Im Spannungsfeld zwischen Protest und Zustimmung hat das erste Sonntagsfahrverbot in Hamburg nicht nur echte Notlagen deutlich werden lassen, sondern auch schon seltsame Blüten getrieben. “Sie glauben gar nicht, was die Leute alles wissen wollten“, war der übereinstimmende Seufzer in den Bezirks- und Ortsämtern. Das Gros der Anrufer stellten nichtorganisierte Gewerbetreibende und Schwerbeschädigte. Immer wieder vorgebrachte Kritik: Warum gibt es Ausnahmegenehmigungen für die Gewerbetreibenden nur bei der Handelskammer? Bei den Bezirks- und Ortsämtern, so die einhellige Meinung, hätte die Prozedur schneller und sachgerechter erledigt werden können.

| Gehbehinderung entscheidend

Am meisten besorgt zeigten sich die Schwerbeschädigten. Bei allen Auskunftsstellen gehörten sie immer wieder zu den Anrufern. Hauptfrage: ..Dürfen wir mit dem Schwerbeschädigtenausweis ohne weiteres fahren"" Antwort: ?Nur Gehbehinderte im eigenen Auto."

Hier können Sie anrufen

Vier Telefonnummern sind für alle von dem Fahrverbot Betroffenen wichtig, um sich in Zweifelsfällen schnell Rat und Auskunft holen zu können: ? Die Innenbehörde gibt Sonnabend von 9 bis 15 Uhr, Sonntag von bis 13 Uhr unter Telefon 24 24 10 Auskunft zu allgemeinen Fragen des Fahrverbots. ? Die Behörde für Wirtschaft und Verkehr richtet am Alten Steinweg 4. Zimmer 315 (Tel. 34 9124 22) zu den gleichen Zeiten einen Notdienst ein, der Ausnahme-Genehmigungen an freiberuflich Tätige erteilt, für die keine Kammer oder Berufsorganisation zuständig ist. ? Der Hamburger Verkehrsverbund unterhält Sonnabend und Sonntag, jeweils von 8 bis 23 Uhr, eine zentrale Informationsstelle: Tel. 32 26 91.

- Der ADAC ? Tel. 2 89 99 ? wird "rund um die Uhr" versuchen, den wenigen Privatleuten mit Fahrerlaubnis im Bedarfsfall mitzuteilen, welche Tankstelle geöffnet hat. '<

Krankenbesuche "kein Grund"

Wieder eine andere Sorge: "Meine Mutter liegt im Krankenhaus, mein Vater lebt im Altersheim. Ich habe beide immer sonntags besucht. Dazu brauche ich mein Auto. Darf ich?" Antwort: "Nein."

Plötzlich ein Unfall im Haus

Ein ähnliches Problem: "Plötzlich wird jemand bei uns krank oder hat einen Unfall. Dürfen wir den Betreffenden zum Krankenhaus fahren?" Antwort: "Es ist bei Unfällen besser, einen Rettungswagen zu rufen. Dann wird der Verletzte sachkundig versorgt und transportiert. Bei einem übergesetzlichen Notstand kann man sich über das Fahrverbot hinwegsetzen." ? Aber auch das gab es: "Unsere Oma liegt im Krankenhaus. Dürfen wir sie mit dem Auto besuchen?" Antwort: "Nein!"

B Es geht um Leben oder Tod

Immer wieder wird die Redaktion auch im Zusammenhang mit aktuen Krankheitsfällen gefragt. Zum Beispiel: ..Meine Mutter liegt in Kiel im Krankenhaus. Sie ist todkrank. Wenn nun Sonntag ein Telegramm kommen sollte, daß sie im Sterben liegt ? darf ich dann fahren"" Antwort: ?Das Telegramm ist ausreichend. Sie dürfen." ? Oder: "Meine Frau ist hoch schwanger. Wenn plötzlich die Wehen einsetzen ? darf ich sie ins Krankenhaus fahren?" Antwort: "Sie dürfen."?

Bei der Handelskammer beschwerte sich ein Arbeitnehmer über seinen Arbeitgeber: ..Ich fahre sonntags immer mit dem Auto zur Arbeit. Ich wohne in Elmshorn. Jetzt hat der Chef gesagt: ,Sie können ruhig mit der Bahn kommen.' Ich kriege also keine Ausnahmegenehmigung. Darf der Chef das"" Antwort: ?Er darf."?

Chef ist nicht verpflichtet . Beamte haben viel Spielraum

Bei der Polizei und den Auskunftsstellen der Bezirks- und Ortsämter wird immer wieder gefragt: ?Was passiert mit dem

Auto, wenn ich ohne Genehmigung erwischt werde"" Antwort: ?Das ist in die Entscheidung des Polizeibeamten gestellt. Besondere Richtlinien gibt es nicht. Die Skala der möglichen Folgen reicht von der. Sicherstellung des Wagens bis zur Anordnung, auf dem schnellsten Wege nach Hause zu fahren."?

Auch Bundeswehrsoldaten waren sich nicht klar: "Dürfen wir mit unserem Urlaubsschein im Auto nach Hause fahren?" Antwort: "Der Urlaubsschein ist keine Ausnahmegenehmigung."?

Hamburgs Taxifahrer befürchten, daß sie am Sonntag nicht immer genügend Treibstoff bekommen. Georg von Alm, Vorsitzender .des Verbandes für das Personen-Verkehrsgewerbe in der Hansestadt: "Wir wissen bisher nur von drei Tankstellen, die ausschließlich unsere Wagen beliefern wollen. Aber auch die Vorräte dieser Zapfstellen sind begrenzt."?

Urlaubsschein kein Freibrief Ungewißheit für Taxifahrer Da muß er wohl eher aufstehen

Beim Polizeiverkehrsamt meldete sich allen Ernstes ein Arbeitnehmer, der jeden Tag 60 Kilometer zu seiner Arbeitsstelle nach Hamburg fahren muß: ?Also, so geht das nicht. Ich brauche eine Befreiung von dem Gebot, auf der Autobahn höchstens 100 km/st fahren zu dürfen. Das geht zu weit. Da muß

ich ja jeden Tag zehn Minuten früher aufstehen." Antwort: "Dann müssen Sie eben."

B Laternenanzünder kann zünden

Eine Kuriosität am Rande: Wußten Sie, daß es in Hamburg noch Laternenanzünder gibt? Das Sonntagsfahrverbot brachte es an den Tag. Die Handelskammer stellte dem Mann, der alltags wie sonntags die Laternen im Hafen anzündet, einen Fahrerlaubnisschein aus.?

Zu einem ungewöhnlichen Schritt hat sich die Hamburger Baubehörde entschlossen. Sie gab vorerst für den kommenden Sonntag auf allen staatlichen Friedhöfen "grünes Licht" für Fahrräder. Sie sind sonst auf Friedhöfen generell tabu.

| Keine Sorge um hilflose Tiere

Zu den Hamburgern mit einer Genehmigung gehört der Besitzer einer Zoo-Handlung. Er war in arger Not, denn Hamster, Wellensittiche, Meerschweinchen wollen auch am Sonntag gefüttert werden. Hier reagierte die Behörde freigiebig und ohne tierischen Ernst. Überhaupt ? die Kleintierzüchter! Sie bemühten sich in großer Zahl um Ausnahmegenehmigungen. Denn der Sonntag ist traditionell reserviert für allerlei Kleintierschauen. Hühner, Kaninchen, Tauben brauchen jedoch nicht die Nacht in den Ausstellungsräumen zu verbringen. Den Züchtern konnte geholfen werden.?

Radfahren auf Friedhöfen? ja! Zittern wegen der Trauung

Ein privates Drama am Rande: Ein Hamburger Brautpaar bangt bis zur Stunde um den Termin der Trauung. Aber Eheschließungen fallen nicht unter den Notstand, so sehr dies im Einzelfall auch angezeigt sein könnte. ? Eine Alternative für alle Opfer des Fahrverbots bietet das Forstamt an. Seine Devise: Warum in die Ferne schweifen, Hamburgs Wälder sind so nah! Rund 5000 Hektar stehen Spaziergängern zur Verfügung.