Seit geraumer Zeit ist der Turm von St. Michaelis eingesponnen in ein Netz von Baugerüsten; die notwendige Renovierung wurde ermöglicht durch die großherzige Spende in Millionenhöhe eines Hamburger Kaufmanns. Als Hamburgs Wahrzeichen ist der Michel den Bürgern schon immer lieb und teuer gewesen.

Dabei ist der spätbarocke Kirchenbau eigentlich ein Neubau von 1906/12. Nach dem Brand von St. Michaelis am 3. Juli 1906 wurde in Fachkreisen heftig darüber diskutiert, ob ein Wiederaufbau in alter Form wünschenswert sei. Am Ende siegten die Traditionalisten über diejenigen, die einen Kirchenneubau bevorzugten.

Beim Wiederaufbau von St. Michaelis blieb neben den Außenmauern des Vorgängerbaus auch das von Sonnin konstruierte Gruftgewölbe erhalten. Dafür ließ Sonnin 1758 eine sechs Meter tiefe Grube ausheben, einwölben, mit vier Meter hohen Innenwänden in Einzelgräber unterteilen und mit Sandsteinplatten abdecken.

Darüber entstand ein zwei Meter hohes Gruftgewölbe. Der Gruftkeller war durch Fenster belichtet und begehbar, so daß man nicht, wie sonst in den Kirchen, bei jeder Bestattung den Kirchenfußboden aufbrechen mußte.

Zwischen 1762, dem Jahr der Einweihung von St. Michaelis, und 1813, als laut Gesetzesbeschluß keine Beerdigungen mehr in den Kirchen zugelassen waren, konnten sich die Hamburger Familien in den Kirchen Grabstellen mieten.

In der Gruft von St. Michaelis sind die Gräber dreier berühmter, in Hamburg tätig gewesener Künstler erhalten: die von Sonnin, Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Mattheson.

Vom Pastorensohn zum Architekten

Die Beziehung Ernst Georg Sonnins (10. Juni 1713 in Quitzow bis 8. Juli 1794) zu Hamburg wird allein schon durch die Michaeliskirche selbst augenfällig: Der Pastorensohn studiert zunächst in Halle Theologie, wendet sich aber bald den Naturwissenschaften und besonders der Mathematik zu. Kenntnisse in Mechanik, Geodäsie (Vermessung) und darstellender Geometrie erwirbt er sich im Selbststudium.

1748 erhält Sonnin den Auftrag, für Bendix von Ahlefeldt dessen berühmten Jersbeker Garten in Vogelperspektive darzustellen. So wird über die Gartenarchitektur Sonnins Interesse für Architektur geweckt.

Erste Bauaufträge erhält der Autodidakt durch Freunde, die im Kreis der mennonitischen Kaufleute, aber auch unter den aufgeklärten Hamburgern wie Busch oder Reimarus zu suchen sind. Sonnin wurde Mitbegründer der Patriotischen Gesellschaft, die es sich auch zur Aufgabe gemacht hat, die Naturwissenschaften und das Bauwesen zu fördern.

St. Michaelis, im 18. Jahrhundert der größte protestantische Kirchenbau Norddeutschlands, für den es keine direkten Vorbilder gab, war die Gemeinschaftsleistung des Steinmetzes Johann Leonhard Prey, des Töpfers und Dekorationsmalers Cord Michael Möller und des naturwissenschaftlich begabten Autodidakten Ernst Georg Sonnin. Der Michel war Sonnins erster Kirchenbau überhaupt.

Sonnin starb am 8. Juli 1794 im Alter von 81 Jahren und wurde in St. Michaelis beigesetzt. Er hatte verfügt, daß keine Inschrift sein Grab bezeichnen sollte. Die jetzt bestehende Inschrift ließ der Architekt Julius Faulwasser beim Wiederaufbau des Michels 1906-12 anbringen.

Carl Philipp Emanuel Bach, dessen 200. Todestag am 17. Dezember 1988 gefeiert wurde, war schon zu Lebzeiten als virtuoser Clavichordspieler und Komponist berühmt. Nach 27 Jahren als Cembalist am Hofe Friedrichs II. wurde er 1767 Nachfolger seines Patenonkels Georg Philipp Telemann in Hamburg.

Als Musikdirektor war Bach zuständig für das musikalische Geschehen an den fünf Hauptkirchen, au- ßerdem hatte er die Ratsmusiken zu betreuen sowie die musikalische Ausbildung am Johanneum. In seiner Hamburger Zeit hat C. P. E. Bach etwa 200 Kirchenmusiken komponiert, unter anderem auch die Festmusik anläßlich der Vollendung des Turms 1786.

Bach starb am 14. Dezember 1788. Seine Grabinschrift lautet: "Ruhe Kammer Carl Philipp Emanuel Bach, Chori Musici Directoris für Sieg und Seine Frau und Kinder nach Den Letzten Thode in 15 Jahre nicht zu eröfnen, den 28. Aprill A1789, Littra bb, I".

Der dritte bedeutende Hamburger, der seine ewige Ruhe in der Gruft von St. Michaelis fand, war Johann Mattheson (28. September 1681 bis 17. April 1764). Der Diplomat, Musiktheoretiker, Opernsänger und Domkantor war eng mit Georg Friedrich Händel befreundet. Mattheson begann seine musikalische Ausbildung in Gesang, Kompositionslehre, Gambe, Violine, Flöte, Oboe und Laute.

Schon mit neun Jahren ließ er sich in den Hamburger Kirchen mit eigenen Kompositionen hören. Gleichzeitig wurde er Sänger, später Komponist und Korrepetitor an der Hamburger Oper, die er seine musikalische Universität nannte.

Sekretär, Domkantor und Lexikon-Autor

1 706 wurde er zum Sekretär des englischen Gesandten berufen, 1744 zum Legationsrat. 1718 bis 28 war er Domkantor; in dieser Zeit komponierte er zahlreiche Oratorien.

Zu seinen wichtigsten Schriften zählen die "Grundlage einer Ehrenpforte" (ein Tonkünstlerlexikon) und der "Musikalische Patriot" (1728). Matthesons letzte Komposition war seine eigene Begräbnismusik, die Telemann am 25. April 1764 bei Matthesons Trauerfeier aufführte.

Noch zu Lebzeiten hatte Mattheson für die neue Michaelis-Orgel 4400 Mark gespendet; sie wurde jedoch erst 1767, drei Jahre nach seinem Tod, vollendet. Wird fortgesetzt