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Von unserem nach Karlsruhe entsandten Redaktlonsmltglled Erik Verg

Karlsruhe, 27. Januar

Am zweiten Verhandlungstag im Spionageprozeß gegen den ehemaligen Kapitänleutnant Ludwig, der als Ostagent vor dem'Bundesgericht in Karlsruhe steht, zeichnete sich der Umfang der Affäre schon deutlicher ab. Mit einer Schlüsselfigur beginnt es, bald hängt die ganze Familie drin, und die Lawine rollt weiter und reißt immer neue Menschen ins Unglück.

seinen Auftraggebern Adressen von Menschen bannte, die beabsichtigten, aus privaten Gründen in die Zone zu reisen. Es waren vorzugsweise solche Personen, die noch Angehörige drüben haben, damit man auch auf sie einen erpresserischen Druck ausüben konnte. Einen von Jäger genannten Polizisten, dessen Mutter und Frau npeh drüben leben, kostete das inzwischen seine Existenz und zehn Monate Gefängnis wegen landesverräterischer Beziehungen.

Einmal kommt dann die Zeit, da alle drei ? Horst Ludwig, Fritz Briesemeister und Werner Jäger ? nicht mehr mitmachen wollen. Aber wie soll man da wieder heraus? Briesemeister erklärt dem Gericht, er habe nicht allein aussteigen können, solange Ludwig noch in Amerika war. Er mußte dem Freund ja zuerst Gelegenheit geben, sich aus der Affäre zu ziehen.

Vorsitzender: "Solche Überlegungen hätten Sie früher anstellen müssen."

Briesemeister: "Da kann man schon zurückgehen bis zur Steinzeit." '

Vorsitzender: ?Wenn *-Sie von der

Die Schlüsselfigur ist Emil Ludwig, Inhaber eines Photogeschäftes in Weimar. Der Staatssicherheitsdienst in der Zone benutzte ihn, um seine nächsten Verwandten in der Bundesrepublik zur Spionage zu gewinnen. Mit welchen Mitteln das geschah, verschweigt das Gericht. Es könnten keine sanften Mittel gewesen sein, denn ein Besuch Emil Ludwigs Ende' 1954 in Bremerhaven genügt, um seinen Sohn, der bei einer Minenräum-Einheit Dienst tut, zu überzeugen, daß er nach Berlin kommen muß, um mit "Freunden" Kontakt aufzunehmen. Und damit wird Horst Ludwig zum Spion. Er bleibt es als Minensucher, als Offizier der Bundesmarine und als besonders bevorzugter Kapitänleutnant, den man auf Speziallehrgänge nach Amerika und England schickt.

Er zieht noch einen Freund mit hinein. Der Obermaat Fritz Briesemeister arbeitet ebenfalls drei Jahre lang für die Sowjets. Er berichtet laufend über jede Veränderung in den Marinestützpunkten der Nord- und' Ostsee; über jede Neuausrüstung eines Bootes macht er prompt Meldung. Emil Ludwig bringt ihm das Photographieren von Dokumenten bei.

Dabei wird der Kreis weiter ausgedehnt. Emil Ludwig fordert seinen Schwiegersohn in Mannheim; den Versicherungskaufmann Werner Jäger, auf, einen "Freund"- in Berlin zu besuchen. Und Werner Jäger, ehemaliger Volkspolizeiangehöriger, der im Fahndungsblatt der Zone steht, zögert nicht, sofort hinzufahren.

Zuerst lächerliche Aufträge Zuerst bekommt er lächerliche Aufträge. Er soll zum Beispiel den Standort eines Ausländerlagers in der Nähe von Mannheim auskundschaften. Er führt sie mit unbegreiflichem Eifer aus. Dann werden die Aufträge folgenschwerer: Er soll Adressen von Westdeutschen liefern, die für eine Anwerbung durch den sowjetzonalen oder den "sowjetischen Nachrichtendienst in Frage kommen. Vor Gericht macht er eine erbärmliche Figur. Er stammelt Widersprüche, er mutet dem Gericht offensichtlich Unsinn zu und versucht seine Tätigkeit zu verharmlosen. Sie bestand darin, daß er Steinzeit reden, dann werde ich jetzt mal von der Moral reden. Ich habe in diesem Prozeß noch kein Wort, von Pflichtgefühl gehört."

Werner Jäger scheint einfach zu feige gewesen zu sein, sich zurückzuziehen,, wenn er es überhaupt gewollt hat. Was er über seine entsprechenden Versuche sagt, veranlaßt den Vorsitzenden zu der Bemerkung: "Ich benutze hier das Wort nicht gern, aber das ist einfach töricht, was Sie uns weismachen wollen."

Horst Ludwig scheint wirklich die Illusion gehabt zu haben, man könne zu den Russen einfach auf Wiedersehen sagen. Er hat in Amerika sein Herz für die Angelsachsen entdeckt und" in Schottland an eine junge Tochter des Landes verloren. Er will heiraten. Er will Ruhe haben, und Ruhe kann er nicht haben, wenn er Offizier und Spion zugleich ist: Das- sagt er den Russen. Aber die brüllen ihn an. Sie rechnen ihm vor, wieviel er sie schon gekostet und wie bitter wenig er dafür geleistet habe. Und außerdem solle er nicht vergessen, daß der Arm der Sowjets lang ist und daß er ihnen nirgends entgehen werde.