Kriminelle geben sich auch als PKK-Mitglieder aus

Der Gemüsemann, der Besitzer des Döner-Ladens, der Zeitungshändler - sie sind erfolgreiche türkische Geschäftsleute in Hamburg. Und damit geeignete Opfer für kriminelle Spendengeldeintreiber. In vielen Fällen steckt die verbotene kurdische PKK dahinter. Doch nach neuen Erkenntnissen der Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt geben sich in Hamburg immer mehr Geldeintreiber nur als PKK-Erpresser aus. In Wirklichkeit treiben sie "Spenden" für die eigene Tasche ein. Den Namen der Partei nutzen sie zur Einschüchterung.

Die Erpresser dulden keinen Widerspruch. Sie scheuen nicht vor Gewalt zurück. Das wissen die Opfer und fügen sich stillschweigend. Ein Staatsschützer formuliert es so: "In der Regel wird gezahlt." Und die Polizei erfährt nichts. Dabei, das betont der Staatsschutz, sind in allen Fällen, in denen Spendengeld-erpressungen angezeigt wurden, die Täter auch gefasst worden. So wie Sadik B., dem jetzt der Prozess gemacht wird.

Die Spendengelderpresser treten bei ihren ersten Besuchen gespielt höflich, aber bestimmt auf. Manche fordern direkt eine Geldsumme als "Spende" für den Kampf in Kurdistan. Der müsse schließlich finanziert werden. Andere zwingen die Geschäftsleute zum Kauf vollkommen überteuerter Zeitungsabonnements oder Waren. In einem Fall musste ein Gastwirt ein Aquarium kaufen - und für jeden Fisch darin eine horrende Summe "Spende" zahlen.

Das Geld braucht die PKK nicht nur für den Kampf. Auch die Propaganda-Maschinerie, zu der ein großer Fernsehsender in Belgien gehört, muss finanziert werden. Und nicht zuletzt die Spendeneintreiber selbst - sie bekommen einen Anteil als Lohn. Zudem stehen die Erpresser noch unter einem anderen Druck: Wenn sie in Deutschland nicht genug Geld sammeln, wird ihnen angedroht, in die Heimat zurück zu müssen, um dort mit der Waffe in der Hand zu kämpfen.

Doch seit der Verhaftung des Kurdenführers Abdullah Öcalan bröckelt die Organsation der Eintreiber, glauben die Staatsschützer. Die Unterstützung durch die "Europäische Frontzentrale", die die Auslandsaktivitäten der PKK kontrolliert, funktioniert nicht mehr so reibungslos. Das, so meinen die Ermittler, sei auch ein Grund dafür, dass immer mehr PKK-Eintreiber Gelder für sich abzweigen oder nichts an die Partei geben und das erpresste Geld ganz behalten.

Wer nicht zahlt und schweigt, muss am Ende immer mit Gewalt rechnen. So wie der Drogenboss Feti U., "Feto" genannt. Er hatte sich lange geweigert, "Revolutionssteuer" zu zahlen. Mehrere zehntausend Mark sollte der Kokain-Dealer abgeben. Er traf sich einmal mit Eintreibern vor dem Lokal "Yelken" am Winterhuder Weg und schoss auf sie, traf jedoch nicht. Das war sein Todesurteil: Killer erschossen "Feto" 1998 einen Tag vor Heiligabend im "Citrus" am Neuen Wall.

Diese Bluttat schürte neue Angst unter den Kurden in Hamburg. "Ich zahle lieber und habe meine Ruhe", sagt ein Gastwirt aus Altona. "Noch bin ich durch die Forderungen nicht ruiniert und ich hänge an meinem Leben." Die Erpresser bedrohten nicht nur die Geschäftsleute, sondern auch deren Familien, so der Wirt.

1998 wurden 16 Spendengelderpressungen angezeigt, 1999 waren es nur noch sechs. Offenbar hat das Prinzip der Einschüchterung gewirkt. Wie viele Kurden in Hamburg tatsächlich erpresst werden, weiß niemand. kj

Prozess gegen mutmaßliche Geldeintreiber

Ein kleingewachsener Mann ist Sadik B., unauffällig wirkt der 47-Jährige und zurückhaltend. Doch der Eindruck täuscht offenbar: Tatsächlich soll er einer der führenden Funktionäre der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sein. Ein Mitkoordinator einer Spendenkampagne, bei der mit Drohungen und Gewalt Geldforderungen Nachdruck verliehen worden sein soll. Mehrere Millionen Mark habe der Kurde so für den Kampf in seiner Heimat eingetrieben. Seit gestern wird dem 47-Jährigen und sieben Mitangeklagten der Prozess gemacht. Den Männern werden insgesamt 78 Straftaten vorgeworfen, davon dem Hauptangeklagten allein 60. Die Vorwürfe lauten unter anderem auf schwere räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung.

Laut Anklage hat Sadik B. unter anderen einen Restaurantbesitzer, von dem er annahm, er handele mit Drogen, aufgefordert, 30 000 Mark "Spenden" zu zahlen. Falls er nicht zahle, würde er "mit Menschenleben spielen". Das Opfer hat den Ermittlungen zufolge zunächst 15 000 Mark gezahlt und nach weiteren Drohungen noch einmal 6000 Mark zusammengekratzt. Auch als er wenig später seine Gaststätte habe verkaufen müssen und von Sozialhilfe gelebt habe, hätten Sadik B. und der zweite Hauptangeklagte, Nihat D. (35), nicht locker gelassen. Sie würden ihn "ermorden und ins Gebüsch werfen", wenn er nicht zahle, habe Sadik B. angekündigt, Nihat D. habe zur Untermauerung der Drohung eine Pistole gezeigt. Später habe das Opfer einen Herzinfarkt vorgetäuscht, um den Erpressern zu entkommen, habe sich versteckt und sei zuletzt sogar ins Ausland gezogen.

Einem anderen Opfer, das laut Anklage 40 000 Mark binnen zehn Tagen habe zahlen sollen, sei eine Schusswaffe an den Hals gehalten worden. Und einem Mann habe man eine Messerklinge in den Mund gesteckt. Sie wüssten, wo seine Kinder zur Schule gehen, haben die Spendeneintreiber nach Aussage des Opfers gedroht: "Du weißt, welche Schmerzen ein Vater erleidet, dessen Kindern etwas zustößt." Allein im Jahr 1997, so die Anklage, sind mit diesem Terror in Hamburg knapp zwei Millionen Mark "Spenden" eingetrieben worden.

Doch zumindest ein Mann hat sich offenbar nicht einschüchtern lassen. Drogendealer Fetih U. hatte, so die Ermittlungen, 20 000 Mark zahlen sollen. Ein Mann, der gesondert vor Gericht gestellt wird, habe im Auftrag von Sadik B. das Geld eintreiben sollen. Doch Fetih U. habe sich geweigert zu zahlen. Als mehrere Männer anrückten, um ihn für seine "Renitenz zu bestrafen", feuerte der Dealer vier Schüsse auf die Angreifer ab. Das bezahlte er wenige Tage später mit dem Leben: In einer Cocktailbar sank er vom Barhocker - drei Kugeln hatten ihn niedergestreckt. bem