Alle Diskussionsredner waren sich einig: So kann es mit der wachsenden Autoflut in Hamburgs City nicht weitergehen; aber die Autos ganz zu verbannen, das geht auch nicht, wenn Attraktivität und Lebensfähigkeit der City erhalten bleiben sollen. Was also ist zu tun? Die Neue Gesellschaft hatte zur Podiumsdiskussion in die Handelsschule Holzdamm eingeladen. Das Thema: Verkehrsfreie Zone Innenstadt?

Peter J. Westphal (HW-Direktion): "Hamburg hat 650 000 Pkw, und weitere 600 000 sind im Umland zugelassen. 80 Prozent aller in der Innenstadt Beschäftigten benutzen Busse oder Bahnen, aber nur 64 Prozent jener Leute, die in der City einkaufen wollen. Zur Zeit gibt es im Zentrum tägllch 100 000 Fahrzeugbewegungen. Wir brauchen dort verkehrsberuhigte Zonen und auf den Zufahrtstraßen mehr Busspuren mit Ampelvorrangschaltung für Busse. Ich finde es vertretbar, wenn einige Pkw, mit durchschnitthch 1,2 Personen besetzt, einem Bus mit 60 Fahrgästen den Vorrang lassen müssen."

Claus Plage (Auto Club Europa): "In Hamburg kümmern sich zu viele Behörden um den Verkehr, und alle wollen sich dabei profilieren. Das sollte Chefsache sein, also dem Bürgermeister unterstellt werden. Für eine autofreie City ist es noch zu früh. Ich bin aber dafür, daß der Gebrauch des Autos eingeschränkt wird."

Ingo Uttech(Umweltbehörde): "Grundsätzllch wird in Hamburg zu schnell gefahren. 90 Prozent der Hamburger sind gegen noch mehr Autos m der City. Statt der heutigen 28 000 Pkw-Stellplätze sollte es nur noch 10 000 geben, dafür mehr Fahrradwege. Ich bin für eine autoarme City und für höhere Benzinpreise, etwa zwei Mark je Liter mehr. Besseren Verkehr muß der bezahlen, der ihn verursacht. Heute wird das private Autofahren zusehr subventioniert."

Lines Betz-Wölber (Bund Umwelt und Naturschutz): "80 Prozent aller Schadstoffe stammen in Hamburg vom Auto. Der Verkehr ist nicht mehr sozialverträg- Uch. Hamburg hat immer noch kein Verkehrskonzept, statt dessen widersprechende Planungen. Die Fahrbahnen müßten verengt werden. Ich bin für Wiedereinführung der Straßenbahn und bessere HW-Verbindungen. Busbetrieb im 40-Minuten- Takt ist unmöglich."

Hartwig Serchinger (Handelskammer): "Der Autoverkehr in der City ist notwendig für die Wirtschaft. 32 Prozent aller City- Kunden kommen aus dem Umland. Jeder Auswärtige gibt in den Geschäften ein Drittel mehr aus als ein Hamburger. Den Umsatz des City-Handels bestreiten zu 45 Prozent Pkw-Kunden. Die Handelskammer verlangt 30 000 Stellplätze in der Innenstadt. Allerdings bin ich dafür, die Berufspendler zurückzudrängen."

Hermann Scheunemann (SPD-Bürgerschaftsabgeordneter): "An verkaufsoffenen Sonnabenden entfallen 70 Prozent des City-Verkehrs auf Stellplatz- Suchfahrten. Leider haben wir in Hamburg ein zielloses Nebeneinander von Straßenbau und öffentlichem Nahverkehr. Die Busse müssen schneller werden und häufiger fahren. Natürllch war es ein Kardinalfehler, 1978 die Straßenbahn abzuschaffen, zumal der Gleisraum meist dem Individualverkehr überlassen wurde. Ich bin für den Rückbau von Stehplätzen."

Forderungen aus dem Auditorium: Wir wollen mehr Radwege, überdachte Fahrradstellplätze an Bahnhöfe, mehr Polizeikontrollen wegen zugeparkter Radwege und Beachtungvon Tempo 30, mehr Park-and-Ride-Plätze, Busspuren und günstigere HW- Fahrpreise. Der HW, so wurde verlangt, sollte endlich von seinem starren Prinzip der Kostendeckung Abschied nehmen. Die Politiker bestehen auf 60 Prozent Kostendeckung. Heute hat der HW eine Kostendeckung von 62,1 Prozent.

Wo hört die Freiheit für das Auto auf? Darum geht es. Die Diskussion ist in Hamburg viel zu spät in Gang gekommen. Andere Städte haben darüber schon vor Jahren nachgedacht und längst gehandelt. Empfehlenswert ist ein Blick in die Schweiz. Dort gibt es keine wiederaufgebauten Städte, sondern nur gewachsene, dicht bebaute Stadtzentren. Längst haben die Schweizer damit begonnen, den Individualverkehr zurückzudrängen: Autofahrer finden in den Innenstädten kaum noch Platz zum kurzzeitigen Parken, zum ganztägigen Parken überhaupt nicht. Berufspendler sind auf die Bahnen mit engem Fahrplantakt angewiesen.

Für Hamburg stehen die Eckdaten des Dilemmas fest: Neue Schnellbahnstrecken werden nicht mehr gebaut, weil sie unbezahlbar sind. Ein Kilometer Tunnel kostet 60 bis 80 MUlionen Mark. Das ist indes kein Grund zur Resignation. Ein kleiner Ausweg sind die Park-and-Ride- Plätze. Heute gibt es insgesamt 11 350 Stellplätze an 76 Schnellbahnstationen. Natürllch viel zuwenig. Der HW wünscht sich bis 1995 12 000 weitere Stellplätze. Ob er das schafft, scheint fraglich. Denn dafür hat Hamburg genauso wenig Geld wie für mehr Busspuren.

EGBERT A. HOFFMANN