Elegante Roben und sexy-Fummel, posierende Girlies und geile Hintergedanken - das ist die Welt, in der die junge Joy nach Erfolg und Anerkennung strebt. Sie ist Fotomodell, knapp 24 und eigentlich schon zu alt für eine internationale Karriere. Als Laufsteg-Dummchen aber will sie nicht enden, viel lieber würde sie für eine Parfüm-Firma lächeln. Also setzt sie einiges daran, einen Exklusivvertrag zu bekommen. Doch ausgerechnet ihre Agentin und ihre beste Freundin haben etwas dagegen.

"Models" heißt der BR-Fernsehfilm, der heute um 20.15 Uhr in der ARD läuft. Ein Unterhaltungsfilm im Stil der neuen Zeit: schnell, elegant, stilvoll. Werbefilm-Regisseur Mark von Seydlitz führt Regie. "Der Film bedient sich der Hochglanz-Ästhetik, um jene Hochglanz-Welt zu zeigen, und macht dabei aber permanent deutlich, dass alles nur Schein ist, der mit dem Sein wenig zu tun hat", sagt die Münchner Fernsehspielchefin Gabriela Sperl.

Die Frauen müssen ihre Seele verkaufen. Zwei junge Schauspielerinnen, die man sich merken sollte, in den Hauptrollen: Annett Renneberg, deren Intermezzi mit Joachim Król in den beiden Donna-Leon-Krimis noch in bester Erinnerung sind, und Marie Zielcke, vergangenen Donnerstag erst in "Der Runner" zu sehen.

"Models" ist ein Light-Produkt, das mit bewährten Stereotypen ein perfektes Pop-Märchen erzählt, ohne viel Süßstoff-Nachgeschmack. Apropos Süßstoff. Da war doch was? Ausgerechnet an dem Tag, an dem die ARD die hübsche kleine Belanglosigkeit "Models" zur Prime-Time platziert, läuft um 23 Uhr Norbert Kückelmanns "Verlorene Kinder", jenes sozialkritische Fernsehspiel, dessen Abschiebung in die Nacht eine Rolle spielte in der so genannten Süßstoff-Debatte, aufgehängt an einem ARD-internen Papier zur Optimierung der Fernsehfilm-Quoten. Hauptverdacht: Schwierigere Stoffe und ästhetisch Brisantes würden in die Nacht gedrängt, nach der "Tagesschau" feiere das Populär-Seichte fröhliche Urständ. Und nun "Models" und "Verlorene Kinder" am selben Tag - gibt man so nicht jener Süßstoff-Debatte neuen Zucker? Der Termin habe sich eher zufällig ergeben, heißt es bei der ARD. Nicht das Thema sei Grund für den Spättermin, ist andererseits zu hören, sondern die Art, wie es präsentiert wird. Was damit gemeint ist, lässt sich denken: zu lehrstückhaft, zu viel Gutmensch-Rhetorik. Das war auch schon Kritikpunkt bei Kückelmanns letztem Film, "Porträt eines Richters".

Um angestaute Wut, um den berühmten Schrei nach Liebe, geht es in "Verlorene Kinder". Eine Gruppe Jugendlicher hält eine Kleinstadt in Atem. Überall, wo sie auftauchen, machen sie Randale. Zwischenzeitlich geraten sie sogar unter den Einfluss eines rechtsradikalen Spinners - die Folge: Die Gruppe prügelt zwei Nichtsesshafte krankenhausreif. Wo die Honoratioren der Stadt nach dem Arm des Gesetzes rufen, setzt ein Lehrer auf Integrationskurs: Es sind Kinder dieser Stadt, im doppelten Sinne.

"Die Jugendlichen haben zunächst keine Sympathien, ihre aggressiven Handlungen machen sie zu Kotzbrocken", beschreibt Kückelmann die Ausgangslage. Aber im Verlauf des Films lernt man ihre anderen Eigenschaften kennen. "Wir zeigen, dass sie nicht nur negative Seiten haben, sondern auch Sehnsüchte, Ängste, dass sie Freundschaft und Solidarität kennen und sogar Kritik üben am eigenen Zuweitgehen."

Und wie hält es die ARD künftig mit sozial engagierten Stoffen? Filme, die über den üblichen Krimi-Psycho-Sumpf hinausgehen, sind selten. Von der ARD immer wieder gern zitiert werden "Schande" und "Dunkle Tage", zwei ebenso gelungene wie erfolgreiche Parade-Stücke dieser Gattung - sie liefen vor eineinhalb Jahren. Nächste Woche gibt es "Die Polizistin" von Andreas Dresen. Glückssuche zwischen Rostocker Plattenbauten. Im Januar dann einen bayerischen "Polizeiruf 110", da geht es um die Asyl-Politik. Jedenfalls: "Es ist nicht leicht, gut recherchierte gesellschaftlich relevante Geschichten zu schreiben", sagt BR-Fernsehspielchefin Sperl, "die bekommt man nicht täglich auf den Tisch." RAINER TITTELBACH