Erinnern Sie sich noch an Ihren Geschichtsunterricht? An die Landkarten der Fürstentümer im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation? Das war immer ein schöner bunter Flickenteppich.

Lauter kleine und große Provinzfürsten, unklare Verflechtungen und regionale Ansprüche. Für mich ist das ein schönes Symbol der Bildungspolitik hierzulande.

Im Zuständigkeitsdschungel der politisch taktierenden Gremienbürokratie versumpft die Ausbildung der Generation Zukunft. Unterrichtsausfall, Lehrerstreik, marode Schulgebäude. Haupt- und Realschulen sind Auslaufmodelle. Gymnasiasten werden quasi im Crashverfahren zum Abitur gedrillt. 2010 rollt ein doppelter Abi-Jahrgang auf uns zu. Studiengebühren - ja, nein, jein oder doch vielleicht? Chaos bei der Zulassung von Studenten. Bachelor statt Diplom.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Unser Bildungssystem ist ein Flickenteppich. Alle Versuche, dieses monströse Geflecht zu reformieren, scheitern letztlich an der politischen Kurzlebigkeit der Verantwortlichen. Im Grunde genommen soll ein System verändert werden, das für das industrielle Zeitalter entworfen wurde. Doch wir leben heute in einer Welt, in der individuelle Initiative und Kreativität immer wichtiger werden.

Wer sich die Anforderungen an die heutigen Schüler und Studenten ansieht, darf berechtigte Zweifel daran hegen, dass die Reformer wirklich kreatives Lernen im Sinn haben. Weniger Schuljahre und verschulte Studiengänge - das führt lediglich zu mehr vom selben: mehr Tests, mehr Standards, mehr Einförmigkeit, mehr Konformität, mehr Bürokratie. Ein solches Bildungssystem ist eine Verschwörung zur Unterdrückung jugendlicher Kreativität.

So wird auch klar, warum die Wirtschaft das Turbo-Abi und die schnellen Bachelor-Abschlüsse befürwortet: Die jungen Menschen sollen möglichst schnell raus aus den Mühlen zweitklassiger Bildungsanstalten - und im Betrieb nachgeschult und passgenau geformt werden. Leider haben viele dann bereits die Liebe zum Lernen und den Spaß an kreativem Denken verlernt.