Von Klaus Blume

Hamburg - 89. Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften - Meisterschaften wie aus dem Bilderbuch: Spannend, voller Dynamik und richtungsweisend. Die deutschen Leichtathleten zeigten drei Tage im Hamburger Volksparkstadion, daß sie weit besser als ihr Ruf sind - und 45 000 begeisterte Zuschauer konnten sich von Freitag bis Sonntag davon überzeugen.

Aber nicht nur sie, auch die Leichtathletik-Prominenz war begeistert. Christiane Krause-Stallasch aus Ulm, die Olympiasiegerin von 1972 in der deutschen 4x100- Meter-StaffeL empfand: "Das waren die schönsten Deutschen Meisterschaften, die ich in den letzten Jahren erlebt habe."

Heide Ecker-Rosendahl, ihre frühere Staffelkameradin, meinte: "In diesem Stadion herrschte eiirie Stimmung, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe. Denn jeder auf den Rängen hat wohl gemerkt, daß es nun wieder aufwärts geht mit der deutschen Leichtathletik."

Das sah sogar der kritische Harald Schmid so: "In den nächsten drei Jahren wird es wieder eine gute deutsche Leichtathletik-Mannschaft geben. Eine Mannschaft, die sich bei Europacup-Wettkämpfen ausgezeichnet schlagen wird."

Der 32 Jahre alte Harald Schmid, der fünfmalige Europameister (400 Meter Hürden/ 4x400-m-Staffel) war zwar in Hamburg zum zwöftenmal Meister geworden (erstmals 1977 in Hamburg), doch der Vorsprung vor seinem zehn Jahre jüngeren Klubkameraden vom kleinen hessischen TV Gelnhausen war diesmal nur ein Wimpernschlag: eine Hundertstelsekunde.

Zehn Minuten lang hatte sich Itt vom Publikum als neuer Meister feiern lassen, nachdem es so ausgesehen hatte, als habe er Schmid endhch entthronen können.

Doch dann folgte die Ernüchterung. Das Zielfoto wies nicht ihn, sondern Schmid als Sieger aus. Der enttäuschte Itt: "Ich möchte wissen, wieso ich verloren habe? Ich dachte, ich hätte gewonnen." Schmid meinte: "Ich habe beim Überqueren der Ziellinie die Augen geschlossen. Deshalb konnte ich nicht wissen, ob ich gewonnen oder verloren habe."

Es waren Meisterschaften von hohem Niveau und die anwesenden Direktoren der großen internationalen Sportfeste, die nun in der zweiten Augusthälfte stattfinden, rieben sich verdutzt die Augen.

Rudi Thiel, der Chef des am Freitag in Berlin stattfindenden Berliner ISTAF: "Das wird uns mit Sicherheit Zuschauer in die Stadien bringen."

Sicher, denn da sprang der Kornwestheimer Dietmar Haaf 8,22 Meter weit - zwar bei über drei Meter Rückenwind pro Sekunde, doch Haaf ist derzeit in der Lage, solche Weiten und noch ein bißchen mehr auch bei regulären Bedingungen zu erzielen.

Da wuchtete der Leverkusener Heinz Weis den Hammer auf die beträchtliche Weite von 82,16 Meter, was ihm Rang drei in der aktuellen Weltbestenliste einbrachte.

Und da war der 31 Jahre alte Frankfurter Sanitärkauftnann Klaus-Peter Schneider, einer der ganz großen Kämpfer. Sein Speer flog auf die Siegerweite von 84,56 Meter. Weiter als er hat in Europa in diesem Jahr bisher nur der Tschechoslowake Jan Zelezny, der Weltrekordler, geworfen.

Rolf Danneberg, der Olympiasieger von 1984 und Bronzemedaillengewinner von 1988 im Diskuswerfen, hatte am Sonnabend so etwas wie die Initialzündung für diese breite Leistungsschau gezündet. Der Hüne von der LG Pinneberg- Wedel - der am letzten Tag den Rudolf-Harbig-Preis erhielt - hatte den Diskus 67,38 Meter weit geworfen, was ihm den Sieg über Ex- Weltrekordler Wolfgang Schmidt (65,48 Meter) gebracht hatte.

Doch am Ende waren es vor allem die jungen Athleten, wie der 23jährige Kersten Wolters von der LG Hammer Park Hamburg, der Vizemeister im Dreisprung, die sich diesmal in Hamburg durchsetzten. Wie bei den Meisterschaften im Jahre 1977, als eine neue Generation die Wende in der deutschen Leichtathletik einleitete. Eine Wende, die auch diesmal im Volksparkstadion ihren Anfang nahm.