Mit einem parlamentarischen Kunstgriff holte sich die CDU gestern eine Debatte über das Problem "Stadtautobahn" in die Bürgerschaft. Da ihre "Kleine Anfrage an den Senat" nach der Geschäftsordnung nicht diskutiert werden konnte ? nur Große Anfragen werden besprochen ? , stellte sie zusätzlich eine Anfrage an einen ihrer eigenen Abgeordneten. Darüber gab es dann prompt ein Bededuell. Mit einem massiven Vorwurf stürmte die CDU in die Debatte: "Hier wird deutlich, daß der Senat zur Zeit nicht funktioniert." Das war die bisher schärfste Attacke der Opposition.

Nur am Rande ging es um die eigentliche Planung der Baubehörde für ein 135 Kilometer langes Autobahnnetz. Im Mittelpunkt stand vielmehr ? von der CDU geflissentlich herauspräpariert ? die Auseinandersetzung zwischen Bürgermeister Brauer ("Stadtautobahnen sind utopisch und grotesk") und Bausenator Dr. Nevermann, der die Planung der Baubehörde gegen die Kritik seines Bürgermeisters energisch verteidigt hatte. Auf diese Gegensätze im Senat sielte die CDU-Attacke ab.

"Ist die Deputation der Baubehörde mit der Planung der Stadtautobahn bereits befaßt worden und hat sie ihr zugestimmt?" fragte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Witten zu Beginn der Sitzung seinen Fraktionskollegen Blaschke. Antwort: "Am 10. September hat sich die Baudeputation mit der Planung für ein Stadtautobahnnetz befaßt Nach einem Referat von Prof. Sill (von ihm stammt der Entwurf) hat sie sich, ohne auf Einzelheiten einzugehen, mit dem Stadtautobahnnetz einverstanden erklärt." Das war der Auftakt. Dann kam die Debatte. Nur kurz zwar ? den Abgeordneten standen in diesem Falle nur zehn Minuten Redezeit zu ? , aber mit kräftigem Schlagwechsel.

Dr. Witten (CDU): "Es ist außerordentlich überraschend, daß Bürgermeister Brauer jetzt die Idee der Stadtautobahn als Utopie verwirft." Schließlich habe er eine Planung für große Schnellstraßen schon in früheren Denkschriften der Baubehörde gegeben, sie sei auch im Wahlprogramm der SPD und in der Regierungserklärung angedeutet worden. "Das Thema kann also Herrn Brauer nicht neu sein."

Aber es gehe hier, meinte Dr. Witten, offensichtlich gar nicht um sachliche Auseinandersetzungen, sondern um persönliche Differenzen zwischen Bürgermeister Brauer und Dr. Nevermann. "In einer für Hamburg lebenswichtigen Frage hat der Senat keine einheitliche Meinungsbildung gefunden. Das ist bedauerlich. Es ist nicht gut, wenn persönliche Machtbestrebungen einzelner Senatsmitglieder zu Lasten der Hamburger Bevölkerung gehen."

Und ein weiterer Vorwurf des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden: "Mit seinem Artikel im .Vorwärts' hat Bürgermeister Brauer die Baubehörde, vor allem Tiefbaudirektor Prof. Sill, diskriminiert. Uns ist bekannt, daß Prof. Sill sofort nach dieser Veröffentlichung Angebote von außerhalb bekommen hat."

" Brandes (SPD): ?Ich muß der CDU Vorwürfe machen. Sie verfährt eigentümlich mit der Geschäftsordnung. In den letzten Sitzungen hat sie Anträge gestellt, die eigentlich Anfragen waren.

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Heute benutzt sie eine Anfrage, um eine Diskussion zu erzwingen." Und zur Sache selbst: "Der Senat war, als die Planung vorzeitig bekannt wurde (Hamburger Abendblatt vom 20. September), noch nicht unterrichtet. Darauf hat Brauer reagiert. War das wirklich so schlimm?"

Man müsse planen, meinte der SPD- Fraktionsvorsitzende, aber alles vermeiden, um solche Planungen der Öffentlichkeit zu früh zur Diskussion zu stellen. "Wenn es im übrigen zu einem Intermezzo zwischen Bürgermeister Brauer und Dr. Nevermann gekommen ist, dann ist das nur durch Temperamentsfragen entstanden. Aber das beweist, daß der Senat arbeitet."

Wendt (CDU): "Ich hätte eine andere Antwort erwartet. Nämlich das ehrliche Eingeständnis, daß im Senat etwas nicht geklappt hat."

Bürgermeister Engelhard (FDP): "Es ist Unsinn, so zu tun, als ob es hier zwei Lager gäbe: eines für und eines gegen die Stadtautobahn. Ich glaube, ich bin nicht der einzige im Saal, der an Shakespeare und sein Stück ,Viel Lärm um Nichts' denken muß. (Zwischenruf des CDU-Abgeordneten Fox: Shakespeare hat aber auch ,Was Ihr wollt' geschrieben). Die Opposition benutzt ihre Anfrage nur, um der Bevölkerung vorzugaukeln, es gäbe Zwistigkeiten im Senat." Und mit Anspielung auf die Zeit des Block-Senats: "Ich glaube, wir wären damals froh gewesen, wenn es nur so kleine Meinungsverschiedenheiten gegeben hätte."

Das letzte Wort behielt Dr. Witten (CDU): "Es handelt sich hier nicht um das Problem Stadtautobahn ja oder nein, es geht um die Besetzung des Bürgermeistersessels: Brauer oder Dr. Nevermann."

Damit war die heikle Debatte beendet. Anschließend noch die Antwort auf die "Kleine Anfrage an den Senat": "Mit seinem Artikel im .Vorwärts' hat Bürgermeister Brauer nicht die Baubehörde oder deren Pläne kritisiert. Dem Senat liegen bisher noch keine Pläne vor. Im nächsten Monat, wenn der neue Aufbauplan fertig ist, wird er sich möglicherweise mit etwa geplanten Stadtautobahnen befassen", heißt es darin. Um Verkehrsprobleme ging es schließlich auch bei einem Antrag der FDP. Wo und wie viele Auffangparkplätze sind geplant? Was kostet das? Wieviele Autos können sie fassen? Darüber sollte der Senat nach dem Antrag der FDP berichten.

Aber der SPD-Abgeordnete Busch ("Ich habe mich bereits erkundigt"! nahm die Antwort schon vorweg. So erfuhr man denn, daß in drei Dringlichkeitsstufen Auffangparkplätze errichtet werden sollen. Möglichst in der Nähe von Bahnhöfen. Dort sollen die Autofahrer ihre Wagen abstellen und mit U-Bahn oder S-Bahn in die Stadt fahren.

Erste Dringlichkeitsstufe: 17 Parkplätze für 1400 Pkw's, Kosten 1,4 Millionen Mark. Zweite Stufe: zehn Parkplätze für 1100 Autos, Kosten 1,1 Millionen Mark. Dritte Stufe: vier Parkplätze für 500 Fahrzeuge, Kosten 300 000 Mark.

Aber der Senat wird trotzdem noch Bericht erstatten müssen. Denn der FDP-Antrag wurde einstimmig angenommen.

Dann das Thema "Unterelbevertiefung". Der Senat hat während der Sommerpause dem Bund drei Millionen Mark Vorfinanzierung zugesagt. Damit die Arbeiten, was Hamburg sehr am Herzen liegt, rascher vorangehen. Jetzt soll die Bürgerschaft das nachträglich bewilligen.

Dau (SPD): "Es ist eigentlich merkwürdig, daß Hamburg dem Bund drei Millionen Mark vorschießen muß. Der Bund geht finanziell doch nicht an Krücken. Siehe Juliusturm. Wir stimmen dem Antrag zu, aber wir müssen beklagen, daß der Bund seinen Verpflichtungen nur sehr zögernd nachkommt."

Bürgermeister Engelhard (FDP): "Es geht darum, daß die Elbe möglichst rasch auf elf und dann auf zwölf Meter Tiefe ausgebaggert wird. Ich habe noch gestern Bundesverkehrsminister Seebohm gesagt, daß dieses Programm zeitlich unbedingt eingehalten werden muß." Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Soll Hamburg ein eigenes Pressegesetz schaffen? Das schlägt ein FDP- Antrag vor. Dr. Frankenfeld (FDP) begründete den Antrag: ?Die süddeutschen Länder haben bereits eigene Pressegesetze. Hamburg ist zu einem Zentrum des Pressewesens in der Bundesrepublik geworden. Es hat in dieser Beziehung die Nachfolge von Berlin angetreten. Es wäre also gut, wenn Hamburg in Norddeutschland mit gutem Beispiel vorangehen würde, um eine Bedrohung der Pressefreiheit auszuräumen.

Auch Abgeordnete der SPD und der CDU sprachen sich für die Erhaltung der Pressefreiheit aus. Der Antrag (der Senat soll den Erlaß eines neuen hamburgischen Pressegesetzes erwägen) wurde einstimmig angenommen.

Die Bürgerschaft beschloß ferner: 150 000 Mark für den Neubau eines Werkstättengebäudes der Sternwarte. Über die Mittel zur Erweiterung der Ingenieurschule, zur Herrichtung von Grünanlagen im neuen Universitätsviertel und zum Bau von Altrentnerwohnungen an der Bernstorffstraße soll noch einmal in den Ausschüssen beraten werden.

Die nächste Bürgerschaftssitzung ist am 12. November. Hellmut Thieves