Das Einakter-Drama "Der grüne Kakadu" von Artnr Schnitzler hat einen modernen Komponisten zur Vertonung gelockt: Richard Mohaupt. Er kann die Uraufführung und den Erfolg seines Werkes nicht mehr erleben; Mohaupt ist im vorigen Jahr gestorben. Eines der bühnenwirksamsten Werke Schnitzlers hat hier den rechten Musiker angeregt! NatürMUi kompom*err*mWheute anders als um die Jahrjiündertty:end£, d$f die Dichtung entstammt, aber Mohaupt rückte mit diesem Werk, das stark wirkt, in die Vorderfront modernen Opernschaffens.

"Wir spielen immer ? wer es weiß, ist klug", sagt Schnitzer in einem anderen Einakter-Zykus. (Das könnte auch von Hoimannsthal sein.) Schnitzler liebt das psychologische Zwielicht in verschiedenen Brechungen. Die Wiener Literatur um 1910 empfing daraus ihre Reize. Bald ist es die Gesellschaft, bald die Grausamkeit der Zufälligkeit oder Konflikte, die Tragik schaffen. Für den Komponisten Ernst von Dohnanyi schrieb Schnitzler einst die Pantomime "Der Schleier der Pierette", die sich vom spielerisch Kämpferischen zu grausiger Neuromantik wendet. Schein und Wirklichkeit im Leben überkreuzen sich und narren uns . . .

Paris 1789, kurz vor Erstürmung der Bastille, Gewitterstimmung der Revolution. Die Stadt im Hintergrund, in gespenstischer Projektion. "Der grüne Kakadu" ist ein Wirtshaus, in dem Komödianten sensationslüsternen Adligen Verbrecherszenen vorspielen. Schnitzler mag da die schon morbide Wiener Aristokratie aus seiner Zeit im Sinn gehabt haben. Aus dem vorgetäuschten, gespielten ? aber psychologisch bereits im Unterbewußtsein schlummernden ? Mord am Herzog wird grausame Wirklichkeit. Ein "Bajazzo"-Motiv, mit stärkerer literarischer Note. Am Ende triumphiert die Revolution, es gibt keinen Schein mehr. Das Schicksal hat gesprochen.

Der Name Richard Mohaupt ist hier wenig bekannt. Es sei also gesagt, daß der gebürtige Schlesier mit Opern ("Die Wirtin von Pinsk", "Bremer Stadtmusikanten") und einem kecken Ballett ("Gaunerstreiche oder Curasche") beachtet wurde. Die Staatsopern Dresdens und Berlins brachten Uraufführungen. Mohaupt schreibt neuzeitlich, ohne sich in Sackgassen zu verlieren. Er geht in Alban-Berg-Richtung, aber die Tonalität ist bei allen kühnen Schichtungen der Klänge nicht durchbrochen. Wie Berg ordnet er den Ablauf durch Formen: Capriccio-Ballade, Rondo, Serenade,

französische Suite, ein Agnus Dei (für den wirklichen Verbrecher Grain) usw. Aber es sind natürlich dramatische Formen, nicht streng entwickelt. Er nimmt die Mischungen aus vielen Lagern: Egk, Strawinskij, Berg, Französisches, Schreker; ein wenig Richard Strauß und einen Schuß Schönberg (glücklicherweise maßvoll). Macht nichts, entscheidend ist die Art, w.'j.e ersieh djteser Mittel bedient.-' mit dramatischemjjjerv. Er handhabt seine Palette mit einer gewissen Virtuosität. Im Lyrischen bleibt er schwächer. Eine starke Opernbegabung ? sie sind heute selten ? ist zu früh dahingegangen.

Ulrich Erfurth, der Schauspielregisseur (Bühnenbild Helmut K o niarsky) konnte hier dem Opernkomponisten bestens dienen. Zwanzig Sängerpartien (eine Sprechrolle, die zwielichtig schillernde Leocadie mit Maria Litto)! Ein farbiges Ensemble>niemand ist unwichtig. Und jeder hatte sein Profil, glänzend herausgearbeitet. Man kann sie nicht alle einzeln würdigen. Hervorragend Toni Blankenheim in der sich tragisch vertiefenden Gestalt des Henri. Dann Helmut Melchert (Wirt), Ernst Wiemann (Grasset), die Herren Ruzdak, Mund, Pfendt, die Damen Wasserthal, Rütgers als Aristokraten, die Herren Ahlersmeyer, Ruesche, Bröcheler, Göllnitz, Roth, die Damen Litz, Duske, Urban in der Schauspielergruppe. Dazu Kurt Marschner (Dichter), Jürgen Förster (Schneider), Heinz Hoppe (Strolch), Karl Otto (Kommissar). ? Warum unsere Modernen wohl so unbequem für die Singstimme schreiben? Bei etwas Einsicht wäre das leicht zu ändern.

Albert Bittner (Chöre Günter H e r t e 1 ) gab der interessanten Partitur stilsichere Kontur. Bühnenpraktisch ist das Werk etwas ungünstig gelagert. Ein nicht ganz zweistündiger Einakter vom Gewicht der "Salome" (die freilich mehr Glanz hat). ? Vorschlag: Man koppele ihn, durch Pause getrennt, mit etwas anderem. Das Publikum, am Schluß etwas benommen, zollte dem Werk und der Aufführung berechtigt starken Beifall. br.-sch.