Ein Kommentar von Sonja Sturm

Hamburg. Einen "Coachee" wolle der Sender begleiten, sagte der TV-Redakteur. Jemanden also, der einen Coaching-Prozess durchläuft. Und weil es in der Dokumentation um "gesellschaftlichen Druck" gehe, solle der Coachee kurz vor einem Burn-out stehen. Er sollte extrem viel Sport treiben, um seinen ebenso extremen Stresspegel auszugleichen. Und natürlich sollte er sich mit Coaching über Wasser halten.

Schöne Idee. Doch aus dem Projekt wurde nichts. Denn den Typ Coachee, den der Sender suchte, gibt es nicht. Ein seriöser Coach unterstützt keinen Menschen, der das Ziel "Leistung um jeden Preis" verfolgt. Das ist wie Beihilfe zum Herzinfarkt.

Woher rührt eigentlich dieser Irrglaube, mit einem Coaching könnten sich Menschen tunen, wie man einen Motor tunt? Möglicherweise liegt es am Begriff "Coach" (= Trainer) selbst. Ein Trainer - insbesondere im Bereich der sportlichen Wettkämpfe - soll schließlich dafür sorgen, dass der betreute Athlet Höchstleistungen bringt und seine Performance von Wettkampf zu Wettkampf steigert.

Doch genau darum geht es beim Coaching für den Beruf nicht. Der Sinn ist, wieder an die inneren Ressourcen und Werte heranzukommen. Manchmal sind sie verschüttet - entweder durch ein Leben auf der Überholspur, das keinen Raum für die innere Stimme lässt, oder durch Selbstzweifel und Versagensängste. Ein Burn-out-Kandidat, der weitermachen will wie bisher, ist (noch) nicht an dem Punkt, an dem Coaching für ihn interessant sein könnte

Im Fall eines Workaholics wäre etwa die Frage interessant: Was steckt hinter der Arbeitswut? Meist sind es Glaubenssätze wie etwa: "Man muss pausenlos arbeiten für sein Geld." Und da unser Gehirn nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheidet, erscheint uns die Welt genau so, wie wir denken, dass sie ist. Sehen wir sie schwarz-weiß, ist sie schwarz-weiß. Höchste Zeit also für ein bisschen Perspektivwechsel. Ist das Glas halb leer oder halb voll? Falsche Frage! Fragen Sie sich lieber: Wo sind eigentlich die anderen Gläser?

Im Internet: www.sonjasturm.de