Ein ?echsspuriger Straßentunnel zwischen den Stadtteilen beiderseits der Außenalster, die sogenannte Kerntangente, wäre ideal für den innerstädtischen Nahverkehr. Aber an den Anschlußstellen würden sich die Autokolonnen kilometerweit stauen. Deshalb ist die Kerntangente nicht realistisch. Für den künftigen Generalverkehrsplan, der der Bürgerschaft im Frühjahr 1975 vorgelegt werden soll, ließ die Baubehörde jetzt vom Computer Alternativ-Lösungen errechnen. Das Ergebnis ist überraschend.

Jahrelang war die Kerntangente, ein Straßentunnel zwischen Sechslingspforte und Pöseldorf, von den Verkehrsplanern als "wünschenswert" und "dringend erforderlich" eingestuft worden. Man versprach sich von dieser leistungsfähigen Straßenverbindung eine Entlastung der Ost- West-Straße sowie der Lombards- und Kennedybrücke ? ferner auch eine engere Verflechtung der -Stadtteile östlich und westlich der Außenalster. Der Computer jedoch, der ? wie Oberbaudirektor Prof. Müller-Ibold formuliert ? "methodische Ansätze für optimale Entscheidungen liefern soll", bewies jetzt: Die Kerntangente könnte nur ihren Zeck erfüllen, wenn das Stadtbild durch gigantische Verkehrsbauten verschandelt würde.

In der Praxis sähe das so aus: Für die Zufahrten müßte die gesamte Moorweide geopfert und ein ganzes

Stadtviertel an der Rentzelstraßenbrücke niedergerissen werden, östlich der Alster wäre die Gegend um den Anckelmannplatz dreistöckig als Zuf ahrtsknoten auszubauen. Fazit der Baubehörde: Natürlich ist das nicht möglich ? eine Entstellung des Stadtbildes kommt nicht in Frage.

Für die Planer, die den Compuer mit Daten füttern, ergab sich die Konsequenz, die Kerntangente weiter nach Norden zu verschieben ? als vierspurige Tunnelverbindung etwa zwischen Rabenstraße und Uhlenhorst. Da diese Trasse in die Hallerstraße mündet, bot sich der Arbeitstitel für diese Variante von selbst an: Hallerstraßentunnel. Würde er besser funktionieren als die Kerntangente?

Hallerstraßen-Tunnek nicht realisierbar

Der Computer gab die Antwort: Zur Zeit des Wirtschaftsverkehrs zwischen 9 und 15 Uhr wären ebenfalls an den Anschlußstellen beiderseits ,des Tunnels ausgedehnte Stokkungen zu erwarten, wenn nicht ganze Häuserblocks den Zufahrten geopfert werden sollen. Der Hallerstraßentunnel würde zwar die Ost- West-Straße spürbar entlasten, nicht jedoch Heidenkampsweg und - Amsinckstraße, also die Zufahrten zur Veddeler Autobahnauffahrt. Die Stadtteile St. Georg und Hohenfelde würden sogar noch mehr als heute im Verkehr ersticken, östlich der Alster wäre mit zusätzlichen Verkehrsbehinderungen bis weit nach Barmbek zu rechnen, speziell in der Jarrestadt und am Biedermannplatz.

Fazit der Baubehörde: Auch diese Verbindung läßt sich nicht realisieren, weil sie enorme Verkehrsströme anlocken und dadurch viele Straßenzüge mehr als heute belasten würde.

Prof. Müller-Ibold: "Zwangsläufig gingen wir nun mit unseren Untersuchungen aus dem Stadtzentrum heraus." Dabei wurde ein alter Plan aktuell: die Überbauung von Kollau und Tarpenbek mit einer vier- bis sechsspurigen Stadtautobahn als Verbindung zwischen westlicher Autobahnumjehung und den Stadtteilen Wtatethude, Eppendorf und Alsterdorf. Der Computer spuckte eine aufschlußreiche Bewertung aus: Eine solche Verbindung würde mit Sicherheit Lokstedt, Stellingen, Eimsbüttel, Gr. Borstel, Winterhude, Eppendorf, Rotherbaum und Uhlenhorst entlasten ? nicht jedoch die gesamte Innenstadt, Altona, St. Georg, Hohenfelde, Hammerbrook. Auch für die Ost- West-Straße wäre keine spürbare Erleichterung zu erwarten.

Demnach hätte die Tarpenbek- Verbindung nur für einen Teilbereich Hamburgs entlastende Bedeu- , tung. Allerdings würden andere Stra- ßenbauten, die heute in Lokstedt und ? Niendorf nötig sind, entbehrlich. Für die innere Stadt errechnete der Computer deshalb eine weitere Variante: einen dritten Elbtunnel zwischen Baumwall und dem Freihafen am Reiherstieg ? Arbeitstitel Baumwalltunnel.

Mönckebergstraße bekäme "Luft"

Auch dieser Elbtunnel. der wie der Neumühlen-Tunnel nach dem Segmentverfahren zu bauen wäre, ist ein uralter "Hut". Schon vor mehr als zwanzig Jahren, als noch niemand von der westlichen Autobahnumgehung träumte, wurde dieser Tunnel von den damaligen Planern als "unbedingt nötig" bezeichnet.

Der Computer bewertet nun heute den Baumwalltunnel überraschend positiv: Ost- West-Straße, Heidenkampsweg sowie St. Georg, Hammerbrook, Hohenfelde, Altona und Ottensen würden wesentlich weniger vom Straßenverkehr belastet sein als gegenwärtig. Auch Steinstraße und Mönckebergstraße bekämen "Luft" ? wichtige Voraussetzung, falls die Mönckebergstraße einmal Fußgängerzone werden soll.

Diese Computer-Untersuchungen dürften ? so läßt sich heute schon resümieren ? entscheidende Bedeutung für künftige Verkehrsplanungen haben. Aber darüber hat die Bürgerschaft im kommenden Frühjahr zu entscheiden.