Das ist mir aber einer von der zähen Art! Mittelgroß, drahtig, das schmale Gesicht beherrscht von der scharf herausspringenden Nase - könnte aus Bayern stammen, denke ich, doch nichts da. Hans- Georg llker ist in Hamburg aufgewachsen, die familiären Wurzeln reichen ins Mecklenburgische, genauer nach Wendisch-Prieborn, nahe Plau. Leute aus dieser Gegend sind sparsam mit Worten, doch was sie sagen, hat zumeist Gewicht.

"Die Nummer 1 in meinem Leben ist der Beruf', sagt mein Gegenüber und schaut nachdenklich in die rabenschwarze Nacht, die sich hinter den Fenstern des Tennisrestaurants am Öjendorfer Park ausbreitet. ?Ohne den Beruf könnte ich gar nicht leben. Die Nummer 2 aber - ja, die Nummer 2 ist der Verein."

Er spricht das so dahin, als handele es sich um einen x-beliebigen Sparklub. Dabei geht es um den ältesten Turnverein der Welt - über 6500 Mitglieder, eines davon ist Willi Daume, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Und das ist nur einiges, was diese HT '16 auszeichnet, wie die Hamburger Turnerschaft von 1816 kurz genannt wird. Geführt von Dr. Hans-Georg llker.

"Fällt es Ihnen nicht manchmal schwer", will ich wissen, "daß die Präsidenten anderer Klubs oft in den Schlagzeilen sind - der Dr. Klein vom HSV etwa - über Sie dagegen kaum berichtet wird? "

"Wir sind kein Vorzeigeverein", antwortet Hans-Georg llker, "bei uns wird vor allem der gesundheitsbezogene Freizeitsport betrieben."

"Und der Leistungssport?"

"Wissen Sie, ich bin Arzt. Als Mediziner habe ich gegen den Hochleistungssport, wie er heute betrieben wird, starke Bedenken. Ich will gar nicht von den enormen Kosten reden, die er verursacht. Von der Breite zur Spitze, so wie es früher mal hieß, diese Automatik gilt ja längst nicht mehr."

Und noch etwas anderes ist nach Dr. Ilkers Meinung verlorengegangen: das, was man sportliches Ethos nennt. "Denken Sie nur als typisches Beispiel an die .Schwalbe' (vorgetäuschtes Foul. Die Red.) bei den Fußballern", meint er, "die ist doch fast selbstverständlich geworden. Es gibt Trainer, die so etwas einstudieren, um einen Strafstoß herauszuschinden. Sogar Kinder lernen das schon. Und wir wundern uns über Zuschauerkrawalle. Dabei sind Ausschreitungen überhaupt nicht erstaunlich, wenn die Spieler die ethischen Regeln des Sports verletzen."

Dr. llker meint, die Vereine müßten gerade auf diesem Gebiet mehr leisten. Die Jugendtrainer müssen Vorbild sein und für sportliche Fairneß eintreten. "Wir bei der HT '16 tun das. In unseren Mannschaften ist die , Schwalbe' verpönt."

Ein Idealist, dieser Mann? Vielleicht aber dann einer, der für seine Ideale eintritt. Da sei nur mal daran erinnert, daß Dr. llker vor 15 Jahren in seinem Verein die erste Trainingsgruppe für infarktgeschädigte Menschen gründete. Vom "Hamburger Modell" war damals die Rede, so mancher Arzt zeigte sich skeptisch, fürchtete Überforderungen. Heute gibt es in der Bundesrepublik über 1400 solcher Infarktsportgruppen, und daß Sport nach einem Herzinfarkt zur Therapie gehört, ist längst außer jedem Zweifel. "Natürlich mit ärztlicher Betreuung, natürlich muß der Hausarzt vorher die Belastbarkeit des Patienten testen."

"Wichtiger aber noch als die Therapie nach Herz- und Kreislauferkrankungen ist die Vorsorge", sagt Dr. llker. Und er verweist auf die Amerikaner. "Die haben es mit ihren Kampagnen gegen das Rauchen, gegen Bluthochdruck und Übergewicht fertiggebracht, die Infarktkrankheiten einigermaßen in den Griff zu kriegen. Massenepidemien sind immer auch ein Zeichen politischen Versagens."

Das ist kaum verhüllte Kritik an den politisch Verantwortlichen. "Ja", sagt Dr. llker, "in Hamburg gibt es kein Sportkonzept der Parteien. Man starrt nur auf Hochleistungen, nicht auf den Breitensport. Wir großen Vereine, die den Sport 1945 aus den Trümmern wieder aufgebaut haben, wir bekommen kaum Entlastung. Während man in Frankfurt den Vereinen, die gleich nach dem Krieg Sporthallen errichteten, die Altschulden erließ, denkt im Hamburger Rathaus niemand an so etwas."

Verbittert? Nein, nein, nein! Dieser Mann steckt noch voller Pläne. Da hat er jüngst maßgeblich mit dafür gesorgt, daß diese schönen Tennishallen mit Restaurant und allem Drum und Dran im Öjendorfer Park gebaut wurden - "zwei Hauptversammlungen brauchten wir, um unsere Mitglieder zu überzeugen" - und nun schwebt ihm ein vereinseigenes Altersheim vor. "Der Verein als eine Art Heimat, als Begleiter von der Wiege bis zur Bahre. "

Dr. llker lächelt bei diesen Worten. Doch wie schon gesagt: Hamburger, noch dazu solche aus Mecklenburg, sind in jedem Fall ernstzunehmen . . .

Nächsten Sonnabend: Tischgespräch mit

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