ag Hamburg - Die deutschen Reiter sind besser als ihr Ruf. Immer mehr junge Springreiter müssen feststellen, daß sie kaum zur breiten Spitze von mehr als zwanzig international erfolgreichen Reitern kommen. Einige ziehen die Konsequenz und starten für eine andere Nation. Prominentester "Ausländer" ist Hugo Simon. Der Pfälzer mit Wohnort Weisenheim startet schon seit 1972 unter rotweiß-roter Österreich-Flagge. Der Weltcup-Gewinner 1979 und zweifache Derbysieger hatte sich damals geärgert, daß er nicht für die Olympia-Equipe berücksichtigt wurde und reitet seitdem nur noch mit Gastlizenz in seinem Heimatland.

"Jeder von uns hat mal mit dem Gedanken gespielt, die Nation zu wechseln", sagt Dirk Schröder aus Lentföhrden bei Hamburg. "Doch in letzter Konsequenz kommt es für mich nicht in Frage." Der 27jährige Landwirt hat in Schleswig-Holstein einen Hof mit etwa 50 Pferden im Stall. ?Ich reite viele Pferde für Kunden, vor allen Dingen auf kleineren Turnieren. Bei diesen Wettbewerben könnte ich aber nur in begrenztem Umfang mit Gastlizenz starten.

Mit Jörg Münzner hat gerade ein talentierter Springreiter den Schritt über die Grenze getan. "Die deutsche Spitze ist so breit, da hat man keine Möglichkeiten, für internationale Turniere nominiert zu werden. Erfahrungen kann man aber nur auf den großen Turnieren sammeln", begründet der 25jährige seinen Entschluß. "Vielleicht bin ich in zehn Jahren einen großen Schritt weiter als meine Alterskollegen." Beweggrund für den Münsteraner Betriebswirtschaftstudenten, der an der Wirtschaftsakademie in Hamburg bis zum Herbst 1985 eine Ausbildung absolviert hat, ist die Tatsache, daß er über hervorragendes Pferdematerial verfügt. Mit einer achtjährigen holländischen Stute, einem neunjährigen Belgier und einem 13jährigen Hannoveraner Wallach ist der junge Mann besser beritten als mancher Crack. Als Sponsor hat er den eigenen Vater. Befürchtungen, daß ihm die Pferde bei Erfolg unterm Sattel verkauft werden,

braucht er nicht zu haben.

Warum aber der Entschluß, für Österreich zu starten? Zum einen stamme seine Mutter aus der ehemaligen Donaumonarchie, zum anderen gäbe es mitterweile dort genügend erfolgreiche Reiter, um einen Nationenpreis zu beschicken. "Was nützt es mir, wenn ich in Luxemburg der Größte bin, der Verband aber keine Nationenequipe zusammenbekommt?", fragt Münzner. Für Österreich sprach auch die enge Beziehung zum Stall von Alwin Schockemöhle in Mühlen, wo Münzner seit neun Jahren reitet Dort ist Thomas Frühmann, gebürtiger Österreicher, tätig. Der hat Münzer unter seine Fittiche genommen. Frühmann und Simon können dem jungen Kollegen zu Einladungen für große Turniere verhelfen.

"Wenn man einen Namen hat, rufen die Veranstalter bei einem an. Und wenn Simon oder Frühmann dann sagen, wir kommen gern, aber wir haben noch einen jungen Mann dabei, dann hilft das", hofft Münzner.

Als Ausländer kann er zweimal im Jahr für 30 Tage, was etwa fünf Turnieren entspricht, in Deutschland auf Gastlizenz starten. Da er in gutem Verhältnis zu den Funktionären der Deutschen Reiterlichen Vereinigung stehe.sehe er auch keine Probleme bei der Lizenzerteilung. Weitere Startmöglichkeiten bieten sich durch Einladungen der Veranstalter, die .sich zwei Nationen aussuchen können. Österreich ist fast immer dabei.

Mit Maria Haugg startet auch eine Amazone unter fremder Flagge. AUerdings tritt die 24jährige bereits seit vier Jahren als Luxemburgerin an: "Natürlich hat auch die Überlegung, daß man nicht gegen so starke Konkurrenz antreten muß, eine Rolle gespielt." Ausschlaggebend war jedoch, daß der Vater, der in Aachen eine Firma hat, gebürtiger Luxemburger ist. In Aachen ist die Industriekauffrau, die bei Hermann Schridde reiten gelernt hat, auch zur Schule gegangen. Ihren Wohnsitz hat die Famille in Belgien.