Wer in Hamburg besondere Kleiderwünsche hat, kann sie sich leicht erfüllen. Denn mehr als 1300 selbständige Betriebe fertigen Maß-Kleidung an. Doch diese Betriebe arbeiten nur für ein Zehntel der Hamburger: über 90 Prozent unserer Mitbürger fragen Konfektion.

Hamburgs Damen sind modische Trapez-Künstlerinnen. Sie möchten unbedingt schick angezogen sein, aber ganz sicher auch "gediegen"! Sie wollen gefallen, aber um keinen Preis auffallen.

Das macht sich bereits bei der Farbwahl bemerkbar. Die Hamburgerinnen bevorzugen Marineblau, mittlere Grautöne in Shetland und Flanell, klassisches Kamelhaar-Beige, Schwarz, Braun, Grün und bläuliche Rottöne. Von grellen Farben halten sie nicht viel.

Ihre Mode-Grundsätze werden noch deutlicher bei der Wahl der Kleidung. Zu den Evergreens gehört immer noch das klassische Kostüm. Statistische Erhebungen haben ergeben: beinahe jede Hamburgerin hat zwei Kostüme im Schrank hangen.

Der Trend zur sportlichen Eleganz ist weiterhin erkennbar, wenn man als wahr hinnimmt:

- 55 Prozent der Hanseatinnen besitzen zwischen drei und fünf einzelnen Röcken,

- 23 Prozent sechs oder mehr; jede Hamburgerin nennt sechs Blusen Ihr eigen, die sie mit diesen Röcken kombiniert;

- 25 Prozent haben Stoffjacken, und 14 ProiijQt "olche Kle^diingsstllcke aus Leder;

- 72 Prozent unserer.. Damen wählen zwischen mehr als vier Pullovern, 61 Prozent zwischen zwei bis drei Strickjacken (24 Prozent haben sogar vier oder mehr);

- 5 Prozent aller Kleiderschränke enthalten außerdem noch zwei bis drei

Twinsets, neun Prozent wenigstens eine dieser Kombinationen aus Pullover und Jacke.

Es charakterisiert die Hamburgerin weiter, wenn man hört, daß für 43 Prozent die gute Stoffqualität der wichtigste Kauffaktor ist, daß für 18 Prozent praktische Überlegungen an erster Stelle stehen, für 16 Prozent die Preiswürdigkeit des Angebots, für 14 Prozent die gute Verarbeitung, und daß für, nur neun Prozent der modische Schnitt den Ausschlag gibt.

So ist es, bei all diesen sorgfältigen und vernünftigen Erwägungen, wohl auch nicht verwunderlich, daß Dreiviertel der Hamburgerinnen zum Einkauf ihrer Kleidung in die Innenstadt fahren ? dorthin also, wo sie die besten Vergleichsmöglichkeiten vermuten. Und so kann es "uch nicht überraschen, daß Hamburgerinnen sich schwer entschlie- ßen, etwas bei Versandgeschäften zu kaufen, wo man die Ware nicht vorher anfassen kann: lediglich jede 50. Hamburgerin nimmt den Versandhandel in Anspruch.

Die Vernunft ist es wohl auch, die den Persianer zum Hamburger Favoriten unter den Pelzmänteln werden ließ. Strapazierfähigkeit und zeitlose Eleganz zeichnen ihn aus. Pelze schlechthin sind weiterhin in unserer Stadt auf einem ungestümen Vormarsch.

27 Prozent aller Hamburgerinnen haben einen Pelzmantel, sieben Prozent eine Pelzjacke ? sagt die Statistik! Der Pelzhandel kann aus seinen Umsatzsteigerungen leicht ablesen, daß diese Zahlen bald überholt sein werden. "Ich stehe vor einem Rätsel", gesteht ein Pelzhändler am Steindamm, "in diesem Jahr werde ich beinahe doppelt soviel verkaufen wie 1964."

Dabei sind es nicht mehr die billigeren Lämmer, nach denen die Frauen greifen, sondern die mittleren Qualitäten um 2000 DM sind gefragt. Der Pelz ist kein exklusives Kleidungsstück mehr, er hat sich längst seinen gleichberechtigten Platz neben den Wintermänteln (37 Prozent der Hamburgerinnen haben einen, 48 Prozent zwei) erstritten.

Sicherlich hat zum steigenden Umsatz der Pelzbranche beigetragen, daß sie bisher nicht allzu heftig von Preiserhöhungen heimgesucht wurde. Das wird sich vielleicht im nächsten Jahr schon ändern: auf der Pelzmesse, auf der die Felle für die nächste Saison verkauft wurden, mußte mehr bezahlt werden. Fachleute schätzen, daß sich Pelze im kommenden Jahr um 25 bis 30 Prozent verteuern werden . . .

Aber mit Mantel und Oberbekleidung ist die Hamburgerin keineswegs fertig "angezogen" :

in dieser Stadt tragen 77 Prozent der Frauen Hüte und lieben 51 Prozent Mützen;

bewegen sich 88 Prozent vornehmlich auf Straßenschuhen mit flachen Absätzen (jede Hamburgerin hat im Durchschnitt achteinhalb Paar Schuhe aller Art ? das halbe Paar selbstverständlich nur in der Statistik);

haben 37 Prozent Strumpfhosen und 86 Prozent gefütterte oder ungefütterte Winterstiefel oder -Stiefeletten;

und besitzen 93 Prozent aller Frauen einen Schirm ? was die feste Überzeugung vieler Nicht-Hamburger erhärten wird, daß es in unserer Stadt dauernd regnet.

Was bei den Damen "hamburgisch" ist, ist es ebenso bei den Männern. Denn auch hier sind es weit weniger als zehn Prozent, die ihre Kleidung von einem Maßschneider anfertigen lassen, auch hier sind dezente Farben wie dunkles Blau, ebensolches Grau oder ein Glencheck-Karo Trumpf, und was den Damen ihr Kostüm ist, ist den Herren der Blazer. Uni mit kleinen Punkten oder mit Diagonalstreifen verkauft sich bei den Krawatten am besten.

0 Nur 30 Prozent der Herren kaufen 0 allein ein, 55 Prozent lassen sich von K Ehefrauen und weitere 15 Prozent n von anderen erwachsenen Ratge- 6 bern beim Erwerb von Kleidungsstücken begleiten.

Im Kleiderschrank der Hamburger befinden sich:

drei bis vier Anzüge bei 42 Prozent, fünf oder mehr bei 36 Prozent;

ein Wintermantel bei 65 Prozent, zwei bei 31 Prozent;

ein Regenmantel bei 40 Prozent; eine oder zwei Lederjacken bei 26 Prozent;

ein bis zwei einzelne Jacketts bei 60 Prozent und drei bis vier bei 21 Prozent;

sechs Oberhemden bei 49 Prozent, sieben bis zwölf bei 34 Prozent;

bis zu zehn Krawatten bei 53 Prozent (bis 15 bei 21, 16 und mehr bei 25 Prozent) ;

Pullover bei 84 Prozent, Strickjacken bei 61 Prozent;

einen oder mehr Hüte haben 69 Prozent, 51 Prozent eine oder mehr Mützen.

Jeder 25. Hamburger hat einen Zylinder, jeder 33. einen Frack, jeder 12. einen Smoking! Das sind überraschende Zahlen.

Was das Hamburger Wetter angeht, sind die Männer bei weitem nicht so pessimistisch wie ihre Damen: jeder dritte hat ? keinen Regenschirm.

Keine Schirme haben außerdem die Hamburger Kinder (Ausnahmen sind selbstverständlich). Die tragen mit Begeisterung Ölzeug, das Kinder und Eltern glücklich macht: die Kinder, weil man sich damit angeblich "auch in Pfützen setzen kann", und die Eltern, weil die Absichten des Nachwuchses im leuchtenden Segler-Gelb kilometerweit zu kontrollieren sind. Das Ölzeug ist modisch, aber nicht typisch für den Anzug Hamburger Kinder. Die "Hamburger Kindermode" ist nach dem großen Brand von 1842 entstanden, und die traditionellen Modelle lösen nicht nur in der Hansestadt Begeisterung aus: sie haben eine Anhängerschaft weit über die Grenzen des Stadtstaates hinaus gefunden.

Vom "Hamburger Mantel", dem dunkelblauen Traditions-Stück mit dem weißen Kragen, wurde schon gesprochen. Zeitlos schön und zum Begriff geworden ist auch das "Hamburger Kleid" in "Hamburger Schotten" ? beides also durch den Namen ausgewiesene Erzeugnisse der Elbestadt.

Zum rot-grün-weiß-blau karierten Schottenkleid gibt es Mützen im gleichen Muster, die von einem roten Pompon gekrönt werden. Aus diesem Material wird auch sehr viel Geschwisterkleidung hergestellt: zum Kleid mit Faltenrock der Schwester für den kleinen Herrn einen Kittelanzug.

Erster Bestandteil der Hamburger Kindermode sind außerdem die Smok- Kleider für Mädchen, die vor 35 Jahren genauso beliebt waren wie heute. Ganz zu schweigen von den Matrosenanzügen, die seit 1890 von ganzen Generationen kleiner Bayern und Berliner, Sachsen und Hessen getragen wurden. Wovon man sich leicht mit einem Blick in Großmutters Familienalbum überzeugen kann.

uoch die Hamburger Kindermode, über die man sich am besten am Jungfernstieg in der "Hamburger Kinderstube" orientieren kann, einem seit 40 Jahren bestehenden Fachgeschäft (dessen in heute nicht mehr gelehrten deutschen Buchstaben geschriebenes Schild allerdings von den Kleinen selbst nur schwer zu entziffern ist!), ist nicht nur traditionsreich, sie lebt auch weiter. Der Report für die Kindermode 1965/66 meldet:

Es werden Kleider mit tiefhängender Taille und aufspringenden Falten oder Sackkleider getragen. Die Geschwister- Kleidung hat sich des Blouson-Stils bemächtigt ? Näherinnen haben dabei an winzigen Bubikragen zu "prünen". Kleiderröcke für lebhafte kleine Mädchen sind gefragt, mit Gehfalten vorn, über Pullover und Strumpfhosen zu tragen. Zum bunten Lackmantel trägt der elegante Zwerg bei Schmuddelwetter einen Südwester im Miniatur-Format.

Konservativ ist die Hamburger Kindermode in den Farben. Spitzenreiter

ist Hellblau. Marineblau, Rot, Zartrosa und Flanellgrau folgen auf den Plätzen.

Beständigkeit mit einem Schuß Sachlichkeit ist ja überhaupt Hamburger Wesensart. Das bestätigt der Geschmack der Hamburger, wenn sie Antiquitäten oder Porzellan kaufen. In der nächsten Folge: Es darf ein bißchen

"englisch" sein