Er war immer einer der jüngsten in der Garde der Hamburger Salzwasser-Barden. Doch jetzt ist auch Carl Bay (Jahrgang 1927) in dem Alter, sich zu erinnern. In einer neunteiligen Serie schreibt der gebürtige Hamburger auf, was er erlebte mit Kollegen und Freunden. Lesen Sie in Folge 7 Erinnerungen an Robert T. Odeman und über Künstler und ihren Umgang mit Geld:

Eigentlich trug immer nur emer die Gedichte von Robert T. Odeman vor: Robert T. Odeman. Ich war eine Ausnahme, denn wir waren sehr gut befreundet. Wenn Tommi Odeman in Hamburg war, wohnte er bei mir, wenn ich in Berlin war, war ich sein Gast in der Humboldtstraße. Er war mit Hans Söhnker befreundet, O. E. Hasse kam ins Haus und viele, viele Freunde, unter ihnen die charmante Schauspielerin Olga Limburg. Sie spielte schon in Stummfilmen mit.

Abende bei Odemans begannen meist damit, daß gut gegessen wurde und ein bllJchen getrunken, so daß die Konversation immer heiterer und offener wurde. Olga Limburg sank bei jeder handfesteren Pointe in ihren Sessel und sagte mit einem verhaltenen Lachen: "Junger Mann, hören Sie auf, ich sehe alles noch vor mir, aber aus diesem Paradies hat man mich schon lange vertrieben."

Olli Limburg, Edith Hanke, Brigitte Mira, wir haben uns alle bei Tommi Odeman getroffen und uns in seinem Haus wohl gefühlt.

Tommi Odemans 80. Geburtstag wollten wir in Hamburg feiern. Seine Familie stammte von hier, er wuchs hier auf und wurde in Hamburg konfirmiert. Tommi war in dritter Generation Hamburger, also ein gebürtiger, hatte später in Berlin gelebt und ist dort während des Krieges zweimal im KZ eingesessen, nicht weil er rassisch Verfolgter war, sondern weil andere Menschen ihn denunziert hatten.

Und nun sollte er 80 werden. Ich dachte an eine offizielle Ehrung, an einen Empfang durch einen Hamburger Senator oder eine Einladung ins Rathaus. Ich nahm also Kontakt mit der Kultursenatorin auf, damals Helga Schuchardt. Ich weiß, daß Tommi eine solche Ehrung sehr, sehr

gitgetan hätte und er nicht mit roll im Herzen auf seine Vaterstadt gestorben wäre.

Frau Schuchardt wand sich sehr und fand nicht den richtigen Rahmen. Ich hatte ihr das Schwenders vorgeschlagen, sie aber lehnte ab. Allerhöchstens das Foyer des Thalia Theaters wollte sie freigeben, wo er nichts zu suchen hatte. Alles wurde auf die lange Bank geschoben, also organisierten wir selbst einen Abend im Schwenders am Großneumarkt. Aus Berlin kam Edith Hanke, aus Hamburg Heidi Kabel. Es erschien Charles Kaiman, Sohn des großen Emmerich. Charles hatte einige von Tommis Gedichten vertont. Bei der Finanzierung half die Bavaria- und St.-Pauli-Brauerei.

Es wurde ein großartiger Abend: Joe Luga machte mit, Anneliese Braasch sang Lieder und Chansons, alles Odeman- Werke. Leider starb er wenige Wochen später.

Tommi Odeman ist Gott sei Dank nicht in Armut gestorben. Ihm ging es gut in Berlin. Er hatte große Lizenz-Einkommen, so daß er sich sogar ein Haus im Grunewald kaufen und es schuldenfrei halten konnte. Er wußte aber auch mit der Mark umzugehen. Und die Kehrseite der Medaille gab es zuhauf.

Viele Kollegen haben viel verdient, als sie im Zenit ihres Könnens standen, und stürzten dann furchtbar ab.

Zum Beispiel Edgar Ralfs. Er ging am Alkohol jämmerlich zugrunde. Zwei, drei Tage nach seinem Tode wurde er in seinem Zimmer an der Rutschbahn gefunden. Zur Beerdigung kamen kaum Angehörige.

Auch Lieselotte Malkowski, die gefeierte Sängerin, die Millionen Schallplatten verkauft hat, verlebte ihr Geld sehr schnell. Sie starb mit 46 an Leberverhärtung. Es war eine traurige Beerdigung. Sechs Personen standen am Grab, als Lieselotte in Ohlsdorf verabschiedet wurde. Der Pastor sprach dünne Worte. Sie starb in Armut, ohne Rücklagen und Versicherungen.

Auch die großartige Maria Kloth hatte sehr gut verdient. Sie machte eine Gastspieldirektion auf, und dann pachtete sie die Strandhalle in Grömitz. Das hat ihr, glaube ich, finanziell das Rückgrat gebrochen. Sie war keine Kauffrau, wurde kräftig übers Ohr gehauen und ausgenommen, bis sie Konkurs anmelden mußte.

Wir haben uns nachher bemüht, Maria Kloth über Institutionen wie die Theodor-Heuss- Stiftung einmal im Jahr etwas zukommen zu lassen. Und da war auch noch ihre Familie. Ihre Schwester und ihre Nichte Nana Gualdi haben sich rührend um sie gekümmert.

Viele Künstler waren sicher naiv, weil sie glaubten, es ginge immer so weiter mit den Gagen. Pustekuchen. Andere Kollegen konnten offenbar nicht begreifen, daß sie gelegentlich auch einmal Steuern zahlen mußten.

Zum Beispiel Rene Carol hatte mit "Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein" Millionenauflagen. Ren6 Carol nahm beim Tingeln eine Abendgage von 2000 bis 3000 Mark - und gab sie in der Kneipe nebenan wieder aus. Dann lud er das halbe Zelt ein, in dem er sang. Er konnte überhaupt nicht mit Geld umgehen. Und später ging's ihm schlecht. Er hatte zwar noch ein Comeback, kam noch mal auf die Füße und verdiente noch einmal viel Geld. Aber auch daraus hat er nicht viel gelernt. Er ist einer von denjenigen, die in Armut gestorben sind.

Fortsetzung folgt