Diskussionen über Themen, die alle Bürger Hamburgs in irgendeiner Form berühren, sind zu begrü- ßen, wenn sie emotionsfrei geführt werden und einv, andfrei belegbare Tatsachen nicht ignorieren oder \ erfälschen. Unter dem Titel “Fahrpreise senken, Parkgebühren kräftig erhöhen“ schrieb in der Mittwoch-Ausgabe des Hamburger Abendblattes Dr. med. Dieter Oeter, Dozent und wissenschaftlicher Abteilungsleiter an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, was nach seiner Meinung auf Hamburgs Straßen, speziell in der City, alles besser und zweckmäßiger geregelt werden müßte. Dieser Beitrag stellt vieles in Frage, was Senat, Einzelhandel, ADAC, Handelskammer und HVV gemeinsam praktizieren oder anstreben. Abendblatt-Redakteur Egbert A. Hoffmann antwortet auf Dr. Oeters Thesen aus seiner Sicht

Kopenhagen, so meint Dr. Oetcr, sei für Hamburg ein leuchtendes Vorbild: gepfefferte Parkgebühren und relativ erträgliche Verkehrstarife, ideale Fußgangerzonen und "keine Tyrannei des Autos" mehr. Man komme auch ohne Auto schnell ans Ziel. Und es mache Spaß, zu Fuß zu gehen.

Kopenhagen und Hamburg lassen sich mit ihren inneren Stadtgebieten überhaupt nicht miteinander vergleichen. Kopenhagen hat keine ausgedehnte Geschäfts- City wie Hamburg. Kopenhagens Zentrum ist eine Wohnstadt geblieben ? es wurde ja nichts im zweiten Weltkrieg zerstört. In Hamburgs Innenstadt wohnten 1939 noch 65 200 Bürger, heute hingegen nur wenig mehr als zehntausend. Statt dessen hat die City heute mehr als 180 000 Arbeitsplätze. Im Gegensatz zu Hamburg sind Kopenhagens innerstädtische Straßen meist extrem breit. Und Parkplätze wurden schon vor Jahren für viele tausend Wagen angelegt.

Ebenso gegensätzlich ist der Nahverkehr in beiden Städten. Kopenhagen bekam seine erste elektrische S-Bahn 1934. Hamburg hat S-Bahnen schon seit 1908 und U-Bähnen seit 1912. Kopenhagen, das heute 58 S-Bahn- Stationen und weder U-Bahn, Schnellbusse noch Straßenbahnen besitzt, kann also unmöglich Vorbild für Hamburgs Schnellbahnnetz gewesen sein. Kopenhagen hat auch keinen Verkehrsverbund wie den HVV. Im Zentrum kann man nicht mit demselben Fahrschein zwischen Bus und S-Bahn umsteigen. Übrigens stimmt es auch nicht, daß Hamburgs Straßenbahnen stillgelegt wurden, weil sie die Straßen verstopften. Ihr "Tod" war Konsequenz einer ? : gewiß anfechtbaren ? politischen Konzeption. Linie 2 störte kaum.

Dr. Oeter vergleicht also Äpfel mit Birnen. Hamburgs City, in ihrer merkantilen Einseitigkeit ohne Parallele ih europäischen

Millionenstädten, leidet, wie Erster Baudirektor Dr. Ebert richtig sagt, unter ihrer Größe. Drastisch erhöhte . Parkuhren-Gebühren, etwa eine Mark-je Stunde, waren ein ungeeignetes Regulativ über den Geldbeutel. Folge: Die City würde noch viel mehr als heute von Autofahrern gemieden, denn die privaten Parkhäuser würden natürlich sofort mit ihren Preisen nachziehen. Damit wäre der kommerzielle Tod der City programmiert. Denn wer käme wohl noch mit dem Auto zum Einkaufen? Ohne den Wirtschaftsverkehr ? das ist der Kaufmann und der

Kunde mit eigenem Wagen ? ist die City nun mal nicht lebensfähig.

Für Hamburgs Innenstadt ? die gigantische Anhäufung von Büros, Kaufhäusern, Läden und Spezialgeschäften ? kann es nur ein harmonisches Nebeneinander von öffentlichen und individuellen Verkehrsmitteln geben. Dr. Oeters Forderung, die HVV- Fahrpreise zu senken, würde kaum einen Autofahrer zum Umsteigen auf Bahnen und Busse animieren ? selbst dann nicht. wenn er in Parkhäusern fünf Mark je Stunde zahlen müßte.

Dr. -Oeter läßt auch offen, wer im Falle einer Fahrpreissenkung für das zusätzliche Millionenloch im HW-Etat aufkommen soll. Es kann doch* letztlich nur der Steuerzahler sein ? also wir alle. Die gegenwärtige Kostendeckung beim HVV von 62 Prozent wäre dann natürlich nicht zu halten. Übrigens hat das vielgelobte Kopenhagen bei seinen S-Bahnen und Bussen nur eine Kostendekkung von 51,6 Prozent. Die Hälfte jedes Fahrscheins zahlt demnach der dänische Staat.

Sicherlich macht es sich Dr. Oeter ein wenig zu einfach, wenn er pauschal die Autofahrer als "motorisierte Stadtverstopfer" einstuft, die den öffentlichen Verkehr "in den Untergrund" zwingen. Tatsächlich gelten heute in aller Welt unterirdische Schnellbahnstrecken trotz extrem hoher Baukosten als ideal und problemlos ? zum Beispiel in Paris und London.

Hamburgs 620000 Autofahrer darf man nicht zu Buhmännern abstempeln, die eigentlich an der "Dauerkatastrophe" schuld sind. Die teuren Zufahrtstraßen zur City dienen nämlich nicht nur dem Individualverkehr, sondern auch HVV-Bussen und Taxis. Separate Busspuren wie Richtung Lokstedt machen in der Rushhour die Busse sogar schneller als Privatwagen.

Fazit: Leider gibt es für Hamburgs City kein verkehrstechnisches Wunderrezept. Die Thesen von Dr. Oeter zielen an der Realität vorbei. Wer die Autofahrer nämlich beim Kurzparken zusätzlich schröpfen will, um HW- Tarife zu senken, verordnet der City den schleichenden Tod. Alle Beteiligten, die am Weiterleben und Aufblühen der City interessiert sind, können sich nur zu Kompromissen zusammenraufen. Genau das versucht man zur Zeit. Dabei hätte man gern ein Vorbild. Aber es gibt keins ? auch nicht in Kopenhagen.