Platzt die Blase am Immobilienmarkt, droht ein Wirtschaftsabschwung. Die USA fordern von China eine Währungsaufwertung des Yuan.

Hamburg. Gemessen an deutschen Maßstäben sind die sozialen Kontraste in China extrem hart: Während Millionen von Wanderarbeitern in Schlafsälen auf den Fabrikgeländen leben und für den Großteil der Menschen ein eigenes Auto noch lange Zeit ein unerfüllbarer Traum bleiben wird, zeigt sich nur wenige Kilometer entfernt ein völlig anderes Bild: Für Luxusapartments von 120 Quadratmetern, hoch über den Ufern des Huangpu-Flusses, werden umgerechnet 500.000 Euro und mehr verlangt - und bezahlt.

Marktkennern zufolge liegen die Immobilienpreise in der chinesischen Metropole nach drastischen Anstiegen in den vergangenen Jahren inzwischen um 50 Prozent über denen in Dubai - und ebenso wie dort im Oktober 2008 werde ein steiler Absturz die Folge sein. So meint etwa Kenneth Rogoff, der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, das Preisniveau in Peking und Shanghai habe sich von realistischen Größenordnungen entfernt. Sollte diese Blase platzen, könne Chinas Wirtschaftswachstum irgendwann in den nächsten Jahren auf nur noch zwei Prozent zurückfallen. Sorgen macht sich auch Klaus Kaldemorgen, Chef der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS. "Das größte Risiko, das über den Weltfinanzmärkten schwebt, ist ein Rückschlag in China", sagte Kaldemorgen dem Magazin "Capital". Ein China-Crash aber sei für die Weltwirtschaft viel gefährlicher als ein US-Crash. Ein Risiko sei vor allem der Immobilienmarkt: "Die Chinesen kaufen mehr Immobilien, als sie für den persönlichen Bedarf benötigen - sie spekulieren."

Tatsächlich hängt auch für Deutschland vieles davon ab, dass Chinas Wirtschaft das gewohnte Wachstumstempo von rund zehn Prozent beibehält. "Die Fallhöhe dort ist extrem", sagt Bernd Schimmer, Leiter der Wertpapieranalyse bei der Haspa, dem Abendblatt. Denn das asiatische Riesenreich hat sich in die globale Spitzengruppe hochgearbeitet: China hat Anfang 2009 Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt abgelöst und im August 2010 auch noch Japan, bis dahin die Nummer zwei, überholt.

In Chinas Metropolen werden mehr Wohnungen gebaut als gebraucht

Somit bietet der Aufstieg der Volksrepublik eine neue Chance für die Weltwirtschaft, aber er bringt auch neue Gefahren - so wie die befürchtete Immobilienpreisblase. "Es kann und es wird Rückschläge geben", sagt Rolf Drees, Kapitalmarktspezialist bei der WGZ Bank. Das Risiko einer Abwärtskorrektur habe sich erhöht, heißt es auch in einer Studie der Deutschen Bank. Einer der Gründe dafür: Zumindest in einigen Regionen wird zu viel gebaut. So wurden in Chongqing und Shanghai im Zeitraum von 2000 bis 2009 zwei Millionen Wohnimmobilien mehr fertiggestellt, als neue Haushalte gegründet wurden. "Es gibt in Städten wie Shanghai eine Entkopplung des Angebots von der Nachfrage und damit ein spekulatives Element", sagt Steffen Dyck, Asienexperte und einer der Autoren der Studie, dem Abendblatt.

In einigen Städten könnten Immobilien um 40 Prozent billiger werden

Schon in zwölf bis 18 Monaten könnte der Markt drehen und die Preise für Wohnungen in einigen Millionenstädten in der Folge um bis zu 40 Prozent sinken, erwarten die Analysten der japanischen Investmentbank Nomura.

Allerdings seien die Auswirkungen eines Immobilienpreisrutsches in China nicht so dramatisch für den Rest der Welt wie die US-Hypothekenkrise, meint Drees. Dafür sprechen mehrere Gründe. "Anders als in den USA gibt es kein Risiko durch Kredite mit sehr niedriger Bonität", erklärt Dyck. So werden in China beim Kauf einer Immobilie Eigenkapitalanteile von 30 Prozent und mehr verlangt, während amerikanische Banken in den Jahren vor der Krise - in Erwartung stetig weiter steigender Eigenheimpreise - ohne Bedenken Kredite von mehr als 100 Prozent des Kaufpreises vergaben.

Hinzu kommt, dass bei chinesischen Banken im Schnitt nicht mehr als ein Viertel der gesamten Darlehen auf Hypotheken entfallen. In Singapur dagegen liegt diese Kennzahl bei rund 50 Prozent. Auch dort sehen Experten Überhitzungstendenzen: Im zweiten Quartal sind die Immobilienpreise im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 38 Prozent hochgeschnellt.

In China jedoch stünden die Chance gut, dass ein Marktrückschlag nicht auf das weltweite Finanzsystem übergreife, sagt Dyck: "Bei den dortigen Banken wird das Volumen der Not leidenden Kredite steigen. Aber China verfügt über die nötigen Mittel, um dies aufzufangen. Ein staatlicher Rettungsschirm stünde bereit."

Chinas Regierungschef sieht Gefahren für die Stabilität der Gesellschaft

Zudem ist die Regierung entschlossen gegenzusteuern. Denn explodierende Immobilienpreise seien nicht nur eine Gefahr für die Wirtschaft, sondern auch für die Stabilität der Gesellschaft, warnte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao. So muss in Peking ein Durchschnittshaushalt inzwischen das Einkommen von 17 Jahren für den Kauf einer 100-Quadratmeter-Wohnung ausgeben. Aus diesem Grund sollen nun Millionen von günstigeren Sozialwohnungen gebaut werden.

In einem anderen Punkt, der ebenfalls als Risiko für die Weltwirtschaft gesehen wird, bleibt Wen Jiabao allerdings hart: Anders als von US-Präsident Barack Obama gefordert, will China seine Währung, den Yuan, nicht kräftig aufwerten, sondern nur in Trippelschritten. Ein stärkerer Yuan würde der Exportwirtschaft schaden, und auch dies berge die Gefahr sozialer Unruhen.