Wer es zuvor gewohnt war, seinen Wissens- und Lesedurst an den Buchbeständen der Bücherhalle am Mönckebergbrunnen zu stillen, sieht sich jetzt einige hundert Schritte welter In das ehemalige HEW-Gebäude am Gertrudenkirchhof verwiesen. Was ihm gleich in der Eingangshalle ein Blick auf die Hinweistafel zeigt, sieht er beim Betreten der geräumigen, freundlichen, fast einen Hauch von Luxus ausstrahlenden Büchersäle bestätigt: Dies ist nicht einfach die neue Wohnstätte der guten alten Bücherhalle am Mönckebergbrunnen. Hier ist eine viel umfassendere Einrichtung ins Leben gerufen worden. Es ist die neue Zentralbibliothek aller Hamburger Bücherhallen.

In dieser Zentrale sind neben dem Verwaltungsapparat und dem Zentralkatalog drei Büchereieinrichtungen zusammengefaßt worden:

- Der Buchbestand aus der Bücherhalle am Mönckebergbrunnen,

- die vorher im Hamburg- Haus Eimsbüttel untergebrachte Informationsbücherei,

- Die mit 75 000 Einheiten ausgestattete Hamburger Musikbücherei aus der Rosenstraße und eine Ergänzungsbücherei mit 25 000 Bänden.

Neu hinzugekommen ist eine Kinderbücherei, die nicht nur der Ausleihe dienen soll, sondern die gleichzeitig die Funktion einer Modellbücherei haben wird und zum Beispiel Lehrern Anregung bieten kann.

1,3 Millionen Bände ohne Zentrum

Eine solche Zentralbibliothek zu schaffen, war seit langem notwendig geworden. Bisher standen für die 1,3 Millionen Bände der Hamburger öffentlichen Bücherhallen (zum Vergleich: Bestand der Staatsbibliothek etwa 1,2 Millionen Bände) ausschließlich Stadtteilbüchereien zur Verfügung. Hauptverwaltung, Zentralkatalog und Lektorate waren über das ganze Stadtgebiet verstreut.

In diesem Frühjahr endlich gelang es, die neue Zentralbibliothek als Mieterin der Landesbank, die sich bereit erklärte, den Umbau des alten HEW-Gebäudes zu finanzieren, unter Dach und Fach zu bringen. In einigen Wochen wird der Umbau beendet, werden die drei hier untergebrachten Buchbestände so weit zusammengewachsen sein, daß der zur Zeit noch provisorisch laufende Betrieb voll aufgenommen werden kann.

Vielleicht ? und das ist immerhin zu hoffen ? ist damit der Anfang eines für Hamburg neuartigen Kulturzentrums gemacht. Die Funktionen dieses Hauses gehen nämlich weit hinaus über die einer zentralen Ausleihbibliothek:

- Zum ersten findet der Leser hier einen spezialisierteren, vollkommeneren Bücherbestand vor als in den anderen Hallen.

- Zweitens erhält das Haus durch seine Präsenzbibliothek, durch Nachschlagewerke und Zeitschriften den Charakter eines Informationszentrums. Zeitschriften ? sind bisher mit etwa 200 Titeln vertreten. Angestrebt werden 300 bis 500 Titel. Ebenso angestrebt wird ein fester Bestanden Tages- und Wochenzeitungen, der die wesentlichen Länder durch eine oder zwei Zeitungen repräsentiert.

- Drittens werden hier in einem 80 bis 100 Zuschauer oder -hörer fassenden Saal literarische und musikalische Veranstaltungen sowie Ausstellungen stattfinden. Auf eine Studiobühne, über die in Ländern wie England, USA oder Skandinavien fast alle größeren Bibliotheken verfügen, wird man allerdings vorerst verzichten müssen; die Kosten wären zu hoch.

Der Eiat reicht für die Hälfte

Die Kosten für eine Studiobühne jedoch sind es nicht, die den Leiter der Hamburgr Bücherhallen, Dr. Friedrich Andrae, am meisten beunruhigen. Viel schlimmer ist seiner Meinung nach die Tatsache, daß die Buchneuanschaffungen keineswegs mehr mit dem aktuellen Angebot an Titeln Schritt halten können. Der Etat für Buchankäufe wurde in diesem Jahr um 200 000 Mark gekürzt. Von den etwa 30 000 auf dem Buchmarkt erschienenen Titeln im vergangenen Jahr konnten nur rund 5000 erworben werden. Friedrich Andrae: "8000?10 000 müßten jährlich angeschafft werden. Mit. anderen Worten: Pro Einwohner sollte etwa ein Band zur Verfügung stehen. Dazu fehlen aber etwa eine halbe Million Bände."

Aus Sparsamkeit ohne "Angelique"

Dabei hält man sich schon aus Sparsamkeitsgründen ziemlich streng an eine Qualitätsgrenze, die möglichst nie unterschritten wird. Ein Buch wie "Angelique" fiel lange Zeit unter diese Grenze. Daß es sich mittlerweile dennoch in den Regalen findet, dürfte allerdings kaum die finanziellen Schwierigkeiten vermehrt haben, in denen ein für Hamburg so wichtiges Unternehmen leider trotz des neuerworbenen Flaues immer noch Steckt. KATHARINA ZIMMER