Es müssen in Hamburg sofort geeignete Maßnahmen zur Entlastung der Straßen getroffen werden. Das sagte Regierungsdirektor Dr. Günther Krauß gestern vor der Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Der Leiter des Amtes für Verkehr machte dabei interessante Vorschläge zur Entspannung der Verkehrssituation. Ihre Verwirklichung würde vor

allem den privaten Kraftfahrer treffen.

"Der öffentliche Verkehr muß unbedingt vor dem privaten Verkehr den Vorrang haben", ist die Meinung von Dr. Krauß. "Etwa 80 Prozent aller Hamburger sind auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen", sagt Dr. Krauß zur Begründung. Wenn nicht rechtzeitig durchgreifende Maßnahmen getroffen würden, drohe Hamburg, besonders den Innenstadtstraßen, ein Verkehrschaos.

In Hamburg sind heute rund 135 000 Kraftfahrzeuge zugelassen. Verkehrszählungen der letzten Zeit haben ergeben, daß fast jedes dieser Fahrzeuge einmal am Tag in die Innenstadt und zurück fährt. Das sind etwa 250 000 Fahrten täglich. Und schon das genügt, die Hauptverkehrsstraßen bei kleinsten Störungen

zu blockieren! Nach genauen Berechnungen wird sidi die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge in den nächsten sieben Jahren verdoppeln. In 15 Jahren werden mindestens dreimal soviel Wagen auf Hamburgs Straßen sein.

-Entscheidend könnte nur ein dichtes U-Bahnnetz in der Innenstadt die Stra- ßen entlasten. Aber bis es soweit ist, werden noch viele Jahre vergehen. Der Bau der neuen Strecke nach Wandsbek? Farmsen wird beim gegenwärtigen Bautempo mindestens zehn Jahre dauern.

Bis dahin bleibt die Straßenbahn das wichtigste Verkehrsmittel der Innenstadt! Erst nach Fertigstellung der Wandsbeker Strecke lassen sich im günstigen Fall 40 Prozent aller Straßenbahnen aus der Innenstadt herausnehmen."

Was soll aber bis dahin geschehen? Direktor Krauß machte eine Reihe interessanter Vorschläge, die das Bild vieler Straßen von Grund auf ändern werden. Im einzelnen:

- Bau neuer Radfahrwege, die breit genug sind, daß sie auch von Mopeds benutzt werden können.

- Einrichtung von Sonderstraßen nur für den "zweirädrigen Verkehr". Diese Straßen müßten für den übrigen Durchgangsverkehr gesperrt werden. ? Sonderstraßen ausschließlich für Stra- ßenbahnen und Anliegeverkehr. ? Grundsätzliche Vorfahrt der Straßenbahn.

- Sonderstraßen ausschließlich für den Kraftfahrzeugverkehr von und zur Innenstadt.

- Anlage von "Omnibusspuren" nach dem Vorbild der USA in Hauptverkehrsstraßen. Der öffentliche Busverkehr ließe sich dabei beschleunigen. ? Neubau von Fußgängertunneln mit Rolltreppen und Laufbändern. ? Versuchsweise Einrichtung von Fußgängerstraßen in , der Innenstadt nach dem Rotterdamer Vorbild.

- Anlage von Straßenbahntunneln an verkehrsreichen Straßenkreuzungen.

Mit diesen Maßnahmen ist jedoch noch nicht viel für den ruhenden Verkehr erreicht. Es bleibt das Parkproblem! Hamburg wird in Kürze über drei Parkhochhäuser mit zusammen 1740 Einstellplätzen verfugen. Man hat jedoch festgestellt, daß diese Parkhäuser schon jetzt nicht voll ausgenutzt werden.

Nach Ansicht von Dr. Krauß liegt das vor allem daran, daß die Dauerparker auf über 2200 Abstellplätzen geräumter Trümmerflächen bisher kostenlos parken können. Also: Gebühren auf allen Trümmerflächen der Innenstadt! Auch für Laternenparker wird eine monatliche Gebühr von 5 DM angeregt.

Als Ausgleich möchte die Behörde Parkplätze am Rande der Innenstadt anlegen. Auch Parkhochhäuser müßte man hier, so meinte Dr. Krauß, unter Forderung der Privatinitative durch Steuererleichterungen bauen.

Von diesen Parkplätzen am Rande der Innenstadt müßten Schnellbuslinien die Innenstadt nach allen Richtungen durchfahren. Weitere Parkplätze an S- und U-Bahnstationen.

In diesem Zusammenhäng schlug Dr. Krauß eine Reformierung der Tarife im öffentlichen Nahverkehr vor. Er denkt dabei an eine Verbilligung des Übergangs von einem HHA-Verkehrsmittel auf ein anderes. Das gilt besonders für das Umsteigen auf die U-Bahn. Zur Beschleunigung der Abfertigung an den Schaltern und in den Straßenbahnen müßte die Hochbahn außerdem zahlreiche Agenturen in Haltestellennähe öffnen, in denen alle Fahrscheinsorten gekauft werden können.

Egbert A. Hoffmann