Jugendliche aus ganz Norddeutschland reisen nach Bremen zu der irischen Billigmodekette.

Hamburg. Jede Generation hat ihre Sehnsuchts-Orte. Waren Ziele wie H&M in Hamburg oder der Riesen-Secondhand-Laden Nonos Minimoney in Bad Oldesloe begehrte Shopping-Ziele in den 90ern, orientiert sich der juvenile Geschmack heutzutage an US-Marken wie Hollister oder Abercrombie & Fitch – die aber praktischerweise vor der Hautür liegen. Letzter Schrei: ein Shopping-Trip zur irischen Modekette Primark nach Bremen. Im Mai 2009 eröffnete Primark seine erste deutsche Filiale in Bremen und ist seitdem beliebter Anlaufpunkt für Trend-Shopper aus ganz Norddeutschland. Nur in Gelsenkirchen und Frankfurt gibt es weitere Deutschland-Filialen. Vor allem Hamburger Schüler pilgern in ihren Ferien mit dem Metronom an die Weser – ein Besuch hat bei den Jugendlichen inzwischen Kultstatus erreicht.

Nicht Qualität oder ein besonderer Stil zeichnet die Klamotten aus. Entscheidender Vorteil der irischen Modekette: Primark bietet die neuesten Trends zu absoluten Schnäppchenpreisen. „Preise wie bei Kik, Qualität wie bei H&M“ schreibt die Userin „Nyasuu“ auf der Internetplattform Ciao. Userin „Chnin“ nennt die riesigen Filialen „ein Shoppingparadies für den kleinen Geldbeutel“. Im „Mädchen“-Forum schreibt „Vampir-girl“ „Wenn Primark nach Hamburg kommen würde, hätte ich ein Problem: Ich wäre sofort pleite!“ Ringe für einen Euro, Sneakers für drei Euro und XXL-Taschen für neun Euro stürzen fast alle in einen wahren Shopping-Rausch. Anscheinend ist ein Kleiderschrank voller günstiger Mode erstrebenswerter als zwei oder drei teure Designerteile. Um die Produktionsbedingungen, die meist mit solch extrem günstigen Preisen einhergehen, macht sich wohl kaum einer Gedanken - wobei Primark auf seiner Website verlauten lässt sich um faire Arbeitsbedingungen zu bemühen.

In dem Geschäft sind die meisten von ihnen jedoch erst einmal völlig überfordert. Eine gigantische Auswahl an lässiger Streetwear, aktuellen Trends und coolen Basics eröffnet sich den Schnäppchenjägern auf 5500 Quadratmetern und fordert Entscheidungen: Sollen sie erst einmal die neuesten Trends begutachten, sich ins muntere Schuhgetümmel werfen oder doch zuerst das riesige Angebot an Accessoires durchforsten?

Strategisches Geschick ist gefordert, die Mädchen und Jungen arbeiten sich Reihe für Reihe durch das Meer von Kleiderständern. In extra große Einkaufsbeutel wird eingepackt, soviel die Hände aushalten. Anprobieren? War gestern! Ohnehin sind die Umkleiden hoffnungslos überfüllt. Und bei den niedrigen Preisen lohnt sich das Umziehen kaum.

Nach mehreren Stunden exzessiven Stöberns begeben sich die vielen Schnäppchenjäger mit überquellenden Tragetaschen geschafft aber glücklich zur Kasse. Nur noch bezahlen, dann können sie sagen: Alles meins, meins, meins. Am Ende des erfolgreichen Shoppingtrips machen sich die jungen Hanseaten voll bepackt auf in Richtung Heimat. Und spätestens im Metronom treffen sich alle Shoppingreisenden wieder, Erkennungszeichen: die riesigen weißen Tüten mit blauer Primark-Aufschrift. Stolz zeigen die Schüler sich gegenseitig ihre Ausbeute und freuen sich über die vielen Schnäppchen.

Diese dienen übrigens längst nicht mehr nur dem Eigenbedarf. Kaufen und verkaufen ist die Devise. Denn die durchschnittlich 100 Euro, die bei einem Primark-Besuch ausgegeben werden, kommen durch Weiterverkäufe via Internet locker wieder herein.

Inzwischen ist ein regelrechter Hype um die Kleidung und Accessoires entstanden. Bei Ebay ist die irische Marke heiß begehrt. Primark-Fans bezahlen hier gut und gerne das Zwei- bis Fünffache des Ladenpreises, um die beliebten Stücke zu ergattern. Aus diesem Grund gibt es sogar ganze Online-Shops, die bei Ebay Taschen, Accessoires und Schuhe der Marke „Atmosphere by Primark“ mit ordentlichem Gewinn weiterverkaufen.

Wer das Shopping-Spektakel lieber hautnah erleben will, sollte einen Profi-Tipp beherzigen: Nicht am Wochenende, sondern lieber in der Woche nach Bremen fahren, um nach Herzenslust und in jugendlicher Gesellschaft stöbern zu können.