Berlin. Verhältnismäßig wenig Aufsichtsbeamte prüfen die Firmen. Die Gewerkschaft IG BAU spricht von einem „eklatanten Überwachungsdefizit“.

Fehlende Schutzkleidung, unsichere Gerüste oder Arbeitszeiten, die über dem Erlaubten liegen: Immer wieder gibt es schwarze Schafe in den Firmen, die sich nicht um den Arbeitsschutz ihrer Beschäftigten scheren. Um Missbrauch zu verhindern, prüfen neben den Berufsgenossenschaften bundesweit 1.468 Aufsichtsbeamte die Betriebe. So geht es aus dem Arbeitsschutzbericht der Bundesregierung hervor, der jüngst dem Bundestag vorgelegt wurde. Und der bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) für Stirnrunzeln sorgt.

Rein rechnerisch sei ein Kontrolleur für 23.085 Beschäftigte zuständig, heißt es aus der Gewerkschaft. Dabei seien die Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (Ilo) der Vereinten Nationen und auch die Empfehlung der Europäischen Union (EU) eindeutig: Maximal 10.000 Beschäftigte sollten demnach auf einen Kontrolleur kommen.

Arbeitsschutz: IG BAU fordert neue Behörde

„Wir haben beim staatlichen Arbeitsschutz in den Bundesländern seit Jahren ein eklatantes Überwachungsdefizit, das sich jetzt noch einmal verschärft hat“, sagte Carsten Burckhardt, zuständig für den Arbeitsschutz im IG BAU-Bundesvorstand, unserer Redaktion. Mit teils fatalen Folgen. So liegen etwa auf dem Bau die Todeszahlen auf erschreckend hohem Niveau. 2020 starben 97 Bauarbeiter bei der Arbeit, ein Jahr später 85. Im vergangenen Jahr waren es in den ersten acht Monaten 56 Tote.

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Natürlich ist nicht jeder Todesfall auf ein Versagen beim Arbeitsschutz zurückzuführen. Trotzdem würden die Zahlen zeigen, wie wichtig der Arbeitsschutz und die Kontrollen der Sicherheitsbestimmungen sind, sagte Burckhardt. Wenn die Bundesländer überfordert seien, müsste nun der Bund handeln, findet der Gewerkschafter und spricht sich für die Einrichtung einer übergeordneten Behörde aus, die die Kontrollen bündelt: „Sie muss die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und Sozialvorschriften sicherstellen. Dazu gehört dann auch die Kontrolle des Arbeitsschutzes. Auch Verstöße gegen die Mindestlöhne oder das Arbeitszeitgesetz muss sie verfolgen.“

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Ein solches Modell gibt es beispielsweise bereits in Frankreich und Spanien. Würde die Arbeitsinspektion Hinweise erhalten, müsse dies zu Ermittlungen gegen die Firmen führen, forderte Burckhardt. Es brauche einen höheren Kontrolldruck für die Betriebe, die es mit der Arbeitssicherheit nicht sonderlich ernst nehmen würden.