Von ULRIKE SCHWALM

Wenn Mario Martens mal in Ämtern oder Behörden anruft, bleibt es meist einen Moment still. "Ich kenne die Stimme aus der Fernsehwerbung", heisst es dann. "Sie sind der Jever-Mann." Als "Stimme von Polycolor" identifizieren Damen den 46-jährigen Hamfelder, der auch für die Haarpflegeserie wirbt. "Zwei Riegel mit knusprigem Keks: Twix", wissen Naschkatzen, die ihn an der Strippe haben.

"Aber danach geht das Gespräch normal weiter", sagt Martens, der auch von Radiohörern identifiziert wird. "Ich bin die Stimme des Hamburger Privatfunks Fun Fun Radio 95,0 und des Freiburger Senders FR eins", erklärt der Sprecher, Musiker und Komponist, der zweimal in der Woche in den Hamburger Sender fährt, um Programmelemente abseits der aktuellen Moderation einzusprechen.

"Ich bin seit 1993 Werbesprecher. Und ich hatte von heute auf morgen gut zu tun. Damals ging ich zum Casting in einige Studios. Die Leute schlagen den Kunden dann für den jeweiligen Spot vier Stimmen zur Auswahl vor." Heute arbeitet Mario Martens ("Mein Name ist echt, kein Pseudonym") für sechs Studios im Hamburger Raum.

"Fast jeden Tag habe ich einen gebuchten Sprechtermin. Dann bekomme ich einen Anruf, erfahre das Urteil des Kunden. Ich bekomme also den Job nicht immer, und das ist auch gut so. 1998 hatte ich zum Beispiel sehr viel zu tun. Da muss man aufpassen, dass sich der Höreindruck nicht abnutzt."

Der Hamfelder, der schon Fernsehspots für Rover, die Telekom, Mercedes, die HypoVereinsbank, Schwarzkopf Shampoo, Mariacron Weinbrand, VW und BMW sprach, benötigt nur wenige Minuten, bis eine Aufnahme steht. "Ich biete mehrere Varianten an. Das geht sehr schnell", meint Martens, der sein Erfolgsgeheimnis für angeboren hält: "Ich habe wohl eine bestimmte Tiefe in der Stimme. Ich habe deshalb auch keine Konkurrenz. Die Leute wissen, warum sie mich buchen, und zwar immer als sensible, erotische, männliche Stimme." Das Ergebnis seiner Studioarbeit verschmäht er grundsätzlich. "Wir haben vier Fernsehgeräte in der Familie, aber ich sehe aus Prinzip kaum fern", sagt Martens, der mit seiner tschechischen Frau Mila (50, Astrologin) sowie den Zwillingen Nick und Finn (14) unweit des alten Hamfelder Gutshauses wohnt.

Sex ist ein Tabuthema

"Das, was sie uns vorsetzen, ist ein großer Albtraum. Ich hasse das Fernsehen. Wenn, dann schaue ich nur gezielt Reportagen und Nachrichten an. Privatfernsehen mag ich weniger: Die Werbeeinblendungen machen mich wahnsinnig."

Da das Werbesprechen nur eines von vielen Standbeinen des Familienvaters ist, kann er auswählen, wem er seine Stimme leiht. "Ich habe gerade ein Angebot als Sprecher einer Werbekampagne für die CDU abgelehnt. Das könnte ich politisch nicht tragen. Ich ließ es lieber." Sein rauchiges Timbre ist auch noch für andere Dinge tabu. "Sexistischen Sachen, Schmuddelmagazine, Kriegsgeschichten - das sind Sachen, die ich nicht mache."

Aufgewachsen in Hamburg, lernte Martens nach der Realschule zunächst Schaufenstergestalter. "Ich habe aber damals schon Musik gemacht", sagt Martens, der 1968 bis 1970 in der Hamburger Band "Highway" Gitarre spielte. "Wir machten Westcoast-Musik. Später veröffentlichte ich unter meinem Namen ein paar Deutschrock-Singles."

Als er 1982 seine Frau Mila und deren Tochter kennen lernte, absolvierte er eine Ausbildung zum Programmierer, um die Familie besser ernähren zu können. "Ich stellte hinterher fest: Das ist nicht meine Welt, das ist nicht kreativ."

Er arbeitete als Moderator

Auf Milas Rat hin bewarb er sich bei dem Privatsender Radio 107 - und wurde Moderator. Beim Nachfolger Alsterradio moderierte Martens den Radiobasar und die Frühsendung. Er stieg aus, weil seine anderen Aktivitäten immer mehr Zeit in Anspruch nahmen. "Ich schreibe ja auch Jingles. Das sind kurze Musikstücke, zehn, 15, 20 oder 30 Sekunden lang, die die Erkennungsmelodie der Rundfunkstationen sind. Es gibt auch so genannte Unterleger. Das sind Stücke, auf die der Moderator zum Beispiel einen Nachrichtentext spricht."

Solche Jingles komponiert er auch für Restaurants und Autohäuser. "Ich sehe Werbung nicht als Werbung, sondern als kurzes Kunstobjekt", meint Martens.

Weil er nicht will, dass die Familie auf Zehenspitzen schleichen muss, während er im Keller komponiert, hat sich der Hamfelder jetzt ein digitales Studio in einem Gartenhaus hinter dem Wohngebäude eingerichtet. "Wenn die Maschinen angehen, fällt mir meistens schon etwas ein", freut sich der Musiker. Auf zwei Großbildschirmen kann er den digitalen Schnitt oder auch den Klang kontrollieren. "Ich spiele sämtliche Instrumente wie Gitarre und Keyboards selbst ein. Das Schlagzeug kommt aus dem Computer. Manchmal sitze ich hier die halbe Nacht, bis ich zufrieden bin", meint Martens. "Manchmal sitze ich tagelang im Studio, um die immer neuen Techniken zu lernen. Das ist ein idiotisches Reinknien in die Computerei. Aber es muss sein."

Vielseitiger Komponist

Seit vielen Jahren komponiert er außerdem für bekannte Musiker. Howard Carpendales Hit "Kein Typ für eine Nacht" (1997), der Ohrwurm "Ahua" von Ted Herold (1994) und Gittes "Dann tanzt sie allein" stammen aus seiner Feder. Als Begleitmusiker ist Martens mit Howard Carpendale, Jürgen Drews und G. G. Anderson aufgetreten.

"Seit vier Jahren habe ich keine Zeit mehr für solche Touren", bekennt der Künstler. "Im Moment arbeite ich sehr intensiv mit dem Trittauer Sänger und Schauspieler Taco zusammen, der mit dem Titel 'Puttin' on the Ritz' vor zehn Jahren die Nummer eins in den USA war. Wir basteln an neuen Projekten für ihn."

In Hamfelde wohnt Martens seit gut zwei Jahren. "Wir gehen oft durch die Hahnheide. Ein Ziel ist immer der Gasthof Stahmer in Hohenfelde. Dort gehen wir Kaffee trinken." Und dort ist Zeit für viele Gespräche mit seiner Frau Mila, der Astrologin.

"Aus diesen Gesprächen habe ich gelernt, die Dinge anders zu sehen", meint Martens. "Astrologie ist eine Form, das Leben anders zu betrachten." Vor Vertragsabschlüssen wirft er nun schon mal einem Blick auf die Konstallation der Gestirne.

Auf der Fahrt ins Studio hört er dann Fun Fun oder Alsterradio: "Um die Beiträge geht es mir nicht, sondern ich will die Musik meiner Zeit hören, der 60er und 70er-Jahre." Ein Pflichtprogramm ist für ihn der Sender N-Joy Radio: "Da lasse ich mich inspirieren, was die Kids so hören. Mit 46 muss ich spüren, wie sie drauf sind, um auch für junge Leute schreiben zu können."