Schlösser und Herrensitze in Nord-Niedersachsen haben oft über längere Zeiträume hinweg in ihren Heimatregionen Macht und Einfluss gehabt. Um ihren geschichtlichen Stellenwert aufzuzeigen, stellt die Harburger Rundschau in loser Folge diese Anwesen mit Geschichte vor. Heute: Rittergut Lauenbrück.

Von WERNER STRELOW

Seit mehr als 500 Jahren lebt die angesehene Familie von Bothmer auf dem naturschön gelegenen Rittergut Lauenbrück bei Scheeßel im Nachbarlandkreis Rotenburg/Wümme. Die von Bothmers sind eine Familie des Ritterschaftlichen Adels in Niedersachsen, eine so genannte Mannstamm-Familie. Bestimmende Grundlage war das Dienstlehen, das "nur dem Schwerte" folgte, das die so genannte männliche Sukzession betraf.

Voraussetzung für das Entstehen des Ritterschaftlichen Adels war, dass sich vom 11. Jahrhundert an ein "Berufsstand" von Leuten bildete, die zu rittermäßigem Kriegsdienst und für die Aufgaben eines "Vorbeamtentums" ausgebildet waren. Und der Berufsstand der Ritter ging aus den Dienstmannschaften, den "echten Ministerialen", hervor, die nur auf ihr spezielles Amt und damit an die Person gebundenes Dienstgut erhielten.

Als Stammvater der Familie von Bothmer sowie eines Teils seiner Nachkommen gilt Gerd von Lachem. Lachem - bei Hessisch Oldendorf gelegen - war ein Ort mit einer bedeutenden Gutsvogtei. Wie Unterlagen im Gutsarchiv ausweisen trat Gerd von Lachem Mitte des 12. Jahrhunderts im Kreise der großen Ministerialen Heinrichs des Löwen sowie als Mitglied in dessen Rat in Erscheinung.

Sein ältester Sohn, Ulrich, nannte sich nach dem Ort seines wichtigsten Lehens "von Bothmer". Die älteste Urkunde stammt aus der Zeit zwischen 1181 und 1183 aus dem Archiv des Klosters Loccum: In ihr schenkt Ulrich von Bothmer die Nutzungsrechte des Dorfes Thiewardestorpe dem Bishof von Minden. Da Ulrich aber keine Kinder hatte, vererbte er seine Besitzungen an seinden Bruder Dietrich, der der Stammvater aller Linien der von Bothmerschen Familie ist.

Bereits unter seinen Söhnen Dietrich und Druchlev teilt sich die Familie in zwei Hauptlinien, die Drakenburger und die Giltener Linie. Für die weitere Entwicklung ist es von Bedeutung, dass die Familienmitglieder des so genannten Hauses Lauenbrück zur älteren Drakenburger Linie gehören.

Im Zuge höchst raubeiniger Auseinandersetzungen zwischen dem Domkapitel und Bischof Daniel von Wichterich unterstützten die Lüneburger Herzöge den Bischof: Sie griffen bereitwillig zu den Waffen, und die damals betont raubsüchtigen Lüneburger Adeligen schlossen sich ihnen an.

Sie fielen in das Stift ein, befestigten die Kirche zu Scheeßel, berannten Rotenburg zwar vergeblich, plünderten und brandschatzten aber die ganze Vogtei. Am Ende setzte sich Bischof Daniel durch und gestattete als Dank für die Dienste der Herzöge den Bau der Veste Lauenbrück und überließ ihnen zugleich die Landeshoheit über diese.

Das war 1354, gebaut wurde aber erst 1379 aus Anlass eine Krieges zwischen dem Herzog und dem Erzbistum Bremen. Das Lehensregister zählt Lauenbrück wohl nicht ohne Grund "zu den Lehensgütern der Herzöge" und erwähnt, das es früher Palingbrügge geheißen habe.

Mit der Urkunde vom 15. Juli 1493 belehnt Heinrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Cord von Bothmer mit dem "Schloss Lawenbrügge". Cord war zu diesem Zeitpunkt Vogt von Celle, also der Burgvogtei Celle und der elf angrenzenden Amtsvogteien Beedenbostel, Bergen, Bissendorf, Burgwedel, Eicklingen, Essel, Fallingbostel, Hermansburg, Ilten, Soltau und Winsen an der Aller.

Im Jahre 1496 übertrug ihm der Herzog das Amt des Marschalls. Und als Vogt und Großvogt hat Cord von Bothmer eine zentrale Rolle bei der Umwandlung des Landesfürstentums in einen Beamtenstaat auf ständischer Grundlage gespielt. Mit ihm kam eine lange Kette von Mitgliedern ritterschaftlicher Familien in dieses bedeutende Amt.

Machen wir einen Zeitsprung zu dem wohl bedeutendsten Lauenbrücker Bothmer: Johann Caspar Reichsgraf von Bothmer, 1656 in Lauenbrück geboren, 1732 in London gestorben. Verhandlungsgeschick, Takt und Klugheit hatten dazu geführt, dass er im Rat von König Georg I. eine führende Stelle einnahm und zum "Ersten Staatsminister für die deutschen Angelegenheiten" berufen wurde. Reichsgraf von Bothmer lebte von 1720 bis zu seinem Tode im Hause Downing Street 10, das ihm die Krone zur Verfügung gestellt hatte. Seit 1735 ist dieses Haus bekanntlich Amtssitz der britischen Premierminister.

Seine Ruhestätte fand Johann Caspar von Bothmer zuerst in der Familiengruft in Scheeßel, nach deren Aufhebung ruht er seit 1934 auf dem Friedhof von Schloss Klütz in Mecklenburg.

Unbedingt erwähnt werden muss auch Theodor Freiherr von Bothmer, mit dem die neue Geschichte des Hauses Lauenbrück beginnt, und der für den Neubau des jetzigen Herrenhauses verantwortlich zeichnete. Bereits 50 Jahre alt hat er seine ganze Kraft in die Sanierung des Gutes gesteckt und schrittweise die Erträge erhöht.

Nicht weniger tüchtig und durchsetzungsfähig muss auch Theodors Sohn Adolf gewesen sein, dem der Besitz 1869 übertragen wurde. Seine Großtat war sein Kampf um die Streckenführung der Eisenbahn von Bremen über Scheeßel und Lauenbrück nach Harburg. Um dies zu erreichen, bot er sogar an, mehr als eine Meile Grund und Boden aus seinem Besitz für den Gleiskörper zur Verfügung zu stellen, mit Erfolg: die Bahnlinie führt über Lauenbrück.

Nach dem tragischen Flugzeugabsturz in Afrika, bei dem 1955 der Tabakanbau-Experte Wilhelm Graf von Bothmer ums Leben kam, war es vor allem dessen Frau, die heute fast 90 Jahre alte Gräfin Lilly-Marie, die dafür sorgte, dass der Gutsbetrieb am Leben blieb. Dabei half ihr Sohn Hans-Cord, heutiger Besitzer des Gutes.

Rund 600 Hektar Forst- und rund 100 Hektar Landwirtschaft gehören zum Gut, sagt Graf von Bothmer. Hinzu kämen noch weitere 100 Hektar Moor- und Flusslandschaft sowie nicht bewirtschaftete Niederungswiesen. Der landwirtschaftliche Betrieb sei ausgerichtet auf die Mitgliedschaft in einer gemeinschaftlichen Brennerei, die nach einem in sich geschlossenen Kreislaufkonzept arbeite.

Darüber hinaus ist Der Terminkalender Hans-Cord von Bothmers eng: Er ist seit sechs Jahren stellvertretender Landrat im Kreis Rotenburg, Vorstandsmitglied im Frendenverkehrsverband Lüneburger Heide, Präsident des Campingplatz-Unternehmerverbandes Niedersachsen und Vorstandsmitglied im Heimatverein "Niedersachsen" in Scheeßel.