Neue Wolkenkratzer im ?mächtigsten Dorf der Welt“

-Ob dem Letter unserer Bonner Bartakttoa

Waraar Tltsrata

Bonn, 2. März

Zehn Jahre lang oder mehr hat jedes Bonner Ministerium, das etwas auf sich Mit, Luftschlösser gebaut Jedes möchte für sich gerne einen bescheidenen Palast aus Stahl, Glas nnd Beton. Wenig wurde davon gesprochen, aber immer daran gedacht. Jetzt soll es bald soweit sein: Bonn, das "mächtigste Dorf der Welt", will eine "richtige Hauptstadt" werden!

Auch Adenauer will es. Die Pläne dafür ? sie gelten so aiemlich ala das Geheimste vom Geheimen ? hat er "Ich sehen selten lassen. Nach allem, was bisher durchgesickert ist. haben sie einen gewissen Zug las Gigantische. Vereinselt Ist sogar so hören. Bonn solle in

sehn Jahren eine der .^ebensten nnd modernsten Hauptstädte Europas" sein.

Die Scheu, das Provisorium am Rhein zu etwas Dauerhaftem auszubauen, schmilzt mehr und mehr dahin. Man spricht nicht mehr sooft von dem .. vordringlichen Ziel", die alte ReichshauDtstadt Berlin so schnell wie möglich wieder in ihre alte Funktion zurückzuversetzen. Um so häufiger heißt es, jetzt geh" es In erster Linie darum. West- Berlin die Freiheit su sichern und su erhalten. Regierung und Parlament aber scheinen aus diesem politischen .Lehrsatz" den Schluß ziehen zu wollen, nun müsse man sich aber wenigstens .vorläufig endgültig" in Bonn etablieren.

Der Anfang dafür ist ? sieht man genauer bin ? längst gemacht Der Bonner Regierungsboulevard, die Koblenzer Straße, wird bereits ausgebaut und erweitert Am Bundeskanzleramt entsteht ein großes Verkehrskreuz mit einem Fahrbahntunnel in Richtung .Diplomaten-Rennbahn" nach Godesberg.

Es steht auch bereits fest daß die mitten durch Bonn verlaufende Bundesbahnstrecke an den westlichen Stadtrand verlegt und am Fuße des Venusberges, des Bonner .JProminentenhügels". durch einen Tunnel geführt wird. Der Bonner Bahnhof soll in repräsentativer Form als richtiger "Regierungsbahnhof" an der Stadtgrenze Bonn-Godesbere neu errichtet werden.

Der alte Bahnhof in der Innenstadt wird dann Omnibuszentralbahnhof; die alte Bundesbahntrasse soll zu einer Stadtautobahn ausgebaut werden. Dazu kommt der Bau von zwei neuen Rheinbrücken, Eine imNordenmitAnschluß an den .Regieningsflughafen" Wahn, eine lm Süden als direkte Verbindung ins Siebengebirge zu den neuen "Prominenten-Hügeln", und zur Autobahn Richtung Frankfurt

All das und noch einiges mehr wurde das äußere Dekor der geplanten neuen Rheinmetropole darstellen. Kostenpunkt: Weit sehr weit über 500 MilL DM! Das Interieur der neuen Bundesresidenz wäre nicht minder anspruchsvoll.

Das Bundastasssebaade, bekannt als das "WeiBe Hans am Rhein", soll teilweise abgerissen und auf einem Nachbargelsnde frtBer, breiter, höher ? nämlich mit einem mindestens z3geschosslgen Wolkenkrateerhochhaus als städtebauliche Dominante ? neu errichtet werden. Die Abgeordneten aller Fraktionen haben durehgesetst daß sie dann .auch Jeder für sich einen Bureraum erhalten. Begründung: "Es geht nicht daß wir wichtige politische Gespräche entweder im Restaurant bei rheinischem Gulasch oder in unseren möblierten Zimmern auf der Bettkante führen müssen!"

Auch der Bundesrat (Länderkammer) möchte nicht länger .Gast" im Bundestagsgebäude sein: die Ländervertreter wollen ihre Selbständigkeit vielmehr auch durch ein eigenes Gebäude unterstreichen. Pläne dafür werden schon gewälzt

Südlich des alten Bundeshauses soll auf dem einzigen noch unbebauten grö- ßeren Gelände, auf dem jetzt auf gutem Humusboden (Grundstückspreis inzwischen 100 bis 140 DM je qm) noch Kohlköpfe wachsen und Schafherden weiden, ein komplettes Regierungsviertel mit den wichtigsten Ministerien entstehen. Im Modell ist das meiste davon schon fertig. Aber: PstJ Alles noch geheim!

Es sollen dort gebaut werden:

- Ein neues Bundesschatzministerium. weil das jetzige .Haus Carstanjen" in Godesberg Gästehaus der Regierung werden solL

- Ein neues Bundeseraährungs-. Bundesarbeits- und Bundeswirtschaftsministerium. weil die alten Kasernen, in denen diese drei Ministerien jetzt residieren, der Bundeswehr zurückgegeben werden sollen.

- Ferner: Ein neues Justizministerium, weil die ..Paragraphenburg" am Venusberghang zu eng geworden ist ? Und ein neues Verkehrsministerium. ? Undreih neues Atäaiministeriüiri. ? Und vielleicht sogar ein neues Auswärtiges Amt. weil der riesige Kasten an der Koblenzer Straße ? erst vor wenigen Jahren errichtet ? angeblich schon wieder .viel zu klein" ist

Auch das Bundespresseamt" ebenfalls erst vor kurzem fertig geworden, soll erweitert werden. Die Villa Hammerschmidt der im Zuckerbäckerstil gehaltene Dienstsitz des Bundespräsidenten, soll gleichfalls einen Anbau erhalten. Aber das schlägt nicht so sehr zu Buch.

8 Alles in allem wird der "Neubau _ Bonns" nach ersten vorsichtigen K Schätzungen weit über 1 Milliarde Q DM kosten.

B Rund 500 MUL DM hat das "Pro vi - 9 sorium Bonn" bisher schon verschlun- K gen.

iE Und dabei sollte es. so hatte man 9 1948 kühn verkündet, insgesamt nur 9| &8 Millionen DM kosten. Daran B möchte heute nur niemand mehr erfi innert werden.

Man spricht von der Zukunft Und die hat ? für Bonn wenigstens ? längst begonnen. Zumindest auf dem Papier!