Berlin. Jeder dritte Deutsche fürchtet, im Alter neben der Rente auf Grundsicherung angewiesen zu sein. Tatsächlich dürfte es weniger treffen.

Die Furcht vor Altersarmut ist weit verbreitet. Das Rentenniveau sinkt, die Preise steigen. Da bleibt manchem Rentner nur der Gang zum Sozialamt, um die Grundsicherung zu beantragen. 416 Euro müssen ihnen dann monatlich für den Lebensunterhalt reichen. Dazu kommen Geld fürs Wohnen und notwendige individuelle Ausgaben wie für eine medizinisch gebotene besondere Ernährung.

Und die Furcht, mit wenig Geld auskommen zu müssen, ist in Deutschland weit verbreitet. „38 Prozent der Befragten einer Studie rechnen damit, im Alter auf die Grundsicherung angewiesen zu sein“, sagt der Volkswirt Bruno Kaltenborn. Doch diese Angst entspricht offenbar nicht der Realität.

Anteil der Altersarmen noch vergleichsweise gering

Der Wirtschaftsforscher hat im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die tatsächliche Lage und die weitere Entwicklung bis 2030 untersucht. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass zwischen Erwartungshaltung und realer Entwicklung eine gewaltige Lücke klafft.

Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung hat sich seit ihrer Einführung im Jahr 2003 von 258.000 auf 526.000 zwar mehr als verdoppelt. Doch der Anteil der Altersarmen an der Gesamtbevölkerung ist mit 3,1 Prozent weiterhin gering. Zum Vergleich: 2017 waren 15 Prozent aller Kinder von Armut betroffen, unter Erwerbsfähigen waren es acht Prozent.

Risiko der Altersarmut steigt mit jedem Jahrgang an

Was haben künftige Rentner zu erwarten? Bislang ist Altersarmut vor allem ein Problem von Frauen, insbesondere von Alleinerziehenden. Sie arbeiten häufig in Teilzeit und können so wenig in die Rentenkasse einzahlen. Doch die Entwicklung unter den Geschlechtern gleicht sich zunehmend an.

Spätestens im nächsten Jahrzehnt werden mehrheitlich Männer auf die Grundsicherung angewiesen sein, berichtet Kaltenborn. Zudem steigt das Risiko der Altersarmut seit dem Geburtsjahr 1945 mit jedem Jahrgang leicht, aber kontinuierlich an.

Für die Entwicklung bis 2030 rechnet Kaltenborn im ungünstigeren Fall, dass sich Altersarmut wie in den vergangenen 15 Jahren ansteigt. Ende des nächsten Jahrzehnts wären dann eine Million Rentner auf Grundsicherung angewiesen, sechs Prozent der Männer und 4,4 Prozent der Frauen.

Forscher: „Kein Tsunami bei der Altersarmut“

Bei einer konstanten Entwicklung der ins Rentenalter kommenden Jahrgänge wären 835.000 Ruheständler aufs Sozialamt angewiesen. „Es gibt keinen Tsunami bei der Altersarmut“, sagt der Forscher. Eine Schwäche hat die Aussage aber: Sie orientiert sich an wissenschaftlichen Armutsdefinitionen, nicht an dem, was Menschen in einer reichen Gesellschaft als arm empfinden.

„Wir wollen nichts verharmlosen“, sagt Brigitte Loose, die das Forschungsnetzwerk Alterssicherung bei der Rentenkasse leitet. Vielmehr wolle man durch Fakten einem Vertrauensverlust in das Rentensystem entgegenwirken. Die Expertin sieht sogar Anzeichen für eine günstigere Entwicklung. Denn die Politik versuche Altersarmut zu vermeiden. Die Mütterrente oder eine bessere Erwerbsminderungsrente sorgen dafür, dass weniger Rentner auf Sozialtransfers angewiesen sind.

Rentenversicherung sieht Probleme bei der Grundrente

Ein weiterer Ansatz ist die von der großen Koalition geplante Grundrente. Wer 35 Berufsjahre vorweisen kann, oder Teile dieser Zeitspanne mit Erziehung oder Pflege zubrachte, soll ein um zehn Prozent erhöhtes Ruhegeld erhalten, wenn er oder sie sonst nur Grundsicherung erhalten würden. Die Rentenversicherung sieht dabei jedoch Probleme.

Sie will vermeiden, dass diese zusätzliche finanzielle Last auf die Beitragszahler abgewälzt wird. Der DRV-Forschungschef, Reinhold Thiede, plädiert vielmehr dafür, Freibeträge auf private Renten oder Betriebsrenten zu gewähren. Dadurch könnten die Einkünfte der Rentner schnell über die Grundsicherung steigen.