Hamburg. Nachruf auf einen besonderen Olympiasieger. Dieter Kottysch starb in einem Hamburger Pflegeheim. Warum er ein Vorbild war.

Der Hamburger Box-Olympiasieger Dieter Kottysch ist am Sonntag im Alter von 73 Jahren gestorben. Es ist ein besonders trauriger Tod, denn sowohl Familie als auch Mitarbeiter haben dem Hamburger Pflegeheim, in dem der an Demenz erkrankte Kottysch zuletzt untergebracht war, zuvor schwere Vorwürfe gemacht. Im Hamburger Abendblatt erklärte Tochter Alexandra noch am Sonnabend, ihr Vater sei im Emilienhof in Wandsbek schwer vernachlässigt worden. Einen Tag später erlag Kottysch den Folgen einer Lungenentzündung, seine Tochter war bis zum letzten Moment bei ihm. Sie war es auch, die Kottysch einst nach seinem Olympiasieg als Erste in die Arme schloss.

Die Bilder eines überglücklichen Dieter Kottysch gehörten zu den bewegenden Momenten bei den Olympischen Spielen in München 1972. Der Hamburger sprang vor Freude in die Luft, nachdem er als erster westdeutscher Boxer nach dem Krieg eine Goldmedaille gewonnen hatte. Wenige Augenblicke nach dem Urteil hatte Kottysch seine fünfjährige Tochter an der Hand.

Nach dem Olympiasieg wurde er Technischer Zeichner

„Eine Frau hatte mich in den Ring gehoben“, sagte Alexandra Kottysch der Deutschen Presse-Agentur über die Momente nach der Urteilsverkündung, als sie im Ring der Münchner Eishalle neben dem Vater herumtobte. Mit einem knappen Punktsieg gegen den Polen Wieslaw Rudkowski feierte der Rechtsausleger den größten Erfolg seiner Karriere.

Das Gold von München war der krönende Abschluss einer 14-jährigen Amateurkarriere. Ein wahrlich langer Weg. Kottysch erzählte einst, dass er mit allen Trainingsläufen um die Außenalster eineinhalb Mal die Erde hätte umrunden können. Gespräche mit Profi-Promotern nach dem Gold-Gewinn blieben ohne Ergebnis. Deshalb übte Kottysch einen bürgerlichen Beruf als Technischer Zeichner bei den Stadtwerken Buchholz aus.

Kommentar: Kottyschs Tod sollte aufrütteln

Den Kontakt zum Boxen verlor er aber nie, wie seine Tochter erzählte. Kottysch besuchte regelmäßig das Training der Klitschko-Brüder, als diese noch für die Universum Box-Promotion in der Hansestadt boxten. Und mit Olympia-Finalgegner Rudkowski verband ihn eine tiefe Freundschaft - nicht zuletzt wegen der Herkunft. Kottysch war 1943 im oberschlesischen Gleiwitz (heute Gliwice/Polen) geboren worden. Der Deutsche brachte bei seinen regelmäßigen Verwandtschaftsbesuchen mit, was es hinter dem Eisernen Vorhang nicht gab: Schokolade, Kaffee und auch mal ein paar Teppichklopfer für Kumpel Rudkowski.

2006 wurde bei Dieter Kottysch Demenz festgestellt, vor drei Jahren musste er seine Wohnung in Buchholz verlassen. Im Pflegeheim in Hamburg kümmerten sich Tochter Alexandra und Sohn Frank gemeinsam um ihren Vater. Alexandra Kottysch weilte bis zuletzt an der Seite ihres Vaters: „Ich bin froh, dass ich seine Hand hielt, als er einschlief.“