Heftige Diskussion um das für Hamburg geplante Stadtautobahnnetz. “Diese ganze Idee ist grotesk, der Plan eine Utopie und eine Bankrotterklärung der Techniker vor dem Verkehrsproblem.“ Mit diesen scharfen Worten attackierte Bürgermeister Brauer (SPD) am Wochenende in einem Artikel in der sozialdemokratischen Wochenzeitschrift “Vorwärts“ die Pläne der Hamburger Baubehörde. Dagegen haben die beiden Bausenatoren Dr. Nevermann (SPD) und Buch (SPD) mit allem Nachdruck gegen diese Attacke Stellung genommen. Wahrscheinlich noch in dieser Woche will man sich i m Senat über diesen Streit unterhalten. Wie vom Hamburger Abendblatt berichtet, ist vor einigen Wochen in der Baubehörde der Plan entwickelt worden, für die Hansestadt zur Verbesserung des Verkehrs ein 135 Kilometer langes Stadtautobahnnetz zu schaffen.

Diese Stadtautobahnen sollen kreuzungsfrei angelegt werden, zum größten Teil in Tunneln unter der Erde, zueinem geringer! Teil auch auf Hochviadukten über dem bisherigen Straßennetz. Ziel dieser Planung: den Hamburger Verkehr vor allem im Hinblick auf die weitere Motorisierung zu entwirren und rasche Schnellverbindungen zwischen den einzelnen Stadtteilen zu schaffen.

Dies sind die Vorwürfe des Bürgermeisters gegen die Großplanung zur Neuregelung des Hamburger Verkehrs: ?Die ganze Idee ist grotesk. Sie würde die menschliche Siedlung in einer Großstadt unter diesem Autobahnnetz begraben, das über die Köpfe der Einwohner hinweggeht. Für die Menschen, die in einer so organisierten Stadt arbeiten, wohnen und leben sollen, würde

ihre Stadt praktisch als Heimat aufgehoben werden."

"Die für diese .hochangelegten Autobahnen' gemachten Vorschläge zeugen im Grunde nur davon, daß die Techniker vor dem Verkehrsproblem Bankrott machen, well sie das Auto für wichtiger halten als den Menschen", meint Brauer. Eine Berufung auf die Entwicklung der 'Verkehrsprobleme in den USA sei abwegig.

Brauer stützt sich dabei auf die Äußerung des amerikanischen Städteplaners Lewis Mumford, der fordert, "das Problem des Autos auf jene radikale Weise anzupacken, die allein verhindern kann, daß es das Leben in der Stadt erst unerträglich und schließlich unmöglich macht." (Das würde praktisch die Verbannung des Autos aus der Großstadt bedeuten.)

Weiterhin wendet sich Brauer dagegen, einen Teil der Kosten für das Stadtautobahnnetz dem Bund aufbürden zu wollen. "Bei den vorliegenden berechtigten und noch unerfüllten Forderungen, die Hamburg an den Bund hat (z.B. Vertiefung der Elbe, Nord-Süd- Kanal), kann man sich die Reaktion des Bundesfinanzministers auf eine solche Forderung vorstellen."

Dagegen erklärte Bausenator Dr. Nevermann heute morgen dem Hamburger Abendblatt: "Ich habe nichts dagegen, daß ein Senatsmitglied anderer Meinung als die Baubehörde ist. Aber bevor sich jemand äußert, sollte er sich erst einmal genau informieren, was die Baubehörde plant und will. Es handelt sich hier keineswegs, wie Bürgermeister Brauer meint, um eine Bankrotterklärung der Techniker vor dem Verkehr. Unsere Pläne sind vielmehr eine echte Lösung der zukünftigen Verkehrsprobleme."

Dr. Nevermann sagte weiterhin zu den Vorwürfen Brauers gegen die Verkehrsplaner: "In einem solchen Fälle müssen wir Senatoren uns ganz energisch vor unsere Mitarbeiter stellen, von wem auch immer der Angriff kommt."

Auch Bausenator Buch wandte sich gegen die Kritik des Bürgermeisters am geplanten Stadtautobahnnetz: "Ich fürchte, Bürgermeister Brauer ist unzureichend unterrichtet worden. Es wäre vielleicht nützlicher gewesen, wenn er sich vorher sachlich informiert hätte. Professor Sill, der Leiter des Tiefbauamtes, der das Hamburger Stadtautobahnnetz entworfen hat, ist in der ganzen internationalen Fachwelt ein anerkannter Spezialist und kein Phantast,"

Die Autos aus der Stadt zu verbannen, meinte Bausenator Buch weiterhin, wäre der denkbar schlechteste Weg für die zukünftige Verkehrsentwicklung. "Das würde nicht den Tod des Autos, sondern den Tod der Großstadt bedeuten."

Eine klare Stellungnahme des Senats zum Projekt Stadtautobahn forderte gestern auch der CDU-Landesvorsitzende Erik Blumenfeld. "Es geht nicht", meinte er, "daß die Tätigkeit der Staatlichen Pressestelle in Hamburg mehr und mehr durch Veröffentlichungen von Senatsmitgliedern in einem SPD-Organ ersetzt wird".

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß auch in anderen Städten jetzt Autoschnellstraßen geplant werden. Neben Brüssel, das bereits ein Teilstück einer solchen Planung verwirklicht hat, sind auch die schweizerischen Städte Zürich, Luzern und Bern auf dem Wege zu Stadtautobahnen. thi