Wenn Eugen Wagner sich von seiner Wohnung auf Finkenwerder zum Dienst in die Stadt fahren läßt, und wenn die Tachonadel vor dem Elbtunnel oder am Fuße der Köhlbrandbrücke auf Null sinkt, überfällt ihn seit einiger Zeit ein völlig neues Stau-Gefühl. Dann kämpft Wagner, der Bausenator, gegen Wagner, den neuen Verkehrssenator.

Früher habe er bei solchen Gelegenheiten immer nur daran gedacht, ob es wohl besser sei, breitere Straßen zu bauen, sagt er. Heute dagegen überkomme ihn immer öfter der Gedanke, "wie ich die vielen Autos von der Straße kriegen kann".

Wagner als Autoschreck? Nein, das ganz gewiß nicht. Ein autofreies Hamburg steht uns nicht bevor. Die autogerechte Stadt allerdings auch nicht. Wagners Kurs: Soviel wie möglich auf Schiene, Bahn und Busse verlagern, soviel wie nötig auf der Straße lassen.

Wagner, seit dem 14. April der erste Hamburger Verkehrssenator, sucht den mittleren Weg. Schwarzweiß- Denken ist nicht seine Sache. Er will "nicht das Kind mit dem Bade ausschütten". Soll heißen: Bahnen und Busse ja, aber das eigene Auto ist auch ein Stück Mobilität, die man den Leuten nicht so einfach wegnehmen kann.

Fünf Wochen Verkehrssenator, da könne man von ihm noch keine fertigen Konzepte erwarten, sagt Wagner. Und dann kommt eines seiner Lieblingswörter: "Weltmeister". Erstens lese er zur Zeit - wie ein Weltmeister - alles, was er über Verkehrsfragen in die Fiiigef bekomme. Sein Schreibtisch ist voll von Broschüren, auf den Ablagen,$tapelt sich Papier.

Umzug in Rekordzeit

Und zweitens werde er den Umzug der Verkehrsexperten aus den anderen Behörden in sein Haus bis zur Sommerpause in knapp zwei Wochen in Rekordzeit beenden. "Im Organisieren will ich Weltmeister werden", stellt er wie selbstverständlich fest. Wobei zu vermuten ist, daß er damit zweierlei zeigen will: daß er schneller ist als seine Kollegin Traute Müller mit ihrer Stadtentwicklungsbehörde und daß alle, die dem Bausenator Wagner das Temperament einer Schnecke anhängten, im Unrecht sind.

Wenn Wagner sagt, er freue sich auf seine Arbeit als Verkehrssenator, kann man ihm das abnehmen. Das erste Reinriechen in den Hamburger- Verkehrsverbund, dessen Aufsichtsratschef er demnächst wird, habe ihm sogar richtig Spaß gemacht. Vor allem deshalb, weil er glaubt, in einem privatrechtlich organisierten Betrieb Entscheidungen schneller umsetzen zu können. Nicht so umständlich wie in einer Behörde, sondern zumindest so rasch, "daß man es noch während der Amtszeit selbst erlebt".

Als Junge hat Wagner schon mit der Eisenbahn gespielt. Ist jetzt der HW sein neues Spielzeug? Erwehrt ab: "Nein, aber da ist eine Menge drin, da läßt sich viel machen."

Nahverkehr hat Vorrang

Pragmatisch will er an die Probleme rangehen, mit grundsätzlichem Vorrang für die Schiene und den öffentlichen Nahverkehr. Der Kostendeckungsgrad zum Beispiel - der Zuschußbedarf für Bahnen und Busse - ist für ihn flexibel. Sehen müsse man die Gesamtkosten des Stadtverkehrs. "Baue ich eine Straße weniger und installiere dafür eine Bahn, dann kann der Zuschuß ruhig etwas grö- ßer sein, ich spare ja die Stra- ße." So einfach kann Verkehrspolitik sein.

Und die Herabsetzung von Tempo 60 auf Tempo 50: "Wenn es der Sicherheit dient, ja. Wenn nicht, werde ich das ändern." Punkt. Eine Elbquerung westlich von Hamburg? Er glaubt nicht, daß dies dem Wirtschaftsund Verkehrsplatz Hamburg schaden werde.

"Wir warten darauf, daß was geschieht", meint Hartwig Serchinger, Verkehrsexperte der Handelskammer, auf die Frage, was denn die Wirtschaft vom neuen Verkehrssenator erwarte. Das tut auch ADAC-Sprecher Alfred-Max Dörfler: "Wir haben die hohe Erwartung, daß Wagner ein Mann ist, der auf dem Boden der Praxis steht."

Steht er bestimmt. Als er nämlich neulich auf der Fahrt in die Stadt wieder einmal im Stau steckenblieb, kam ihm eine Idee, wie man den Verkehr wieder flüssig machen könnte. Welche, will er noch nicht verraten. Aber sie sei ihm zugeflogen, als ihm gerade ein undisziplinierter Autofahrer "auf den Keks" ging: "Es ist wie in der Bürgerschaft, wenn ich geärgert werde, habe ich die besten Ideen."

Wir sind gespannt.