Der Autoboom in Hamburg ist ungebrochen. Noch nie zuvor trugen so viele Wagen das Kennzeichen “HH“ wie jetzt: 722 700 waren es per 1. Januar 1989 - 21 000 mehr als im Jahr zuvor. Und die Tendenz ist steigend, weil im ersten Halbjahr nach Schätzung der Zulassungsstelle weitere 10 000 Wagen dazugekommen sein dürften.

Erich Walter vom Statistischen Landesamt hat auf Grund der Daten des Kraftfahrtbundesamtes ermittelt: ? 90 Prozent sind Pkw und Kombis,

- 52 Prozent gehören zur oberen Mittelklasse mit einem Hubraum zwischen 1400 und 1999 Kubikzentimetern. Ihr Anteil stieg um 4,5 Prozent. Genauso hoch war der Zuwachs in der Kategorie von mehr als zwei Litern.

"Dies ist ein Zeichen für den Trend zum grö- ßeren Wagen", kommentiert Walter und fügt hinzu: "Ein Rückgang ist nur bei den Kiemwagen mit 1000 bis 1199 Kubikzentimetern festzustellen - minus 2,1 Prozent."

Zurückgegangen ist die Zahl der Motorräder um 3,1 Prozent auf 20 500, angestiegen die Zahl der Wohnmobile auf knapp 5800 - plus zehn Prozent.

Wie sehr sich die Motorisierung in Hamburg entwickelt hat, zeigt ein Rückblick auf die vergangenen 29 Jahre bei den Personenwagen und Kombis. 1960 waren nur 175 321 dieser Fahrzeuge zugelassen, zehn Jahre später waren es 433 079, 1980 dann 566 641.

Alfred Max Dörfer, der Sprecher des ADAC Gau Hansa, sieht diese

Entwicklung recht gelassen. "Im Vergleich zu Städten wie Frankfurt oder Stuttgart oder gegenüber anderen europäischen Metropolen ist Hamburg noch gut dran", sagte er.

Umsteigen auf Busse und Bahnen

Er verwies darauf, daß zu den in Hamburg zugelassenen Fahrzeugen weitere kommen: "Rund 900 000 Wagen allein aus dem Umland passieren täglich Hamburgs Stadtgrenzen, und dennoch kommt man gut voran." Bewährt habe sich daneben die gemeinsame Initiative von ADAC und Verkehrsverbund, Autofahrer auf dem Weg in die City mit der "CC- Karte" zum Umsteigen auf Busse und Bahnen zu bewegen.

Das ist dem neuerdings mit dem ADAC konkurrierenden Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland (CVD) zuwenig. Der VCD, der nach eigener Aussage Fußgängerund Radverkehr, aber auch das Angebot von Bussen und Bahnen" als Alternative zum Autofahren propagiert, Autofahrern jedoch - ähnlich den anderen Autoclubs - Schutzbriefe anbietet, drängt auf autofreie Zonen in der City.

Dies will auch Umweltsenator Jörg Kuhbier (SPD). Erst jüngst legte er - von der GAL und der SPD-Linken begrüßt, von der rechten SPD, der FDP und der CDU kritisiert - senatsintern ein solches Konzept vor.

Täglich 70 Tonnen Blei

Es enthielt beeindruckende Zahlen über die Giftlast,! die täglich von den Autos in Hamburg ausgestoßen wird: 14 000 Tonnen Stickoxide, 17 000 Tonnen

Kohlenwasserstoffe, 1000 Tonnen Schwefeldioxid, 70 Tonnen Blei, 180 Tonnen Ruß und 75 000 Tonnen Kohlenmonoxid. Kuhbier plädierte auch dafür, die City in einem Durchmesser von bis zu fünf Kilometern um das Rathaus grundsätzlich nur noch für den Lieferverkehr geöffnet zu lassen.

Prompt wurde das Konzept auf Drängen der Wirtschafts- und der Innenbehörde zunächst auf Eis gelegt. Wirtschafts- und Verkehrssenator Wilhelm Rahlfs und seine FDP sind gegen die autofreie Innenstadt. Rahlfs sagte, schon jetzt würden im Innenstadtbereich für 80 Prozent des Berufs- und 65 Prozent des Einkaufsverkehrs Busse und Bahnen benutzt. Eine Steigerung sei "kaum möglich".

Der Verkehrsexperte der oppositionellen CDU, Dr. Joachim Christian Becker, sprach von einer "vorsintflutlichen Verkehrspolitik". "Der Senat steckt vor den Realitäten den Kopf in den Sand", sagte Becker. Das Auto gehöre "zum Lebensstandard und zur bürgerlichen Freiheit". Die CDU verlange ein umfassendes Konzept für Ringstraßen, für 30 000 statt jetzt 20 000 Parkplätze in der City und mehr Park-and-ride- Plätze. "Hamburg steht unmittelbar vor dem Verkehrsinfarkt", sagte er, "der Senat aber hat noch nicht einmal den seit 1972 versprochenen Generalverkehrsplan vorgelegt." L. R.