Unvermindert stark ist das Echo auf die Verkehrsserie des Hamburger Abendblattes. Viele Leser beschäftigen sich vor allem mit dem HVV. Hier eine weitere Auswahl ans den Zuschriften.

Munteres Geplapper

Also, die Serie war sehr schön und leider zehn Jahre zu spät. Ich habe dem damaligen Bausenator im Jahre 1962 freundliche Briefe geschrieben (damals war gerade die erste Milliarde Mark im Straßenbau verbraten worden), um ihn darauf aufmerksam zu machen, daß in Hamburg keine Stra- ßen, sondern nur Stauräume für Ampelanlagen gebaut werden. Daran hat sich in 17 Jahren nicht viel geändert.

Es wird sich auch jetzt nicht viel ändern, wenn man im Abendblatt vom 11. Juli das muntere Geplapper des Bausenators liest. Leider läßt sich eine Blamage in der von Herrn Hoffmann dargestellten Größenordnung mit ein paar konfusen und abgenutzten Redensarten nicht beseitigen. Wenn wir wirklich einen "bürgernahen" Senat hätten (wie immerzu angepriesen), dann würde dieser sich jetzt mal auf den Hosenboden setzen und einen Generalverkehrsplan vorlegen, der durchdacht, geplant und möglich ist. Ich meine, gewurschtelt wurde nun wirklich genug: Die Ergebnisse genie- ßen wir, die steuerzahlenden Autofahrer, tagtäglich.

Dreißig Jahre nach Kriegsende ist nicht eine einzige Ausfallstraße fertig und richtig ausgebaut; die vorhandenen Autobahnen haben keine ausgebauten Zubringer; der Flughafen hat weder eine Schnellbahn noch eine Schnellstraße; an den Hamburger Fernbahnhöfen kann man nur unter Lebensgefahr aus dem Auto steigen, von Parken ist gar nicht zu reden!

Und wenn dann mal ein Jahrhundertbauwerk fertig wird, dann wird es so dilletantisch betrieben wie der Elbtunnel: Nach vier Betriebsjahren quält sich der Verkehr immer noch mit 20?30 Stundenkilometern durch die Röhren, endlose Stauungen sind an der Tagesordnung. In amerikanischen Auto-Tunnels hängen Schilder mit der Aufschrift MAINTAIN SPEED (Geschwindigkeit halten).

Die Hamburger Verkehrsplanung hat seit vielen Jahren das Schild verdient: MAINTAIN SLEEP! (Schlaf weiter!)

Claus Harcken

Moorweidenstraße 7, 2 Hamburg 13 führt.

Kopf im Sand

Mit großem Interesse habe ich Ihre Verkehrsserie verfolgt, die Folge über den HW hat mir am meisten zugesagt. Nach Möglichkeit fahre ich immer mit dem HW, aber im Laufe der letzten Jahre ist mir diese Entscheidung immer schwerer gefallen. Durch eine langjährige Alles-oder-Nichts-Politik, die nur die Wahl zwischen sündteuren Schnellbahnen oder Bussen kennt, ist beim HW ein Zustand eingetreten, den man folgendermaßen beschreiben kann:

1. ein unattraktives gebrochenes System (Umsteige-System),

2. lange Umsteigewege (Hauptbahnhof, Berliner Tor),

3. überhöhte Fahrpreise (bedingt durch ein zu aufwendiges Betriebssystem),

4. schlechte Information (keine Haltestellenansagen über Lautsprecher in den Bussen, fehlende Streckenübersicht durch Rollbandbeschilderung).

Daß es auch anders geht, habe ich im Laufe der Jahre am Beispiel anderer Städte gesehen. Beispielsweise zahlt man in Wien für eine Fahrt durch die ganze Stadt nur 98 Pfennig, für eine Kurzstrecke sogar nur 48! Die Fahrgä.-. ste in Bussen und Bahnen werden über Tonband und einen Linienübersichtsplan über jede Haltestelle informiert. Einen Quadratmeter Stehfläche in Straßenbahn und U-Bahn teilen sich vier Personen, in Hamburgs Bussen sind es acht!

Auch die steigenden Treibstoffpreise wirken sich für den HW überwiegend negativ aus, die Dieseltreibstoffpreise für die Busse sind gegenüber 1978 um 24 Prozent gestiegen, einige Busbetriebe in Deutschland haben sogar schon wegen Lieferschwierigkeiten auf ihre Betriebsreserven zurückgreifen müssen! Die deutsche Industrie hat dieses Problem bereits erkannt, die große Anzahl von Elektrobussen auf der IVA 79 hat dies jedermann bereits deutlich vor Augen ge- Der HW jedoch scheint den Kopf in den Sand zu stecken (vielleicht sucht er dort nach öl), anstatt sich ernsthaft Alternativen zu überlegen. Heute kann man nur noch den Kopf darüber schütteln, daß 197? in einer Senatsdrucksache behauptet wurde, zwischen Strom und Erdöl bestehe bezüglich der Krisenunabhängigkeit praktisch kein Unterschied.

Gerold List,

Billtal 27, 2055 Wohltorf Stadtautos entwickeln

Was der HW tun kann? Bessere Informationen Aber Haupt- und .Zubringerstrecken rar Vermeidung elementarer Fahrfehler. Echte Sehnellbusse mit einem Minimum an Haltestellen. In den Abendstunden nicht Verkehrsverdichtung, sondern durch Funk gesicherte Anschlüsse. Langfristig: Entwicklung von Stadtautos für Fahrer und Aktentasche, dann seitweise Sperrung der Innenstadt für heute übliche Überland-Personenwagen, wenn diese mit weniger als drei Personen besetzt sind.

Eckert W. Grüning

Borgfelde 20, 2 Schenefeld

Verfehlte Planung

Es ist höchst wertvoll, daß durch die Behandlung der Verkehrsprobleme Hamburgs die Öffentlichkeit immer wieder aufgerüttelt wird, sich mit den Schwierigkeiten unserer Stadtentwicklung auseinanderzusetzen. Die Vorstellungen der maßgebenden Kreise, Parteien, Organisationen und Baufachleute sind so verwirrend und befangen in hergebrachten Dogmen des Städtebaus, daß keine optimalen Lösungen gefunden ? geschweige verwirklicht werden können.

Als 1937 das Volkswagenwerk gegründet und die Wagen für 1000 Reichsmark bei bequemen Monatssparraten volksweit angeboten wurden, hätten alle Bürger und ganz besonders unsere Städteplaner darüber nachdenken müssen, wie eine Stadt zu gestalten ist, wenn jede Familie ein Auto oder gar mehrere besitzt und motorisierte Laster die Pferdefuhren und Schottsche Karren ablösen! Selbst Professor Schuhmacher ließ in seinen brillanten Vorträgen über Städtebau die sich bereits ankündigende Motorisierung ohne gebührende Beachtung, obwohl schon in den 20er Jahren die in den USA drohende Auto-Lawine zu neuen Überlegungen im Städtebau herausforderte. Folge: eine total verfehlte Planung der Ost- West-Straße in den 50er Jahren! Sie ist eine Barriere im Verkehr zwischen dem Stadtzentrum und dem stadtnahen Hafengebiet. Aus der Analysierung dieses Fehlers könnten neue befruchtende Richtlinien gewonnen werden, nämlich: ? Hauptverkehrsstraßen müssen kreuzungsfrei angelegt sein, ohne kostbaren Bebauungsraum zu vergeuden;

- sie müssen mit den Gebäuden verbunden sein, um den unmittelbaren Verkehr untereinander und das Parken zu ermöglichen;

- Wirtschaft und Wohnung müssen möglichst nahe beisammen sein.

Heute stehen wir vor einem disharmonischen Stadtbild mit vielen Mängeln. In Berlin wurde kürzlich ein Teilstück der dortigen Stadtautobahn mit einem großen Wohnblock-Komplex kombiniert. Wann entschließt sich der Hamburger Bau-Senator, den Gedanken einer mit Gebäuden kombinierten Stadtautobahn ernsthaft zu durchdenken und den festgefahrenen Ausbau des Hamburger Netzes optimal für alle Bevölkerungskreise zu gestalten?

Otto Lamprecht

Linckestraße 9, Hamburg 73 Von ruhig keine Bede

Mit großem Interesse las ich Ihren Artikel "Wunderdroge oder ein Schlag ins Wasser . . . ?" und muß als kritischer Mitmensch hierzu etwas sagen.

Es beginnt mit den Fragebogen-Kolonnen. Auf die Frage: Sie fühlen sich doch auch durch die Autokolonnen belästigt? ? wird jeder "ja" sagen. Diese Umfragen haben also keinerlei Bedeutung.

Die Frage, die Sie am Schluß aufwerfen, wohin denn nun mit dem Verkehr, ist die einzig richtige. Es kann nicht sein, daß Verkehr nur behindert wird, dann käme es zu mehr Unfällen auf anderen Straßen, und infolge Staus

wären die Energieverschwendung und Umweltbelästigung (leerlaufende Motoren verwandeln nun einmal Benzin in Giftgas ohne einen Nutzen) in keinem Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg der Verkehrsberuhigung zu sehen. Die Alternative muß also lauten: Wenn ich auf anderen Straßen die Autos wünsche, dann brauche ich nur entsprechend günstige, flüssig (energiesparend und umweltschützend ? denn im Teillastbereich laufende Motoren verbrauchen wenig Benzin, und die Abgase sind weitaus weniger giftig) zu befahrende Straßen zu bieten ? schon wäre ohne zusätzliche Kosten der gewünschte Straßenzug vom Durchgangsverkehr befreit

Warum fahren wir überhaupt durch reine Wohnstraßen und nicht für den Durchgangsverkehr bereitete Stra- ßen? Weil alle direkten Verkehrswege restlos überlastet und verstopft sind und mancher Autofahrer, ich auch, Schleichwege kennt und benutzt. Oder aber ich habe eine Besorgung in dem Gebiet zu machen und finde sonst keinen Parkplatz.

Zu dem Straßenzug Alsterdorfer Straße, die angeblich beruhigt sein soll, kann ich, der ich manchmal dort fahren muß, nur sagen: Ich würde in einer Straße, in der ich zum Überqueren einer, ampelsicheren Kreuzung fünf bis sechs Phasen benötige, nicht mehr von einer ruhigen Straße sprechen. Hier wurde Steuergeld (zum Umbau) für eine Lärm- (häufiges Anfahren) und Abgas- (ständiges Anhalten) und Streßbelästigung (der Autofahrer und Anwohner) vergeudet.

Bernd Müller

Leverkusenstieg 19, Hamburg 50 Abbestellt

Wegen Ihres einseitigen Eintretens für Stadtautobahnen in Hamburg möchte ich den Bezug des Hamburger Abendblattes zum 1. August 1979 hiermit kündigen. Wilhelm Schrader

Schafredder 4, 2101 Harmstorf Unmenschlich

Sie berichten von dem Vorhaben der HHA, den U-Bahn-Betrieb vorerst versuchsweise zu automatisieren: Fahrplanüberwachung, Zugabfertigung, Zugfahrt sollen von einem Computer übernommen werden. Die betreffenden Stationen sollen unbesetzt sein, Fernsehkameras überwachen die Fahrgäste. Ich sehe keine technischen Probleme, die einer Verwirklichung dieses Projektes entgegenstünden. Fraglich sei lediglich, so las ich, ob die Fahrgäste diese fortschrittliche Technik annähmen. Welche wichtige Frage! Soll sich nicht die Technik an dem Menschlichen orientieren? Fahrgäste und Fahrer sind betroffen!

Nicht nur ältere und gebrechliche Fahrgäste werden sich auf "unbesetzten", also u. U. menschenleeren Bahnhöfen unsicher fühlen (persönliche Probleme, Unfälle, Gewaltverbrechen). Die Vorstellung, von einem Kilometer entfernten "Haltestellenüberwacher" über die Fernsehkamera beobachtet zu werden, wird einem diese Unsicherheit kaum nehmen.

Schlimm auch für den Fahrer, bei voll ausgebautem System braucht er während seiner Arbeitszeit nichts mehr zu tun, eine "Betriebsordnung" fordert nur seine Anwesenheit. Was kann inhumaner sein ? ein Arbeitstag ohne Sinn, ohne Erfolgserlebnis, ohne irgendeine Befriedigung?

Die häufig menschenleeren Bahnhöfe provozieren den Vandalismus. Wird dann eines Tages der eingesparte Haltestejlenwärter durch einen Wachmann zum Schutz der Elektronik ersetzt?

Ich hoffe sehr, daß während des Probebetriebs vor allem diese genannten Aspekte sorgfältig beobachtet werden und die Entscheidung nicht nur rational, sondern auch menschlich ist.

Günter Weigt Hamburg 65

Schnellstraßen sinnvoll

Nachdem an vielen Stellen das Achsenkonzept für Bau- und Verkehrsplanungen im Ballungsraum Hamburg durchlöchert worden ist, sollte man nüchtern die Frage stellen, ob das Achsenkonzept nicht besser durch ein "Wabenkonzept" zu ersetzen sei, wie es im Prinzip durch die großflächigen Grüngebiete in Hamburg bereits vorgezeichnet ist, zum Beispiel Volkspark, Niendorfer Gehege, Stadtpark, Ohlsdorfer Friedhof, öjendorfer Park. Selbstverständlich braucht ein Ballungsraum von zweieinhalb Millionen Einwohnern ein Netz von Schnellstra- ßen, nicht einen Achsenstern und auch nicht einfach "Umgehungsstraßen" wie zum Beispiel die östliche und westliche Autobahnumgehung. Stra- ßensterne und Umgehungsstraßen sind Klein- und Mittelstädten angemessen, aber nicht Ballungsräumen. Leider hat Hamburg in den vergangenen Jahren bei Planung und Ausführung von Schnellstraßen vielfach keine glückliche Hand bewiesen, zum Beispiel beim Ring 3 im Bereich Hummelsbütteler Feldmark: keine Lärmschutzmaßnahmen in der durchschnittenen Kleingartenanlage; statt Fußgängerbrücken viel zu viele Fußgängerampeln; Anschluß von neuen Wohngrundstücken unmittelbar an die Schnellstraße bei der Siedlung Tegelsbarg.

Wenn eine Hauptstraße den Zuwachs an Verkehr nicht mehr verkraften kann, sollte man nicht immer gleich auf die Planung von Umgehungsstra- ßen ausweichen. Falls die Hauptstraße nur einzeilig auf beiden Seiten bebaut ist, wäre es einfacher, die Wohngrundstücke gegen die ausgebaute Schnellstraße abzuschotten und von der Rückseite durch neue Wohnstraßen zu erschließen. Auch in dichter bebauten Gebieten lassen sich bei gutem Willen vielfach ähnliche Lösungen finden. Notfalls müßten Wohngrundstücke aber aufgegeben werden, bei entsprechender Entschädigung der Eigentümer natürlich. Grundsätzlich sollten aber an Schnellstraßen keine Baugenehmigungen mehr erteilt werden.

Schnellstraßen müssen einen flüssigen Verkehr ermöglichen. Sie dienen ? sinnvoll geplant ? damit dem Umweltschutz, weil sie Kraftstoffe sparen, die Abgasmenge verringern und die Wohnstraßen entlasten. Sie gehören aber nicht als billige Umgehungsstraßen deshalb gleich in die letzten verbleibenden Grünflächen des Ballungsraumes. Ehrhart Lotter

Poppenbütteler Chaussee 51b

Hamburg 65