Von KRISTINA JOHRDE Sie hatten die NATO-Friedenstruppen bei ihrem Einzug in das Kosovo begleitet. Die "Stern"-Reporter Gabriel Grüner (35) und Volker Krämer (56) waren im Auto auf dem Rückweg nach Skopje in Mazedonien, um von dort ihre Berichte in die Magazin-Zentrale nach Hamburg zu senden. Doch in Skopje kamen sie nie an. Die Mörder schossen aus dem Hinterhalt. Die Journalisten hatten keine Chance. Sie waren auf der Landstraße 40 Kilometer südlich von Pristina, als Scharfschützen, sogenannte Sniper, das Feuer auf die beiden Männer eröffneten. Vermutlich warfen sie sich bei Dulje aus den Auto, wollten irgendwo in Deckung gehen. Aber sie konnten den Heckenschützen nicht entkommen.

Eine Kugel traf Volker Krämer in den Kopf. Der Fotograf war sofort tot. Sein Kollege, der Auslandsredakteur Gabriel Grüner, lebte noch, als NATO-Soldaten ihn fanden. Wie lange er blutend auf der Straße lag, ist noch unklar. Die Helfer konnten sein Leben nicht retten. Der 35jährige starb wenig später im Krankenhaus. Vermißt wird immer noch der mazedonische Dolmetscher Senol Alit, der die beiden immer in seinem Auto gefahren hatte.

Die schreckliche Nachricht erreichte Hamburg am Sonntag abend. Die Chefredaktion des "Stern" informierte die Angehörigen. Gabriel Grüners Lebensgefährtin ist schwanger. In zwei Monaten hätte der Journalist Vater werden sollen. Volker Krämer hinterläßt ein Frau, eine erwachsene Tochter und einen Sohn.

Beide Männer galten als erfahrene und besonnene Journalisten. Volker Krämer arbeitete seit 1969 beim "Stern". Der gebürtige Rheinländer war mit Bildern vom Einmarsch der Sowjets 1968 in der Tschechoslowakei bekannt geworden. Als Fotoreporter arbeitete er für den "Stern" in der ganzen Welt, auch in Krisengebieten. Er berichtete unter anderem aus Kasachstan, Südafrika, dem Eritrea-Krieg.

"Volker wäre nie unbedarft ein Risiko eingegangen", sagt sein langjähriger Kollege, "Stern"-Fotograf Jay Ullal. Krämer war ein begeisterter Sportler, Bergsteiger und Hobby-Gärtner. "Beim Fotografieren hat er immer intuitiv richtig gestanden", erinnert sich sein Kollege Tilman Müller. Viele Male war der "Stern"-Redakteur mit Volker Krämer für Reportagen im Ausland. "Abends haben wir oft zusammengesessen, über die Geschichten gesprochen und etwas getrunken." Sie haben gelacht und sich immer gut unterhalten, auch als sie in Iran nur Malzbier serviert bekamen.

"Gabriel Grüner ist ein herzerfrischender" Mensch gewesen", sagt Tilman Müller. Beim "Stern" sei er "der beste Mann auf dem Balkan" gewesen. Grüner, der aus Südtirol stammte, habe sich mit den Menschen dort sehr verbunden gefühlt und großes Mitgefühl mit ihrem Leid gezeigt. Er hatte nach dem Besuch der renommierten Henri-Nannen-Journalistenschule 1991 als Redakteur beim "Stern" angefangen und mehrfach aus Slowenien, Kroatien, Bosnien und von anderen Brennpunkten berichtet. "Mit Trauer und Erschütterung" hätten die Kollegen die Nachricht vom Tod der Reporter aufgenommen, hieß es in einer offiziellen Erklärung des "Stern". Chefredakteur Michael Maier sagte, Berichte, daß die Journalisten mit dem Hinweis auf Massengräber in einen Hinterhalt gelockt worden wären, hätten sich nicht bestätigen lassen. "Wir sind betroffen und ratlos." Der Tod der beiden sei "ein unvorstellbarer Verlust".

Nach Auskunft des Bonner Verteidigungsministeriums wurden die Leichen dem deutschen Kontingent in Tetovo übergeben. Sie sollen später nach Deutschland übergeführt werden. Die Bundesregierung sprach allen Angehörigen ihr "tiefes Mitgefühl" aus. Eine Regierungs-Sprecherin in Bonn warnte Zivilisten und Soldaten, die sich in Ausübung ihres Berufs im Kosovo aufhielten, vor dem "hohen persönlichen Risiko" und "unsicheren Umfeld". Sie richtete den dringenden Appell an alle, sich unbedingt an Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen zu halten.

Das haben Volker Krämer und Gabriel Grüner immer versucht. Es hat ihnen nicht das Leben gerettet. Grüner hatte sich sehr mit seiner Arbeit als Kriegsreporter auseinandergesetzt. Im Katalog zur Foto-Ausstellung "Kinder des Krieges", die er 1996 zum Thema Bosnien organisierte, schrieb er: "Und doch frage ich mich immer wieder, ob wir Fotografen und Schreiber wirklich etwas ausrichten können gegen den Haß und die Gewalt, die Unfähigkeit der Politiker. Ich weiß keine Antwort darauf. Aber ich weiß, daß wir nicht aufgeben dürfen zu hoffen. Wir müssen daran arbeiten, den Kindern des Krieges die Wiederkehr von Haß, Zerstörung und Mord zu ersparen."