Seit vier Jahrzehnten steht Walter Klam auf Hamburger Bühnenbrettern. Über das Altonaer Theater und das Deutsche Schauspielhaus führte sein Weg ins Thalia. Der einstige Bonvivant und Herzensbrecher wandelte sich zum immer noch gefragten Charakterdarsteller. Sein Polizeidirektor im "Hauptmann von Köpenick" ist ein Kabinettstück komödiantischer Spiellaune.

Es gibt so viele Erinnerungen. ?Wir spielten .Wallenstein' im Altonaer Theater in der Königstraße, damals Dependance des Deutschen Schauspielhau-

Hamburger Künstler erinnern sich

ses", erzählt Walter Klam. ?Hans Mahnke, heute in Stuttgart, war der Feldherr, ich der Graf Terzky. Am Nachmittag vor einer Vorstellung hatte eine ausgesprochen hochprozentige Geburtstagsfeier mit Kollegen stattgefunden. Der Abend konnte schlimm werden. Mahnke saß total weltenfern vor dem Spiegel in seiner Garderobe und sprach kein Wort. Abwechselnd flößten wir ihm Kaffee und Seltcrswasser ein. Plötzlich riß er sich zusammen und stammelte nichts weiter als: .Ich spiele.' Bis zum dritten Akt ging alles glatt über die Runden. Niemand im Publikum merkte, daß sich Mahnke zwei .Stützpunkte' ausgesucht hatte: einen Tisch und eine

Säule. Nun kam die Hiobsbotschaft vom Abtall der Regimenter und sein großer Monolog. Ahnungsvoll standen mein Kollege, der den lilo spielte, und ich in der Kulisse. Aber da geschah es auch schon. Der mehr vom Alkohol als vom Verrat der Regimenter angeschlagene Wallenstein ließ den Marschallstab fallen, dann stürzte er der Länge lang hin, bevor wir ihn noch hatten aufhalten können. Als wir ihm wieder auf die Beine halfen, klangen Schillers Worte aus des Feldherrn Mund wenig überzeugend: ,Mut, Freunde, Mut, wir sind noch nicht am Boden.' In der Pause meinte eine Zuschauerin etwas pikiert: , Dieser Regieeinfall schien mir nicht der beste gewesen zu sein.' Andere aber fanden den dramatischen Sturz als einen großartigen schauspielerischen Einfall."

"Das liebe Publikum, da weiß man nie, woran man ist." Walter Klam muß noch heute darüber lachen, wenn er an die Premiere von O'Caseys "Ein Held, der keiner war" zurückdenkt. Das war im Thalia Theater, Peter Zadeks erste Hamburger Inszenierung. Da gab es folgendes Pausen-Getuschel zweier getreuer Abonnentinnen: .Haben Sie die .Nashörner' gesehen? Das war ja man schon schlimm, dieses Stück. Aber dies hier ? i gitt, i gitt!'"

Unvergessen für Walter Klam sind die Jahre bei Intendant Willy Maertens im Thalia. ?Er konnte einen so prächtig aufziehen und hatte seine diebische Freude daran, gelegentlich seine Schauspieler während einer Szene aus der Fassung zu bringen. Es war in den frühen fünfziger Jahren. In der Inszenie-

rung von Carolls ,Der widerspenstige Heilige' stand Maertens als dieser etwas schrullige Priester auf der Bühne, der die Sprache der Tiere zu verstehen glaubte. Er liebte die Tiere, die Tiere liebten ihn, vor allem ein Löwe mit Haustiergewohnheiten. Als Erzbischof hatte ich diesen .Heiligen' und seinen Zoo zu visitieren, was den Löwen höchst mißtrauisch machte. Er hatte mich grimmig anzufauchen, um seinen Herrn zu schützen. Zwei Statisten in der Löwenhaut machten das prächtig. Doch Maertens genügte das nicht. Jeden Abend ließ er sich in dieser Szene etwas Neues einfallen, um mich aus dem Konzept zu bringen. Mal spielte er mit dem Schwanz des Löwen und fummelte mir mit ihm vor der Nase herum. Ein anderes Mal zerrte er die Bestie über die ganze Bühne. Und tatsächlich erreichte er, was er wollte. Ich mußte jedesmal so lachen, daß ich nie meinen letzten Satz habe zu Ende sprechen können. Das ahnungslose Publikum aber amüsierte sich über dieses Löwenspiel mit dem Erzbischof."