Von GABY WERNER

Munster - Manchmal unterbricht ein dumpfer Schuss die Stille des Waldes. Die Besucher haben unter den Bäumen Schutz gesucht: Sonne und Regenschauer wechseln sich ab. Da kommt auch schon Frigga im leuchtend roten Kleid angestapft mit einer Handvoll Regenschirme unter dem Arm.

Frigga Steinmann-Laage ist die Herrin des 20 000 Quadratmeter großen Waldgrundstückes in der Lüneburger Heide, das verloren an der Bundesstraße 209, gegenüber dem Truppenübungsplatz Munster liegt und ihres Zeichens Falknerin. Von Mai bis Ende Oktober führt sie den großen und kleinen Besuchern ihre Taggreife und Eulen vor, damit diese sie kennen und lieben lernen, denn: "Nur was man kennt, will man auch beschützen." Pünktlich um drei, nicht zu spät und nicht zu früh beginnt der Rundgang: "Meine Vögel sind in der Gewerkschaft, da sind sie eigen", erklärt die Falknerin.

Da hocken sie auch schon auf kleinen Baumstümpfen unter den Bäumen, natürlich am Band: Eulen groß und klein, aus Nord- und Südeuropa: Schleiereule, Sumpfohreule, Zwergohreule. Blasius, den größten der Vögel, den lockt Frigga auf ihren "grrooßen" ledernen Handschuh - "Sieben Pfund stemm ich mit links", lacht sie mit dröhnender Stimme - krault und schmust mit ihm. "Oho, Uhu", verrät der Vogel leise seinen Namen, zeigt flügelschlagend die stolze Spannweite von 1,60 Metern.

Uhu-Frau Natascha wird erst "hübsch gemacht", dann dürfen ihr die Besucher in die federweiche Unterwäsche greifen, wie ein Hauch so zart: Da spürt man den lautlosen Flug. Bei der Jagd ist sie im Vorteil: Die "Weiber" schaffen es bis zum Rehkitz, die kleineren "Männer" nur bis zum Hasen, erklärt die Falknerin. Doch hier hat es die Uhu-Dame schwer: Blasius ist ganz eindeutig in Frigga Steinmann-Laage verliebt.

Frigga - nordische Sagengestalt und eigentlich Gattin Wodans - so steht sie da im Wald, aufrecht im roten Gewand, Eulenvogel oder flügelschlagenden Greif auf ihrem ledernen Falkner-Handschuh und läßt uns mit lebhaften Gesten teilhaben am Leben ihrer Vögel, die man meist nur aus Büchern oder als müde und langweilige Käfiginsassen kennt. Hier aber stehen wir Auge in Auge mit Adler, Uhu, Eule, Käuzchen, kraulen die Brust oder kitzeln das Rückengefieder, je nach spezieller Vorliebe des Vogels. Der seltene Rauhfußkauz tauscht mit einem wagemutigen Jungen den Eskimo-Kuss (Nase an Nase) und das honigduftige Frettchen, das den Vögeln bei der Kaninchenjagd hilft, schnuppert besonders gern in frisch gewaschenen Kinderohren.

Jeder hat seinen Namen, den er sich erst verdienen muss: Alberich der Zwergenkönig die männliche Schnee-Eule, Pumuckel der launische Steinkauz, dessen dicke weiße Augenbrauen Frigga stets an Theo Waigel erinnern werden; Dracula die Zwergohreule vom Mittelmeer, ein winziges Nichts, das sich mit seinen unbefiederten Fängen - "Im Süden braucht sie keine Pelzschuhe" - meist von Insekten ernährt, doch eine Maus nimmt sie auch.

Plisch und Plum, die Waldohreulen, zeigen mit kokettem Augenaufschlag, dass man sie eigentlich gar nicht sehen kann. "Da rufen Leute bei mir an und sagen, sie hätten einen Uhu im Garten" kichert Frigga, "Oh wie niedlich, eine Waldohreule", lacht sie dann, wenn sie durchs Fernglas schaut. "Dann sind die Leute beleidigt."

Sechs Stunden am Tag ist Frigga Steinmann-Laage Transportunternehmerin: So lange dauert es, bis sie morgens und abends die Vögel aus der Voliere in den Wald und vom Wald wieder in die Voliere gebracht hat. "Die haben Spaß an der Führung mit Gästen, an Action", weiß die Falknerin, die sich im Winter zu ihren Schützlingen in die Voliere reinsetzt, damit sie sich nicht langweilen. Nebenbei betreibt sie eine Mäuse-, Wachtel- und Kaninchenzucht, denn all die Greife und Eulen wollen ja etwas zu fressen haben: Rund 20 000 Eintags-Küken, die von den Hähnchen-Mästereien aussortiert werden, verfüttert sie im Monat. Besonders anstrengend ist die Aufzucht der Jungvögel (die wollen die Küken gerupft und durch die Moulinette gedreht): "Hast du einen Habicht, bist du König, der kann zwei Stunden nach dem Schlüpfen schon sehen." Doch bei den Schleiereulen kriecht sie auf allen Vieren: "Die müssen alle zwei Stunden gefüttert werden, Tag und Nacht."

Bekannt ist Frigga Steinmann-Laage mit ihrer wohl einmaligen Art der Vorführung bis nach Süddeutschland. Sogar von dort bringen ihr Menschen kranke und verletzte Vögel. "Wenn der Vogel wieder gesund ist, lasse ich ihn von den selben Leuten wieder abholen und an den Fundort zurückbringen. Die freuen sich dann sehr", sagt die Falknerin, die schon als Kind am Krankenbett von einer Eule getröstet wurde. Kein Wunder: Ihr Vater, ein bekannter Zoologe und Wissenschaftler, gründete in den 50er Jahren eine "Lehrstätte für einheimische Taggreifvögel und Eulen" in Hamburg. Friggas Mutter, eine gefeierte Konzertpianistin, hängte aus Liebe zu ihrem Mann ihre Karriere an den Nagel und auch die kleine Frigga wich nicht von der Seite ihres Vaters, der schon als Kind allerlei Getier nach Haus geschleppt hatte, so daß die Großmutter mal versehentlich die Stalltür offen ließ, "damit sich der Junge mehr ums Abitur kümmert", lacht Frigga Steinmann-Laage.

Im Haus der Laages in der Hamburger Kollaustraße machte ein pechschwarzer Kolkrabe namens "Huckebein" Ärger: Kaum öffneten die Nachbarn die Fenster, war er schon drin in der fremden Wohnung, räumte auf und machte die Betten - auf seine Weise. In der häuslichen Dachrinne war sein Depot. "Doch er hat uns weder Gold noch Silber herangeschleppt", bedauert Frigga, nur Zahnbürsten in allen Variationen. Als der schwarzgefiederte kleine Teufel schließlich einer Dame mitten auf der Straße den teuren Hut vom Kopf riss, war es vorbei mit dem Spaß: Die Dame machte den Laages einen Prozess und Huckebein wurde in Hagenbeck "eingesperrt".

Doch vor rund zwanzig Jahren erwarben Frigga und ihr Mann das weitläufige Grundstück in der Heide. Hier fanden all die Vögel, die sie nach dem Tod ihres Vaters erbte, ein neues Zuhause und natürlich auch "Huckebein", der die Besucher mit einem lässig gekrächztem "Hei" begrüßt: Schließlich ist er schon ein Star in Funk und Fernsehen.

Die Tiere liegen Frigga Steinmann-Laage am Herzen, und sie möchte sie den Menschen nahebringen, "damit sie mit anderen Augen durch die Welt gehen". Sie denkt an einen kleinen Jungen, der heute dabei war: "Erst hat er nicht mal die kleine Eule angefasst, aber den Steinadler, den hat er auf der Brust gestreichelt", freut sie sich. Wir stapfen zurück zum Ausgang. Kurzes, dröhnendes Gelächter schallt durch den Wald. "Das war Huckebein", sagt Frigga.