Diskutieren, sich präsentieren, dabei “echt“ sein - darum geht es in dieser Prüfungssituation.

Ihnen ist eine Einladung zum Assessment-Center (AC) ins Haus geflattert? Vielen, gerade jüngeren Bewerbern rutscht da erst mal das Herz in die Hose. Da muss man sich ja gegen andere durchsetzen, Ellenbogen zeigen, der Beste sein ... Beate Stattkus-Fortange, Hamburger Beraterin für Change Management und Dozentin für Karrierethemen, gibt Entwarnung: "Ein AC ist kein Folterinstrument." Für beide Seiten gehe es darum, herauszufinden, ob man zueinander passt. Und das funktioniere eben besser, wenn man sich in verschiedenen Situationen und nicht nur in ein oder zwei Interviews kennenlernt, meint die Beraterin.

Assessment-Center werden heute bei vielen Bewerbergruppen eingesetzt. Manager werden ebenso zum AC gebeten wie Hochschulabsolventen und Auszubildende - manchmal sogar Bewerber für gewerbliche Berufe. "Allerdings sind die ACs vom Umfang her nicht vergleichbar", erklärt Beate Stattkus-Fortange. "Bei Azubis bestehen sie vielleicht aus einem Diktat und einer Gruppendiskussion. Wenn es bei Managern in einem internen AC darum geht, wer befördert wird, kann das Verfahren bis zu drei Tage dauern." In der Regel sind ACs ab sechs Teilnehmern sinnvoll. Nach oben ist die Zahl der Kandidaten offen. Wenn nötig, werden die Gruppen geteilt. Permanent anwesend sind währenddessen Beobachter. Das Unternehmen legt vorher fest, zu welchen Kriterien sie sich Notizen machen sollen - zum Beispiel Durchsetzungskraft, integrative Fähigkeiten, gute Argumentation, Sozialkompetenz.

"Ein AC besteht aus mehreren Modulen", erklärt Annkathrin Karlovic, Coach für Karrierethemen und eCommerce aus Hamburg. Zunächst sind da Übungen, die jeder Teilnehmer alleine bewältigen muss. "Das sind oft Paper-and-Pencil-Tests, die unter Zeitdruck durchgeführt werden", sagt die Trainerin. Zum Beispiel: "Schreiben Sie so viele Begriffe wie möglich auf, die mit A beginnen und auf N enden." Oder die Bewerber werden aufgefordert, Zahlenreihen fortzuführen. "Solche Aufgaben kann man gut vorher üben", sagt Annkathrin Karlovic. "Es gibt zahlreiche Bücher, in denen man Beispiele findet."

Auch die Postkorb-Übung müssen viele Bewerber bewältigen, "gerade der Managementnachwuchs", wie Beate Stattkus-Fortange weiß. Beim Postkorb geht es darum, eine Fülle von Aufgaben nach Relevanz zu sortieren, darunter zum Beispiel die Behandlung eines schmerzenden Zahns, Rückrufe bei Kunden und eine informelle Bitte des Chefs.

Außerdem stehen Gruppendiskussionen auf dem Programm. Die Inhalte reichen vom Fachgespräch bis zur Debatte über das beste Verhalten in Gefahrensituationen. "Das Thema ist auf Konflikt angelegt", hebt Trainerin Karlovic hervor. "Es hat sich bewährt, wenn man sich vom eigenen Standpunkt in der Diskussion löst, und die Moderation übernimmt", so ihre Erfahrung. "Denn natürlich soll man sich als Kandidat durchsetzen - aber man muss auch integrativ sein."

Auch Rollenspiele sind beliebte Elemente des ACs. "Gern genommen wird die Situation: Wer soll den neuen Dienstwagen bekommen?", erklärt Karlovic. "Oder es muss ein Mitarbeitergespräch simuliert werden." Geprüft wird dabei oft, wie eloquent und diplomatisch die Kandidaten sind. Auch Präsentationen gehören zum AC. "Man muss dabei meist sich selbst oder das Ergebnis einer kleinen Aufgabe vorstellen", sagt Karriereberaterin Stattkus-Fortange. Zum Beispiel die Lösung einer interaktiven Aufgabe, die man gemeinsam mit einem Team erarbeitet hat. Und nicht zuletzt gehört in der Regel auch ein klassisches Jobinterview in den Ablauf eines ACs.

"Man sollte selbstbewusst und locker in einen AC reingehen", rät Stattkus-Fortange. "Es hilft, sich klarzumachen, dass die Ausgangssituation doch toll ist: Ihr Profil gefällt dem Unternehmen, sonst hätte es Sie nicht eingeladen!" Viele glauben, sie müssten jetzt schauspielern, sich forsch oder widerspruchsfreudig geben. "Aber man weiß ja gar nicht, welche Rolle gefordert ist", gibt Stattkus-Fortange zu bedenken. Vielleicht geht es gerade darum, alle einvernehmlich ins Boot zu holen, während der Bewerber versucht, mit Ellenbogen zu punkten. Darum rät sie dazu, man selbst zu bleiben. "Stellen Sie sich vor, Sie schauspielern und bekommen den Job - Sie müssten jeden Tag Ihres Arbeitslebens wieder in diese Rolle hineinschlüpfen." Wenn man sich im AC verbiegen muss, um beim Unternehmen gut anzukommen, dann passt man einfach nicht in die Firma, betont auch Beraterin Karlovic.

Letzter Tipp: "Treten Sie angemessen auf", sagt Beate Stattkus-Fortange. "Lassen Sie Ihre Gesprächspartner ausreden, geben Sie auch anderen Bewerbern Raum, äußern Sie sich nicht schlecht über andere." Auch nicht beim Smalltalk in der Pause. "Wann immer ein Beobachter in der Nähe ist, ist das eine Prüfungssituation", sagt Annkathrin Karlovic. "Selbst am letzten Abend, wenn zum Rotwein an die Hotelbar geladen wird."

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