Sie ist nicht mehr die "Tolle Komteß" der 20er Jahre und auch das zierliche, von Kavalieren umworbene "Maskottchen" nicht mehr. Eine tolle Frau ist sie geblieben. Abend für Abend steht sie auf den Brettern des St. Pauli- Theaters, trällert ihre Lieder und wirft mit Vehemenz die Beine. Junge Soubrette einst, jetzt eine "fröhliche Alte", aber mit den Jungen jung geblieben: Maria Kloth.

Eier Schalk blitzt in ihren Augen auf die Frage nach dem Alter. Wohl wissend, daß es kein Mittelchen mehr gibt gegen ihre Falten, gesteht sie freimütig, daß es eine 78j ährige ist, die da allabendlich im Volksstück "Mensch, Kuddel, wach auf!" mit Freddy Quinn ein heißes Tänzchen wagt.

"Manchmal ist es wirklich komisch", schmunzelt Maria Kloth, "wenn ich so ab und an in Altersheimen meine Schunkellieder singe, dann sind die meisten Zuhörer jünger als ich."-

Im ehemaligen Försterhaus im Hamburger Stadtpark hat Maria Kloth, seit mehr als 80 Jahren singende und tanzende Werbefigur für ihre Heimatstadt, 1895 das Licht dieser Welt erblickt. Im Pferdestall sozusagen, meint sie selbst, sei die kleine Maria groß geworden. Und ihre ausgeprägte Liebe zu allem was kreucht und fleucht, datiert aus dieser Zeit im Försterhaus.

Im Alter von 17 Jahren ? vielleicht war es auch etwas eher tider später, sie weiß es nicht 'mehr ganz genau ? zog Maria Kloth zum erstenmal Ballettschuhe an, und einige Jahre darauf stand sie im Karl-Schulze-Theater als Elevin auf den Brettern. "Unter der blühenden Linde" hieß das Stück. "Ich", erinnert sich Maria Kloth, "spielte ein rheinisches Mädchen und war furchtbar steif."

Generationen von Hamburgern wissen, daß sich das bald gegeben hat. Kein Saal in dieser Stadt, kein Lokal und fast keine Bühne, wo Maria Kloth nicht aufgetreten ist. Sie war das "Maskottchen" von Kollo und Linckes "Tolle Komteß". "Nur in der Staatsoper", so die ewig junge Maria, "da konnten sie mich nicht gebrauchen."

Dafür hat sie in der Post an der Schlüterstraße die Rundfunkgesellschaft Norag mit aus der Taufe gehoben, und beim ersten Hafenkonzert stand sie selbstverständlich auch auf der Kommandobrükke.

"Heute blau und morgen blau", "Mensch, kannst du mir was pumpen" und "Wo de Nordseewellen" ? mit diesen Schlagern hat sie, eine Schiffermütze keck auf den Locken und vor der Brust das Akkordeon, Massen in Bewegung gebracht. Auf den Hamburg-Süd-Schiffen "Monte Rosa" und "Monte Samiento" war Maria Kloth Liebling der Passagiere; schon 1930 hat sie über Seefunk die ersten Kreuzfahrtberichte für den Funk gesprochen. '

Der großen bunten Abende mit Rosita Serrano im Conventgarten (heute steht hier das Axel-Springer-Verlagshaus) erinnert sie sich in allen Einzelheiten, und schließlich auch der dunklen Zeiten, da sie nach dem Krieg unter eigener "Gastspieldirektion" mit Grete Weiser, Gustav Knuth und Fita Benkhoff für Mehl und Schmalz Theater spielte.

"Ich mußte immer auf der Bühne stehen, ich muß es auch weiterhin, sonst geht es nicht mehr." Sie sagt es nach einer Vorstellung mit Freddy im St. Pauli-Theater. Und wenn die Rede auf ihn kommt, den Partner, gerät Maria Kloth ins Schwärmen. Vielen ? Roberto Blanco, Hildegund Careba, Ilie Münster ? hat sie den Weg geebnet. Freddy aber ist "ihr" Star. Seit acht Jahren kennt Sie ihn. In "Feuerwerk", in "Heimweh nach St. Pauli" stand sie mit ihm auf der Bühne und jetzt in "Mensch, Kuddel, wach auf!" Rührend kümmert sie sich um ihn in den Pausen, rührender noch bemüht sich Freddy Quinn um sie.

Auf die Frage nach ihrem Hobby kommt eine erstaunliche Antwort. Die 78jährige Maria Kloth, groß geworden mit Schunkelschlagern, mag Pop-Musik und heißen Beat. "Denn ich liebe die Jugend. Ich glaube ganz einfach, daß es zu keiner Zeit, und da mögen die Leute reden, soviel sie wollen, eine großartigere, eine aufrichtigere Jugend gegeben hat als heute."

Zum Schluß ein kleiner Wunsch; vielleicht ist er erfüllbar. Maria Kloth, in 'einer Vier-Zimmer-Wohnung im fünften Stock an der Isestraße zu Hause, wünscht sich eine Zwei-Zimmer-Wohnung: "Mit weniger Treppen."