Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Hamburg. Eigentlich sollte die Fußball-WM nicht auch noch diesen Platz beherrschen. Eigentlich. Jetzt kommt das Aber: Dieser Steilpass der Franzosen muss einfach verwertet werden. Was ist passiert? Der französische Stürmerstar Nicolas Anelka soll den Nationaltrainer Raymond Domenech in der Halbzeitpause des Spiels gegen Mexiko mit obszönen Worten beleidigt haben. Der Verband schickte Anelka vorzeitig nach Hause. Daraufhin boykottierten die Spieler ein Training. Trainer Domenech las die Solidaritätserklärung seiner untreuen Mannschaft öffentlich vor und sortierte den Kapitän und Rebellenführer Patrice Evra aus.

Ein Stück aus dem gallischen Tollhaus. Aber ein Lehrstück. Denn diese Posse zeigt, dass eine Truppe begnadeter Fachleute noch lange kein erfolgreiches Team ist. Die einst so glorreiche Équipe Tricolore, eine Gruppe von hochbezahlten, durchtrainierten und international tätigen Vollprofis, benimmt sich wie ein Haufen Spätpubertierender, verweigert Arbeit und Gehorsam.

Doch versagt hat vor allem einer: der Chef, Trainer Domenech. Er ist die Führungskraft. Ihm haben die Spieler ihre Loyalität aufgekündigt. Gegen seinen Führungsstil und seine Fachkompetenz rebellierten Anelka & Co. Übrigens hat Englands Verteidiger John Terry auch öffentlich Änderungen im Team gefordert. Doch der englische Coach Fabio Capello stutzte seinen Spieler erfolgreich zurecht - und Terry bekam keine Unterstützung aus dem Kollegenkreis. Er entschuldigte sich öffentlich und darf weiter mitmachen. Was sagt uns das?

Erstens: Uneinigkeit ist der Hauptgrund für Tatenlosigkeit, Unruhe und Misserfolg. Es wird auch in Betrieben zu viel schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen. Dagegen helfen nur klare Entscheidungen, Regeln und Kommunikation.

Zweitens: Führende haben Folgende. Als Führungskraft kann ich nur erfolgreich sein, wenn Menschen mir freiwillig folgen. Formalhierarchisch der Chef zu sein, reicht nicht. Für eine Führungskraft sind Vertrauen, Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Respekt unerlässlich. Wem das abgeht, der gehört als Chef auf die Tribüne, aber nicht ans oder aufs Spielfeld.