Von Wolf-Peter Schaefer München, 3. Januar Einst galt er als der schärfste Ankläger der bayerischen Justiz und Münchens Saubermann Nr. 1. Er wollte die Isarmetropole vom moralischen Schmutz befreien, fegte mit eisernem Besen durch Massagesalons, Lasterkneipen und Pornokinos und ließ sich als “Schrecken der Rocker, Zuhälter und Dirnen“ feiern. In Kürze muß der ehemalige Staatsanwalt Horst Hörauf (33) selbst auf der Anklagebank des Landgerichts Platz nehmen. Er wird einer Serie von Delikten beschuldigt: Versicherungsbetrug in 16 Fällen, Urkundenfälschung, Anstiftung zur Falschaussage und Steuerhinterziehung.

Der für die Justiz recht unangenehme Strafprozeß wird von der Bevölkerung mit Spannung und von der Münchener Halb- und Unterwelt mit Schadenfreude erwartet. Als junger Staatsanwalt war Hörauf in den Jahren 1972/73 ein gefürchteter, bewunderter und auch beneideter Mann. Wie kein anderer kämpfte er als leitendes Mitglied eines Sonderdezernats energisch für ein "sauberes München".

Er brachte 1400 Verfahren gegen Rokker und 350 gegen Zuhälter in Gang, 70 "Salons" wurden auf sein Geheiß geschlossen, zahlreiche Filme beschlagnahmt und Razzien in Sexshops durchgeführt. Als fanatischer Moralprediger gebärdete er sich, wenn er vor Gericht die Anklage zu vertreten hatte. Bis zu sieben Jahre Freiheitsstrafe forderte er für Angeklagte, die dann mit einigen Monaten auf Bewährung davonkamen.

Beneidet wurde Hörauf vor allem wegen seines Lebensstils. Der Junggeselle (Monatsgehalt 1500 Mark netto) konnte sich einen Porsche Targa für 30 000 Mark leisten, er hatte eine Luxuswohnung in Schwabing, trug teure Maßanzüge und speiste gern mit schönen Frauen in Schlemmerlokalen.

Die Hörauf-Karriere erreichte am 2. Januar 1974 ihren Höhepunkt. Gerade war dem Staatsanwalt, weil es für seine angebliche Bedrohung durch die Unterwelt keine Anhaltspunkte mehr gab, der ständige Polizeischutz entzogen worden, als der Gangsterschreck in seiner Schwabinger Tiefgarage von unbekannten Tätern überfallen wurde. Bayerns Justizminister Philipp Held persönlich besuchte den Verletzten im Krankenhaus und überbrachte ? dem Titel eines alten Erfolgsfilms entsprechend ? Rosen für den Staatsanwalt.

Bis heute nicht geklärt

Der Kripo kam bei ihren Ermittlungen jedoch der Verdacht, daß der Überfall nur vorgetäuscht war. Diese Frage ist bis heute nicht geklärt. In der Wohnung des Staatsanwalts entdeckten die Beamten aber dicke Aktenordner mit einem umfangreichen Schriftwechsel mit Versicherungsgesellschaften. Da waren zum -Beispiel ein Paar Skier zweimal als gestohlen gemeldet worden, obwohl sie noch vorhanden waren. Der gelbe Porsche des Staatsanwalts war dreimal innerhalb von zwei Wochen durch Fremdverschulden demoliert und immer wieder frisch zitronengelb lakkiert worden, wobei Kosten zwischen 2000 und 11 000 Mark entstanden sein

sollten. Da gab es einen geheimnisvollen Einbruch in die Wohnung, bei dem die Diebe angeblich eine Beute im Wert von 40 000 Mark gemacht hatten, obwohl ein Großteil des Inventars immer noch an Ort und Stelle war.

Einzelne Rechnungen waren gleichzeitig mehreren Versicherungsgesellschaften vorgelegt worden. Eine von ihnen bezweifelte zwar die Rechtmäßigkeit der Forderung, verzichtete jedoch auf Nachforschungen und zahlte "mit Rücksicht auf Ihre Popularität in den Kreisen der Münchner Justiz".

Teilgeständnis

Einmal wurde Höraufs Porsche tat-' sächlich gestohlen, doch fand sich der Wagen bald wieder, und die jugendlichen Diebe kamen hinter Gitter. Der Staatsanwalt machte bei seiner Versicherung den Verlust einer Stereo-Anlage im Wert von 1290 Mark geltend und bekam das Geld. Dennoch soll er die Eltern der Übeltäter amtlich vorgeladen und ihnen 6700 Mark "Schadenersatz" abgenommen haben.

Dagegen fällt es kaum noch ins Gewicht, daß der Staatsanwalt nebenberuflich auch noch Chef einer "Hörauf- GmbH" war, die sich mit dem Export von Lastkraftwagen und Elektroartikeln in den Nahen Osten befaßte und 12 000 Mark Steuern hinterzogen haben soll.

Horst Hörauf kam in Untersuchungshaft, doch nur für kurze Zeit. Als erfahrener Jurist legte er ein Teilgeständnis ab und wurde ? da Verdunkelungsgefahr offensichtlich nicht bestand ? auf freien Fuß gesetzt. Danach widerrief er alles, so daß nun die Münchner Strafkammer auf Indizien und Dokumente angewiesen ist.

Zur Zeit arbeitet der ehemalige Gesetzeshüter als Angestellter seiner Verlobten Gertrud G. (34), die in Schwäbisch-Hall ein Fuhrunternehmen betreibt. Sie wird dem Bräutigam auf der Anklagebank Gesellschaft leisten müssen, weil sie der teilweisen Mitwisserschaft und einer Falschaussage bezichtigt wird.

Am Ausgang des Prozesses sind nicht nur brave Münchner Bürger genauso interessiert wie die Halbwelt-Kommandeure und ihre leichte Kavallerie. Auch mehrere große Versicherungsgesellschaften spekulieren auf die 250 000 Mark, die der junge Staatsanwalt während seiner relativ kurzen Münchner Amtstätigkeit auf seinem Bankkonto anhäufen konnte.