Der fließende Verkehr bereitet nicht die größten Sorgen, sondern der ruhende. Der 1. Baudirektor Professor Sill schätzt, daß Jedes Auto im Durchschnitt eineinhalb Stunden pro Tag fährt und zweiundzwanzigeinhalb Stunden steht. Jedes Auto braucht zum Ruhen etwa 25 Quadratmeter Raum. Und zwar zweimal, da es ja zu Hause und am Arbeitsplatz ruht. Oder noch mehr, wenn es nämlich tagsüber zum Parken an verschiedenen Orten abgestellt werden soll. Das sind Platcforderungen, die schon heute, bei 250 000 Autos, nicht zu erfüllen sind, geschweige denn bei 1,2 Millionen im Jahre 1983.

Amerikanische Lösungen können für uns nur eine Anregung sein, nicht der

Stein der Weisen, denn der Verkehr konzentriert sich in europäisdien Stallten viel mehr auf das Zentrum als in amerikanisdien. Den motorisierten Verkehr aus der auch 1983 immer ncxh engen Innenstadt möglichst fernzuhalten, ergibt sich daher als unumgängliche Notwendigkeit. Das ist nur zu erreichen durch einen großzügigen Ausbau der öffentlichen Verlrehrsmittel. Schnellbahnen. Untergrundbahnen und in den Randgebieten Autobusse. Professor Sill "and Dr. Tappert (HHA) sehen es so: Wir werden 1983 "sin U- Bahn-Netz von 120 Kilometern Länge und 1 000 Wagen haben. Die Züge werden so komfortabel sein, daß niemand sich eine bequemere Art der Fortbewegung im Stadtverkehr wünsdien kann. Technische Störungen wird es nicht mehr geben. Abfertigung (Fahrkartenschalter, Sperren usw.) sowie auch die Lenkung der Zfige wird vollautomatisiert sein. Zugführer braucht man nidit

re^nXe^nktiönS 1 der ffekff- ben. sondern die Mobilität überhaupt nen, Holzverarbeitungsmaschinen usw.

Die Produktivität der Industrie ist dank der Automation ständig gestiegen. Man arbeitet weniger und verdient doch mehr.

Wos aber fangen die Hamburger des Jahres 1983 mit ihrer Freizeit an?

Für wenige Stunden oder selbst am Sonntag aus der Stadt herauszufahren, ist viel zu mühselig. Die meisten bleiben zu Hause und spielen auf der kleinen Grünfläche vor dem Haus Boccia oder Tischtennis.

Viele aber haben sich Wochenendoder Ferienhäuser zugelegt, hundert und mehr Kilometer von ihrer Wohnung entfernt. Sie liegen in den den Oasen der Stille, die es deshalb noch gibt, weil große Gebiete Deutschlands zu "Erholungsräumen" erklärt wurden, die zum Teil unter Naturschutz stehen. Man darf dort ein Haus bauen, man darf mit dem Auto hineinfahren, aber man darf das Auto nicht zu Kreuz- und Querfahrten im "Erholungsraum" benutzen. Viele N Hamburger besitzen neben dem Auto ein eigenes Flugzeug. Sie haben ihre Ferienhäuser im südlichen Europa und verbringen ihr Wochenende, das für alle von Freitag mittag bis Montag früh dauert, in Österreich, in Oberitalien, in der Schweiz und sogar in Spanien.

Die heutigen Parks und Grünanlagen sind alle erhalten geblieben. Es sind sogar in den heutigen Vororten noch einige dazugekommen. Stille Spaziergänger, die in den grünen Lungen der Stadt bleiben, brauchen schlechte Luft nicht zu fürchten. Die Luft ist viel reiner geworden, als man es sich 1963 noch vorstellen konnte. Es gibt überhaupt keine Dampflokomotiven mehr, und die Auspuffgase der Benzinmotoren sind entgiftet worden. Die Fernheizung hat die Schornsteine, die Ruß und Gase ausstießen, nutzlos gemacht. Neue Häuser haben gar keine Schornsteine mehr. (Auch private Kamine dürfen im inneren Stadtgebiet nicht gebaut werden). Man hatte mehrmals erwogen, die Fernheizung auf Atomkraft umzustellen, aber das erwies sich als zu teuer.

Noch 1870, als man den Eibtunnel für die Westtangente der Stadtautobahn baute, waren die Abgase der Autos ein technisches Problem. Man entschloß sich damals, die Lüftungsanlagen weitgehend zu sparen, indem man einfach anordnete, daß die Autofahrer am Anfang des Tunnels die Motoren abstellen und auf einem Fließband durch den Tunnel rollen (wodurch auch Stockungen durch Auffahr-TJnfälle vermieden wurden).

1983 wäre eine solche Maßnahme nicht mehr nötig, da bis dahin das Elektroauto eingeführt worden ist, das keine Abgase erzeugt. Es dauerte lange, ehe man einen Weg fand, die Energie in winzig kleinen Batterien zu speichern.

Die Abgase aller Industriebetriebe werden gefiltert. Von "Eidelstedter Düften" sprechen nur noch die Großmütter. Und ebenso fließt kein Tropfen ungereinigtes Wasser in die Elbe oder Bille oder Luhe oder sonst ein Gewässer.

Es wäre noch ein Wort über die Stadtreinigung zu sagen. Jeder Hamburger ? Kinder und Greise eingeschlossen ? , verbraucht 1983 im Jahresdurchschnitt ungefähr 300 Kilogramm Papier oder papierähnliches Material (Plastik usw.). 1963 betrug der Jahresdurchschnitt noch 70 Kilogramm. Wohin damit?

Alle Häuser haben riesige, in der Größe genormte Müllsammler, die in einem ebenfalls genormten Gestell stehen. Die Abfuhr erfolgt durch große Spezialwagen, die von einem einzigen Mann bedient werden. Hydraulische Hub- und Kippvorrichtungen entleeren die Gefäße. Müllkolonnen alten Stils sind wegen Personalmangels längst verschwunden.

Die Straßen werden nachts gereinigt. Eine Zeitlang hatte man im Rathaus die Anschaffung von Riesenstaubsaugern erwogen. Diese Idee mußte man aufgeben, weil immer noch zu viele Fahrzeuge nachts auf den Straßen stehen. Die Straßen werden nun jede Nacht mit Wasserwerfern gespült.

Die Müllverwertung ist längst abgeschafft Es wird alles verbrannt, ein- ' ! Hamburg wird zwei Häfen haben. I Im Vorhafen Neuwerk wird man die 1 Massengüter (Kohle, Getreide, Erz, l Ol) aus Schiffen ein- oder ausladen, "die 13 und 14 Meter Tiefgang haben 1 und 80 000 tdw groß sind. Tanker i werden sogar 200 000 tdw groß sein 1 | und 16?17 Meter Tiefgang haben. i Auf den Hamburger Werften wird ( ' man solche Schiffe bauen können. I Durch diese Riesenschiffe wird der 1 Hauptteil der Seefracht gespart, und i Hamburg bekommt seine volle Kon- 1 kurrenzfähigkeit wieder, denn der l Hafen Neuwerk kann 4,5 Meter tiei fer sein als Rotterdam. Neuwerk 1 wird den natürlichen Tiefseehafen l für Skandinavien darstellen. Stückgüter werden weiter nach Hamburg gehen, dessen Hafen bis dahin nicht nur modernisiert, sondern auch, um 2000 Hektar größer geworden sein wird. Pipelines werden öl von Neuwerk nach Hamburg pumpen, und dank der zwölf Meter tiefen Elbe wird das Anlaufen Hamburgs durch weit größere Schiffe als heute erheblich lohnender.

Es wird zahlreiche neue Schiffahrtslinien in die Entwicklungsländer geben, in denen die Industrialisierung im Tempo einer Revolutionierung der Wirtschaft eingesetzt hat. Viele von deri heutigen 3000 Im- und Exportfirmen sind dann in größeren aufgegangen und haben sich völlig umgestellt. Sie importieren nicht mehr Rohstoffe sondern Halbprodukte via Hamburg in den norddeutschen Raum, wo sie verarbeitet werden. Umgekehrt exportieren sie nicht mehr Fertigwaren der Konsumgüterindustrie, denn für diese besteht in den Entwicklungsländern nur noch wenig Bedarf, sondern Investitionsgüter wie Straßenbaumaschinen, Schlachthofanlagen, Werkzeugmaschinischen Steuerung überwachen. Das werden ältere Omnibusfahrer machen, die den anstrengenden Dienst am Steuer nicht mehr versehen können. Natürlich wird es einen Tarifverband zwischen der Hochbahn, der Bundesbahn (S-Bahn) und den Privatgesellschaften geben, so daß dem Fahrgast durch Umsteigen keine zusätzlichen Kosten ? und durchs Neuordnung der Linienführung ? auch keine Zeitverluste entstehen. Die Fahrkarten einer Gesellschaft werden auch für die übrigen gelten.

In einem Umkreis von sechs Kilometern vom Stadtzentrum wird es überhaupt keine öffentliche Verkehrsmittel mehr geben, die an Straßen gebunden sind. Das heißt, alle. Straßenbahnen und innerstädtischen Autobuslinien werden durch Schnellbahnen ersetzt sein.

Außerhalb dieses Kreises wird allein die HHA ein Autobusnetz von 800 Kilometern mit 1 000 Wagen betreiben. Sie wird ihre eigene elektronische Verkehrszentrale haben, bei der der Standort jedes Autobusses als Lichtpunkt auf einer Karte abzulesen ist Durch Funksprechverkehr wird sofort gemeldet, wenn irgendwo Zusatzwagen eingesetzt werden müssen.

Die Aufgabe der öffentlichen Verkehrsmittel wird es sein, den in die Innenstadt einströmenden Privatwagenverkehr mit Hilfe eines "Park-&-Ride- Systems" an den Endpunkten der Untergrund- und Schnellbahnen aufzufangen. Es genügt nicht, an den Endstationen Parkplätze zu bauen. Man muß sie so attraktiv machen, daß der Autofahrer verführt wird, sein Fahrzeug stehen zu lassen. Man wird z.B. Service-Stationen bauen, so daß der Fahrer sein Auto abends gewaschen und getankt wiederbekommt, ohne dadurch Zeit zu verlieren. Einkaufszentren werden hier stehen müssen und Schattenbäume, damit sich auch der Wagen .freut".

Nicht nur die Beweglichkeit der Menschen innerhalb eines großen Stadtgebiets wird 1983 stark zugenommen ha- Vom Flughafen "Holstenfeld" (Kaltenkirchen) wird es Direktverbindungen in alle Welt geben. Vom Stadtflughafen Fuhlsbüttel wird man mit Senkrechtstartern mindestens jede Stunde ein Flugzeug nach Frankfurt oder München bekommen können.

Vielleicht wird es Ihnen aufgefallen sein, verehrter Leser, daß in dieser Serie mit keinem Wort auf die Spaltung Deutschlands und auf die Hamburg so nahe gelegene Zonengrenze eingeganschließlich der verbrauchten Wohnungseinrichtungen, denn im Jahre 1983 vererbt man keine Möbel mehr von einer Generation zur anderen. Im Gegenteil, jede Generation verbraucht drei bis vier Wohnungseinrichtungen.

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gen wurde. Ich habe das bewußt vermieden, um mich nicht auf Prophezeiungen einzulassen, die außerhalb des Voraussehbaren liegen. Ich trete das Wort an den Leitenden Regierungsdirelctor Dr. Schreck ab, der mir in einem Gespräch über die Zukunft der Hamburger Wirtschaft sagte:

"Die Ideen, die sich mit einer Nordwestdeutschen Wirtschaftsgemeinschaft beschäftigen, cind ein Zeichen für Pessimismus. Sie beweisen Zweifel am Welthandelplatz Hamburg. Ich bin im Ganzen viel optimistischer. Der Osten wird bald gezwungen sein, seine Tore dem Wirtschaftsaustausch mit dem Westen weit zu öffnen. Politische Wandlungen werden dann nicht ausbleiben. Hamburg wird dann wieder eine ideale Verteilerposition haben."

Aber wie immer es kommen mag, so steht doch dieses fest: Wenn Hamburg und die Welt das Jahr 1983 überhaupt eVleben, dann wird der Weltfrieden zu jener Zeit keine Utopie, keine Wunschvorstellung mehr sein, sondern reale Wirklichkeit, weil ein Krieg einfach nicht mehr möglich sein wird.

Bis dahin halten wir uns an Martin Luther: "Wenn ich wüßte, daß morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen." gettaltung der