Fortsetzung von Seite 9 Dafür spricht auch die Entwicklung des "Kfz-Bestandes": Von Januar 1987 bis Januar 1991 ist die Zahl der in Hamburg zugelassenen Pkw um 65 877 auf mehr als 675 000 gestiegen. Die Zahl der Lastwagen und Zugmaschinen nahm in der gleichen Zeit um 3224 auf 42 373 zu. Nicht eingerechnet darin sind die Lastwagen, die aus anderen Städten kommend in oder durch die Wirtschaftsmetropole Hamburg fahren.

Doch die Brummis allein verstopfen die Straßen nicht: Auch die Zahl der Pendler, die täglich aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit dem Auto und zum Teil mit öffentlichen Verkenrsmitteln nach Hamburg kommen, ist deutlich gestiegen: Von 133 847 Arbeitnehmern im Mai 1970 auf mehr als 211 631 im Mai 1987. Neuere Zahlen liegen nicht vor: Pendlerströme werden nach Auskunft des Statistischen Landesamtes nur mit Hilfe einer Volkszählung erfaßt.

Allerdings gehen Experten davon aus, daß die Zahl der Pendler seit dem Stichtag 25. Mai 1987 wieder deutlich gestiegen ist. "Hamburg ist eine attraktive Wirtschaftsmonopole mit einem überdurchschnittlich hohe Wachstum. Deshalb ist davon auszugehen, daß immer mehr Menschen in der Hansestadt Arbeit suchen", heißt es bei der Handelskammer.

Eine Verkehrsprognose wagt die Baubehörde nicht. "Einerseits liegen uns keine konkreten Schätzungen vor. Andererseits wird die neue Stadtentwicklungsbehörde sich mit dem Thema befassen müssen", sagt Matthias Thiede, Sprecher der Baubehörde. Und der wolle man durch solche Zahlen keine Erblast hinterlassen.

"Verkehr nimmt zu, solange die Politik nicht einschreitet" Traute Müller, Chefin der Stadtentwicklungsbehörde, hat schon mehrfach bekundet, den öffentlichen Nahverkehr auf Kosten des Individualverkehrs stärken zu wollen. Darin sieht auch die Umweltakademie den "einzigen Weg aus dem Chaos". ?Solange die Politik nicht einschreitet, wird der Verkehr zunehmen , meint deren Sprecher Uwe Thesling. Die Spitze des Eisberges sei noch lange nicht erreicht.

Allerdings sei bei den Hamburgern der gute Wille, Busse und Bahnen zu nutzen, vorhanden. Um diese potentielle Bereitschaft in die Tat umzusetzen, fordert die Umweltakademie unter anderem ein Jobticket für Berufstätige, zusätzliche Park-and-ride-Plätze, ein "Beschleunigungsprogramm für Busse" - Busspuren auf Kosten der Pkw-Fahrbahnen - und eine Reduzierung der Parkplätze in der Innenstadt. Längerfristig, so Thesling, müßten auch wieder Straßenbahnen eingeführt werden und der Regionalverkehr - die Anbindung des Umlandes an die Stadt Hamburg - ausgebaut werden.

"Die Subventionieruna des Autos abschaffen!" "Der HW hat sich in den vergangenen Jahren deutlich bewegt, innerhalb seiner Möglichkeiten. Was dem Verkehrsverbund fehlt, ist genügend Geld. Das muß sich ändern, um die Angebote verbessern und die Flexibilität des HW stärken zu können", sagte Thesling.

Ein Weg sei auch, die Subventionierung des Autos abzuschaffen. "Wenn Autofahrer die realen Kosten zahlen müßten, würden viele Wagen abgeschafft." Denn die Versicherung decke bei weitem nicht die Kosten der Behandlung der Unfallopfer; die Steuern, die Autofahrer zahlen, reichten bei weitem nicht aus, um die Umweltschäden decken zu können. "Allerdings kann Hamburg allein den Abbau der Subventionen nicht durchsetzen."

Doch solange sich nichts entscheidendes bewegt, wird die Zahl der Autos weiter ansteigen - und damit die von ihnen beanspruchte Fläche. Würde man alle am 1. Januar '91 in Hamburg angemeldeten Personenwagen hintereinander parken, dann ergäbe sich bei einer Wagenlänge von fünf Metern eine Autoschlange von knapp 3390 Kilometer. Damit wären rund 87 Prozent aller 3889 Straßenkilometer der Stadt einseitig zugeparkt.

STEPHAN STEINLEIN