Von unserem Mitarbeiter Wolfgang Pabst Krefeld, 1. November Einem James Bond oder Kompagnon stünde wohl an, was, wie man vermutet, dem Krefclder Ingenieur Manfred Ramminger gelang. Per Schubkarre, Personenauto und Flugzeug transportierte “Mr. X“, wie Generalbundesanwalt Martin den großen Unbekannten in der sensationell-grotesken Spionageaffäre nannte, mit seinen beiden Gehilfen ebenso sper rige wie hochwertige westdeutsche Waffengeräte nach Moskau.

Daß sieh hinter jenem "Mr. X" aller Wahrscheinlichkeit nach der Ingenieur und Architekt Manfred Ramminger aus Krefeld verbirgt, erfuhr man aus dem Munde des Ingolstädter Rechtsanwalts Erwin Gaßner. der den Raketendieb, den 33jährigen Starfighter-Piloten Wolf-Diethard Knoppe vertritt. Der Volksausgabe eines James Bond gleicht das Bild des knapp 38jährigen Junggesellen Ramminger.

Er fuhr bislang einen Mercedes 300. zum Schluß einen stahlblauen Maserati- Rennwagen mit italienischem Kennzeichen. Er besaß ein Dutzend Pokale, die er als Rallyefahrer gewonnen hatte; die Zahl seiner Freundinnen war kaum geringer. Ihnen imponierten seine Autos und seine Großzügigkeit ebenso wie sein sportliches Auftreten.

Der mutmaßliche Spion, von dem es gestern in nachrichtendienstlichen Stellen in Köln und Bonn in Gesprächen mit dem Hamburger Abendblatt geheimnisvoll hieß, er sei in mehrere bislang unaufgeklärte Spionage-Großaktionen verwickelt gewesen, galt in Krefeld als wenig bedeutender Playboy, der zwar sehr viel Geld zum Leben verwendete, doch entsprechend wenig Mittel für seine Ingenieurtötigkeit zur Verfügung hatte.

Zumindest dreimal leistete der "Unternehmer" den Offenbarungseid. sagen.

Dürftige Erfolge

Als Ingenieur und Architekt erreicht er nicht viel: Ein von Ramminger erbautes Kinogebäude in Krefeld bedurfte eines nachträglichen Umbaus; als James Bond über die Leinwand jagte und schoß, begannen Putzslücke und Leisten von den Wänden herabzufallen. In Bayern baute Ramminger ein Gebäude für eine Geflügelfutter-Firma und ein Haus für den Reitklub, in dem Wolf- Diethard Knoppe die große Rolle spielte. Mehr Werke des Ingenieurs konnten seine Bekannten und ehemaligen Mitarbeiter gestern nicht nennen.

Zum Schluß bestand das Ingenieurbüro Rammingers lediglich aus dem Inhaber und einer ebenso attraktiven wie gepflegten Sekretärin. Sie bekundete gegenüber dem Hamburger Abendblatt gestern bedeutungsvoll: ..Der Chef ist verreist, wohin, kann ich Ihnen nicht

Als interessant gilt in Krefeld gegenwärtig die 38jährige Ehefrau des Direktors eines Hotels, dem viele den Namen "bestes Haus am Platze" zubilligen. Diese Dame soll von Ramminger neben Liebe, Pariser Kleidern und italienischen Möbeln auch wichtige und vertrauliche Informationen erhalten haben.

Es gilt sowohl bei Bekannten Rammingers in Krefeld als auch bei nachrichtendienstlichen Stellen in Köln und Bonn als sicher, daß Geld das entscheidende Motiv für die vermutete nachrichtendienstliche Tätigkeit des Ingenieurs war.

Ramminger wurde am 15. Dezember 1930 in Groß-Scharellen bei Schloßberg (Ostpreußen) geboren. Im Dezember 1945 fand die Familie in Krefeld nach der Flucht einen neuen Wohnsitz. Der Vater ist Maurerpolier und wünschte. seine Sohn solle zwar in der gleichen Branche bleiben, doch "es besser haben". Nach dem Gymnasiumbesuch studierte Ramminger Ingenieurwissenschaft. Unbekannt ist, mit welchem Erfolg. Bekannt ist allerdings, daß Ramminger um die Mitte der 50er Jahre in ein kleines Krefelder Bauunternehmen einstieg, bald jedoch den Mitgesellschafter veranlaßte, aus der Firma auszusteigen. Es dauerte wiederum nicht lange, bis das Bauunternehmen zum Ingenieurbüro reduziert wurde.

Es gilt als unwahrscheinlich, daß der Krefelder seine nachrichtendienstlichen Aufträge Beziehungen zur alten Heimat zu verdanken hat. Vielmehr nehmen gut unterrichtete Kreise an. daß Ramminger. der regelmäßig weite Reisen ? auch nach Moskau ? als Tourist unternahm, mit einer Liebesaffäre und unzweideutigen Fotos "eingefangen' wurde. Auch diese Annahme ist allerdings nicht mehr als eine Vermutung. Wer die Wahrheit über Ramminger kennt? Sicher nur ein Häftling in einer Einzelzelle des Gefängnisses Euskirchen (Bezirk Köln): Manfred Ramminger, auch jetzt noch von Damen zärtlich ?Rammi" genannt.

Belohnung für Diebstahl

Sicher scheint nur soviel, daß der Ingenieur Chef des für Moskau tätigen Agententerzetts war. Es wurde rekonstruiert, daß der Starfighter-Pilot Rolf- Diethard Knoppe in jüngster Zeit von Ramminger mindestens 5000 Mark erhalten hat. Dieses Geld, so wird in nachrichtendienstlichen Kreisen vermutet, war die Belohnung für die Teilnahme am Diebstahl der "Sidewinder"-Rakete. Der dritte Teilnehmer an der abenteuerlichen Diebstahlsaffäre, der in Krakau geborene Schlosser Josef Linowski, lebte auf dem Grundstück des Ingenieurbüros Ramminger und scheint regelmäßig für nachrichtendienstliche Aufträge des Ingenieur-Agenten eingesetzt worden zu sein.