Hamburg. Tarifverhandlungen stehen auf dem Spielplan. Bühne frei für das publikumswirksame Ringen um höhere Löhne! Das Schauspiel folgt einer festgelegten Dramaturgie: Die eine Partei inszeniert sich als moralische Instanz zur einzig wahren Vertretung der Mitarbeiterinteressen. Der anderen Seite bleibt oft nur die Rolle des sachlichen Mahners, der fordert, den Bogen nicht zu überspannen. Am Ende steht ein mehr oder weniger vernünftiger Kompromiss.

Beim ritualisierten Dialog zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite geht es meist um die "harten Fakten" wie Gehalt oder Arbeitszeit. Nur: Gibt es denn keine Alternative zum periodisch wiederkehrenden Schauspiel des Feilschens um Prozente und Arbeitszeit? Ich denke ja, denn bereits jetzt haben qualitative Bereiche der Tarifpolitik immer mehr Gewicht gewonnen. Das zeigt beispielsweise eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2006. Als wichtige Punkte herausgestellt werden dort Umfang und Effektivität von Fort- und Weiterbildung, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Umgang mit alternden Belegschaften und betriebliche Altersvorsorge. Allesamt anscheinend weiche Faktoren, die meiner Ansicht nach die tatsächlich harten Fakten sind.

Mir geht es mitnichten darum, Tarifabschlüsse generell infrage zu stellen. Aber nur alle zwölf Monate auf Prozente zu schauen, kann auch nicht alles sein. In Krisen- und Umbauzeiten muss dem Unternehmen auch im ureigensten Interesse der Mitarbeiter die nötige Luft zum Atmen bleiben. Die Genesung des Unternehmens darf dann nicht durch starres Festhalten an zu hohen, Kostentreibenden Lohnforderungen gefährdet werden, zumal wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern. Daher sage ich ganz deutlich: Sozial ist - auch in Tarifverhandlungen - was jenseits der Prozente Arbeitsplätze sichert, der jungen Generation Bildungschancen eröffnet, Teilhabe an der Entwicklung des Unternehmens ermöglicht und Freiräume bietet, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Darüber sollten die Tarifparteien sich intensiver austauschen.

Thomas Sattelberger (60) ist seit 2007 Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom.