Hamburg. Trennt sich ein Unternehmen vom Mitarbeiter und unterzeichnet einen Aufhebungsvertrag, findet man darin in der Regel eine solche Formulierung: "Das Unternehmen verpflichtet sich, ein qualifiziertes Zeugnis zu erstellen." Aber auch da, wo es nicht vertraglich festgehalten worden ist, werden Zeugnisse wohlwollend formuliert. Oft sogar vom ausscheidenden Mitarbeiter selbst. In emotional aufgeladenen Situationen - und dazu gehört eine Trennung zweifellos - kann viel Druck rausgenommen werden, wenn die Leistung des Mitarbeiters noch einmal wertschätzend beschrieben wird.

So erleidet das Arbeitszeugnis dasselbe Schicksal, wie viele Beurteilungssysteme in Unternehmen. Nach einigen Jahren gibt es nur noch gute bis sehr gute Mitarbeiter.

Wie wertvoll ist ein Arbeitszeugnis also heute noch? Welche Aussagekraft hat es? Ich frage mich regelmäßig, ob sich mein zeitliches Investment in das Lesen eines Zeugnisses lohnt. Wer hat es geschrieben? Unter welchen Rahmenbedingungen? Kann ich ihm wirklich glauben?

Also rufe ich lieber den Unterzeichner des Arbeitszeugnisses an und frage, ob er auch noch ergänzende Informationen hat. Oder ich bemühe das Internet. Oder ich hole Referenzen ein. Dem Arbeitszeugnis jedenfalls glaube ich nicht mehr. Im Ausland ist man da weiter, verzichtet schon lange auf lobhudelnde Formulierungen und schreibt ein kurzes "To whom it may concern", verbunden mit dem Angebot, jederzeit eine persönliche Referenz zu geben. In Deutschland ist dies eigentlich auch schon gelebte Praxis - allerdings zurzeit noch beschränkt auf die Positionen gehobener Hierarchieebenen.

Ein Arbeitszeugnis gehört in Deutschland immer noch zum guten Ton. Aber ob es wirklich noch als adäquates Beurteilungsinstrument herangezogen werden kann, ist fraglich. Für mich zumindest. Ich empfehle daher jedem Manager, statt an einem wohlwollend klingenden Arbeitszeugnis lieber an seinen Referenzen und an seiner Reputation zu arbeiten. www.daskarrieresystem.de