Einige Einkaufsstraßen in der Hamburger Innenstadt, darunter auch die Mönckebergstraße, werden bis zum 5. Januar 1991 als Fußgängerzonen eingerichtet, für den Autoverkehr gesperrt, damit die Kunden ungestört ihre Einkäufe tätigen können. Autofahrer können trotzdem alle 17 Parkhäuser der City ansteuern. Außerdem werden ihnen die 13 200 P+R-Plätze an Schnellbahnstationen angeboten. Mit dem Versuch will Hamburg das Zentrum über Weihnachten fußgängerfreundlich machen.

Von Anfang an war dieser Versuch, der die Autoflut rigoros aus dem Zentrum verbannt, höchst umstritten. Erst nach langen, widersprüchlichen Debatten mit Geschäftsleuten und der Handelskammer hat der Senat die fünfwöchige Verkehrsberuhigung beschlossen. Hamburgs Wirtschaft vermutet, daß daraus eine Dauerlösung für die City werden soll. Und genau dagegen meldet die Kaufmannschaft massive Bedenken an, die von den Behörden nicht einfach vom Tisch gefegt werden können.

Wieviel Autos braucht die innere Stadt zum Leben, wie viele Autos kann die Stadt ohne Kollaps verkraften? Darum geht es. Einig sind sich alle Beteiligten nur darüber: So wie bisher kann es mit der ständig wachsenden Autoflut nicht weitergehen! Aber die Autos ganz verbannen - das geht auch nicht, wenn Attraktivität und Lebensfähigkeit der City erhalten bleiben sollen. Was also ist zu tun?

HW-Direktor Peter J. West- Ehal gibt zu bedenken: "Hamurg hat heute 680 000 Pkw. Und eine weitere Million Wagen rollt täglich über Hamburgs Grenzen. 80 Prozent aller in der Innenstadt Beschäftigten benutzen Busse oder Bahnen, aber nur 64 Prozent jener Leute, die in der City einkaufen wollen. Zur Zeit gibt es im Zentrum täglich 100 000 Fahrzeugbewegungen. Wir brauchen dort verkehrsberuhigte Zonen und auf den Zufahrtsstraßen mehr Busspuren mit Ampelvorrangschaltung für Busse." Westphal hält es für vertretbar, wenn Pkw, nur mit durchschnittlich 1,2 Personen besetzt, einem Bus mit sechzig Fahrgästen den Vorrang lassen müssen.

Kein Verkehrskonzept

ADAC-Sprecher Alfred Max Dörfler: "Das Thema sollte mit Vernunft debattiert werden. Leider ist das Beispiel anderer Städte, die reglementierende Maßnahmen für ihren Cityverkehr beschlossen haben, nicht einfach zu übernehmen. Zu bedauern ist, daß Hamburg noch immer kein Verkehrskonzept hat." Claus Plage vom Auto Club Europa meinte kürzlich: "In Hamburg kümmern sich zu viele Behörden um den Ver : kehr, und alle wollen sich dabei profilieren. Das sollte Chefsache sein, also dem Bürgermeister unterstellt werden. Generell bin ich dafür, daß der Gebrauch des Autos eingeschränkt wird."

Hartmut Serchinger von der Handelskammer sagte bei einer öffentlichen Diskussion: "Der Autoverkehr in der City ist notwendig für die Wirtschaft. 32 Prozent aller Citykunden kommen aus dem Umland. Jeder Auswärtige gibt in den Geschäften ein Drittel mehr aus als ein Hamburger. Den Umsatz des Cityhandels bestreiten zu 45 Prozent Pkw-Kunden."

Nicht auszuschlleßen sei, daß künftig, wenn die Pläne einer großflächigen Fußgängerzone realisiert sind, viele Kunden aus dem Umland wegbleiben, wenn sie nicht mehr mit dem Wagen in die City fahren können. Die Handelskammer plädiert allerdings dafür, die motorisierten Berufspendler zurückzudrängen.

Die Straßenbahn fehlt

Hermann Scheunemann, SPD-Verkehrsexperte und Bürgerschaftsabgeordneter, sagte vor kurzem: "An verkaufsoffenen Sonnabenden entfallen 70 Prozent des Citvverkehrs auf Stellplatz-Sucnfahrten. Die City sollte dauerhaft zur Fußgängerzone gemacht werden. Es muß jedoch darauf geachtet werden, daß sich der Verkehr durch flankierende Maßnahmen nicht lediglich vor die Absperrungen verlagert." In Hamburg - so Scheunemann - gäbe es leider ein zielloses Nebeneinander von Straßenbau und öffentlichem Nahverkehr. Die Busse müßten schneller werden und häufigerfahren. "Natürllch war es ein Fehler, 1978 die Straßenbahn abzuschaffen. Im übrigen bin ich für den Rückbau von City-Stellplätzen."

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Langsdorff: "Sperrungen in diesem Umfang sind nur sinnvoll, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüüt sind. Ich bemängele die zu geringe Anzahl von P+R- Plätzen sowie die zu langen Zeittakte bei Bahnen und Bussen." Die Vorstellungen der Baubehörde zu einer durchgehenden Fußgängerzone in der Innenstadt bezeichnete CDU-

Bürgerschaftsabgeordneter Dr. Joachim Christian Becker schlicht als "Quatsch".

Die Wünsche der Bürger, bei öffentlichen Diskussionen notiert: mehr Radwege in der City, mehr überdachte Fahrradstellplätze an U- und S- Bähnhöfen, dichterer Fahrplantakt der Schnellbahnen, mehr Polizeikontrollen wegen zugeparkter Radwege und Beachtung von Tempo 30, mehr P+R-Piätze, mehr Busspuren und günstigere HW-Tarife. Ein Umweltschützer: "80 Prozent aller Schadstoffe stammen in Hamburg vom Auto. Der Verkehr ist nicht mehr sozialverträglich. Schluß mit widersprüchlichen Planungen!" eah