstandards zu überprüfen? Die beim Bau von Brokdorf dabei war, im Innern des Zauns, in ihrer Lesart auf der richtigen Seite: "Ich habe auf der technischen Seite viel verhindern können, die Demonstranten nicht."

Vor mehr als zehn Jahren machte sie sich mit ihrem Büro für Umwelttechnik in Leer selbstständig, doch leider hat in "Ostfriesland keiner so recht Interesse am Umweltschutz". Und das lässt ihr Zeit, sich ihrem Zweitberuf als Galeristin in Hamburg zu widmen.

"Die Floristen haben wenigstens Ideale!", sagt die Frau, die niemals aufgibt

Mit ihrem 18 Jahre alten Porsche 944 jagt sie von der Ems an die Elbe (Rekord: 105 Minuten), um Vernissagen zu eröffnen und Bilder zu verkaufen. Und beim Eintauchen ins Nachtleben hat sie sich dann in den revolutionären Charme der "Roten Flora" verliebt. Und will jetzt nicht weniger versuchen, als die Rotfloristen "gesellschaftlich zu integrieren", also das, was die nicht wollen. Bei so viel Kunst und Kommerz bleibt für ein Privatleben kaum noch Platz, "vielleicht so drei Stunden am Tag". Eine Familie fehlt Basse aber nicht, sagt sie, und flüchtet sich in Ironie: "Wer hielte es schon mit mir aus?"

Dass sie zäh sein kann, beweist Gerda Basse dem Zollhausverein seit sieben Jahren. Immer noch will sie das Gebäude kaufen, ständig kritisiert sie via Lokalzeitung jeden Bauabschnitt der Renovierung und die "mangelnde Bindung des Programms an die Bevölkerung". Jüngster Coup: Als das Dach mit neuen Pfannen eingedeckt werden sollte, sicherte sie sich den alten, vergammelten Schiefer, den die Dachdecker herunterkratzten - wegen des historischen Wertes. Die Frau kann einfach nicht aufgeben.