Der “Garden State Parkway“ führt von New York über Atlantic City nach Kap May quer durch den Staat New Jersey. Er ist eine sechsspurige Autobahn, die über sattgrüne Matten und durch dichte Waldungen dem Saum der Atlantikküste folgt. Der “Garden State Parkway“ gilt als eine der schönsten Straßen Amerikas und zugleich als die “sicherste Straße der Welt“. Woran das liegt, will ich hier beschreiben. “

Die etwa 180 Meilen (290 km) lange Route durch die -Parklandschaft der Ostküste ist ein "Tollway", eine Zolloder "Wegegeldstraße". Die Vereinigten Staaten kennen zwei Methoden der Straßenbaufinanzierung :

© durch indirekte Besteuerung der Benutzer

© durch direkte Besteuerung.

Die erste Methode gleicht dem Finanzsystem in der Bundesrepublik. Den Löwenanteil (80 Prozent) erbringt hierbei die Besteuerung des Kraftstoffs. Diese Abgabe gleicht unserer Mineral- ölsteuer, nur mit einem kleinen Unterschiec\: In den USA wird , nicht die Hälfte der eingetriebenen Gelder für andere Haushaltszwecke verbraucht. Die "Zweckbindung" steht nicht nur auf dem Papier. Sie wird eingehalten. Das ist einer der tieferen : Gründe für die großen Straßenbauleistungen des Landes. Weitere Mittel gehen durch Umsatzsteuern "für Gummi, Reifen und neue Lastwagen ein.

Die direkte Besteuerung erfolgt durch das Wegegeld. Die "Tollways" werden mittels Obligationen finanziert und sollen sich im Laufe der Jahre durch die Einziehung -des Zolls amortisieren. Italiens Autostradas sind nach ähnlicher Methode gebaut worden.

Vernünftiges System, aber..

Das System klingt höchst einleuchtend und vernünftig. Aber die Praxis sieht ein wenig anders aus.

Der "Garden State Parkway" ist alle fünfzehn Meilen durch eine Zollschranke unterbrochen. Auf der ganzen 180 Meilen langen Reise muß ein Autofahrer also alle fünfzehn Meilen stoppen und zur Kasse. Jedesmal kostet es 25 Cents oder rund eine Mark. Das geht

zwischen New York und Kap May ganz schön ins Geld.

Die Folge: Günther Storjohann aus Hamburg, der seit einigen Jahren für Volkswagen of America arbeitet und auf seinem .Berufsweg sehr gut einen Teil des Parkweges benutzen körinte, fährt auf Nebenstraßen. Dort fährt man wie üblich umsonst. Der schöne sechsspurige Parkweg ist infolgedessen nur zu einem Bruchteil seiner Kapazität ausgenutzt, und die Nebenstraßen sind verstopft. '

fj Diese Beobachtung möchte ich y allen jenen Abgeordneten des Deuty sehen Bundestages ins Stammbuch A schreiben, die sich für eine ähnliche /, Regelung in Deutschland einsetzen.

Die Story ist aber noch nicht zu Ende. Natürlich ist auch die Unfallrate entsprechend der geringen Benutzung auf dem Garden State Parkway sehr niedrig. Sie liegt bei 1,9 Toten auf 100 Millionen Meilen gegenüber 2,8 Toten auf zollfreien Highways. Aber es fällt noch ein weiterer Faktor unfallmindernd ins Gewicht: Günther Storjohann erzählte es: "Was soll schon groß passieren, wenn man alle naslang wieder anhalten muß."

Nun aber kommt die Kehrseite. Sonntags ist auf der PrachtstraBe der Teufel los. Sonntags sitzen die Cents locker, und sonntags wird auf dem Tollway viel gefahren. Und obwohl die Abfertigung an den Zollhäusern nur 8 bis 10 Sekunden dauert, kommt es zu riesigen Schlangen.

Auch aus diesem Grunde sollten wir uns davor hüten, diese Methode der Straßenbaufinanzierung nachzuahmen. Dann plädiere ich schon lieber für eine Kraftfahrzeugsteuer, die man in Amerika fast überhaupt nicht kennt.

Ähnlich große Schlangen wie auf dem

Tollway entstehen auf der zweistöckigen "George Washington Bridge", die zwischen Manhattan und Fort Lee den Hudsonfluß überspannt. Die 1110 Meter lange Hängebrücke weist als einzige der Welt 14 Fahrspuren auf. Sie hat eine Verkehrskapazität von 18 OOCTAutos pro Stunde (zum Vergleich: Jterderelbbrücke mit sechs Fahrspuren 8600 Autos). Aber am Vatertag war die schöne Brücke vollkommen dicht.

"Zoll" für Brückenfahrt

Ursache: Auch hier muß ein Zoll ? ein Brückenzoll ? entrichtet werden. Auf beiden Seiten der Brücke stehen die "Gates" oder Schranken, von attraktiven braunen Damen bedient. Das ist übrigens einheitlich geregelt. An einem Zoll sind die Damen weiß, am nächsten schwarz, dann braun. Für Abwechslung ist gesorgt.

Aber so fleißig die braunen Girls auch kassieren, mit 190 000 Autos in wenigen Vatertagesstunden werden sie mit dem besten Willen nicht fertig. Die Folge ist ein Chaos, das ebenso wie die durch Geschwindigkeitsbegrenzung erzeugten Ballungen künstlich produziert ist. Ohne diese hindernden Eingriffe würden die Bauwerke dem Verkehrsbedürfnis vollauf genügen.

Ich habe mir das Schauspiel von der Kontrollzentrale der Brücke aus angesehen. Mit einem Knopfdruck steuert man dort ein System von 131 Ampelanlagen. Sergeant Ulrich Kaiser ließ mich drücken. Ich gab Dauergrün. Aber das nützte dem Brückenstau und den Tausenden von Autos ebensowenig, wie das teure Ampelsystem und die sogenannte grüne Welle der Hamburger Innenstadt zur Hauptverkehrszeit dienlich . ist. Künstliche Verkehrshindernisse " wie Zollschranken oder Ampeln begeistern die Herren Techniker. Den einfachen Verkehrsteilnehmer bringen sie zur Verzweiflung.

Amerika zeigt aber nun keineswegs nur negative Selten des Verkehrsgeschehens, wie man aus meinen Schilderungen schließen könnte. An vielen Beispielen wird deutlich, wie entschlossen und tatkräftig man den Problemen zu Leibe rückt.

Im Gegensatz zu der in der Bundesrepublik sich breitmachenden Welle der Resignation herrscht Optimismus. Das gilt sowohl für den Straßenbau, das Parkproblem, wie auch für den Berufsverkehr.

Thema Fernstraßenbau

Ich möchte den Ferhstraßenbau hierbei ausklammern. Ich behaupte sogar, ohne hierbei mit Vergleichszahlen zu arbeiten, weil viele Dinge sich einfach nicht vergleichen lassen, daß die Bundesrepublik ein besseres und ? bezogen auf Bevölkerungszahl und Fahrzeugdichte ? kompletteres Autobahnnetz besitzt als die Vereinigten Staaten. Deutschlands hochbelastete Nord-Süd- Routen sind längst in Betrieb, während die höher frequentierten Ost-West-Routen der USA noch viele Lücken aufweisen.

Die wirkliche Misere, ja Armut der Bundesrepublik wird an den StSdter* offenbar. Chikago, mit ,3,6 Millionen Einwohnern doppelt so groß wie Harrr^ bürg, hat 94 Kilometer Stadtautobahn, teilweise mitlacht Fahrspuren. Hamburg hat gerade 4,8 Kilometer.

Keine amerikanische Stadt oder Gemeinde würde auch nur im Traum auf den Gedanken kommen, nach Bundeshilfe zu rufen wie bei uns. Die sogenannte "Verkehrsnot der deutschen Städte und Gemeinden", diese Erkenntnis drängt sich einem in Amerika zwingend auf, ist 1 selbstverschuldet. Sie ist eine Frage der Einstellung zum Invidualverkehr, zum Auto schlechthin.

Die politische Zusammensetzung der deutschen Stadtverwaltungen mag hierbei keine geringe Rolle gespielt habe.rj und spielen.

In der nächsten Folge: Der Fehlschla" mit dem ?P^rkrand-Rid^,'^ System, Einbahnstraßen und Taxis.