Hamburg - Es hört sich an wie ein Horrorszenario aus einem Science-fiction Film. Doch britische Wissenschaftler warnen bereits jetzt davor, daß es innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich sein könnte, genetische Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, die nur Menschen einer bestimmten Ethnie ausrotten. Die medizinische Forschung, die derzeit daran arbeite, wirksame Mittel gegen Krebs oder tödliche Viren zu entwickeln, könnte gleichzeitig damit die Grundlagen für solche biologischen Kampfstoffe schaffen, warnt der Britische Ärzteverband (BMA), in seinem jüngsten Report.

Mehr Kontrollen von Labors gefordert

Deswegen sei es notwendig, die Internationale Konvention über das Verbot von biologischen Waffen (1972) zu verschärfen. "Es müssen mehr Kontrollinstanzen, wie die Unscom im Irak, geschaffen werden, die in allen Ländern unangekündigt Labors untersuchen dürfen", sagte eine BMA-Sprecherin dem Abendblatt.

Der Bericht führt beispielsweise das "Humane Genome Project" an, welches das Ziel hat, alle menschlichen Gene bis 2005 zu identifizieren und darzustellen. Damit könnten Wissenschaftler feststellen, welche Gene individuelle Menschen oder Gruppen unterscheiden.

Bereits jetzt weiß die Wissenschaft, daß Krankheiten wie Krebs durch defekte Gene verursacht werden. So gibt es inzwischen Gentherapien, bei denen Medikamente gezielt die kranken Zellen erkennen und angreifen. Der Krebs wird so zerstört. Die gesunden Zellen bleiben dabei unberührt.

So ähnlich könnte auch eine genetische Waffe funktionieren, die ihre Opfer anhand genetischer Merkmale identifiziert und sie dann gezielt mit einem tödlichen Virus infiziert. Die englische Zeitung "Sunday Times" hatte im November berichtet, daß Israel an einer biologischen Waffe arbeite, die nur Arabern, nicht aber Juden schaden würde. Viren könnten zum Beispiel über Brunnen verbreitet werden. Diese Meldung wurde von Israel jedoch scharf dementiert.

"Es wäre außerordentlich schwierig, eine bestimmte Erbsubstanz herauszufiltern, die es nur bei Arabern gibt, da Juden und Araber beide semitischer Herkunft sind", sagte eine Münchner Virologin dem Abendblatt. Sie hält einen genetischen Kampfstoff derzeit noch für "reine Theorie". Das größte Problem bei der Entwicklung sei, daß es kaum reine Menschenpopulationen gebe, die nur bestimmte Gene trügen, die bei anderen nicht vorhanden seien. Auch der BMA-Bericht stellt fest, daß die vielen Ethnien mehr genetische Gemeinsamkeiten als Unterschiede hätten. "Bei Inzucht-Gebieten oder einsamen Stämmen sind solche Unterschiede wahrscheinlich jedoch vorhanden", so die Virologin.

Das Friedensforschungsinstitut der englischen Bradford Universität, an dem auch der Autor des BMA-Reports Professor ist, hat einige Länder genannt, die derzeit möglicherweise biologische Waffen entwickeln. Darunter sind China, Ägypten, Israel, Iran, Irak, Libyen, Rußland, Nordkorea und Taiwan.

USA wappnen sich gegen Bio-Terrorismus

Während der genetische Kampfstoff noch in den Kinderschuhen steckt, wollen sich die USA schon jetzt gegen einen Terrorangriff mit anderen biologischen Kampfstoffen wie etwa Anthrax wappnen. Eine Bombe mit 50 Kilogramm Anthrax könnte in einer 500 000-Einwohner-Stadt jeden fünften Menschen töten, rechnete der Mediziner Frank Young auf einem US-Wissenschaftskongreß vor.

Das Risiko des Bio-Terrorismus sei schon deshalb so groß, weil der Milzbrand-Erreger Anthrax und ähnliche Kampfstoffe preiswert und unkompliziert herzustellen seien. "Ein Tod durch Anthrax kostet acht Cents", sagte Young. So wollen die Amerikaner nun große Vorräte von Antibiotika anlegen, um sich zu schützen. Die könnten bei einem Angriff allerdings wenig helfen. Denn bereits jetzt werden laut BMA-Bericht Bakterienstämme entwickelt, die gegen Antibiotika resistent sind.