Der TUI-Konzern will sich früher aus Deutschlands größter Reederei zurückziehen. Das droht jedoch ein schwieriger Weg zu werden.

Hamburg. Als die Aufsichtsräte des TUI-Konzerns 2009 zu ihrer jährlichen Strategiesitzung zusammenkamen, stand es schlecht um Deutschlands führende Reederei Hapag-Lloyd . Die Existenz der Hamburger TUI-Beteiligung hing am seidenen Faden. Nur dank einer 900 Millionen Euro starken Kapitalerhöhung, drastischer Rationalisierung sowie staatlicher Bürgschaften überlebte das Schifffahrtsunternehmen die Weltwirtschaftskrise. Den größten Anteil zum frischen Eigenkapital stellte TUI bereit, mit 43 Prozent der größte Anteilseigner bei Hapag-Lloyd .

Bis spätestens Anfang 2012 will TUI seine Hapag-Lloyd-Anteile verkaufen

Am Mittwoch und Donnerstag kommender Woche treffen sich die 20 TUI-Kontrolleure erneut - wie immer außerhalb Deutschlands - zu einem Weitblick über die Entwicklung des Konzerns. Dabei wird es auch um Hapag-Lloyd gehen. "Es gibt den Auftrag des Aufsichtsrats an das Management, dass sich TUI von der Schifffahrt trennen und um die Weiterentwicklung des Touristikgeschäfts kümmern soll", sagte ein Konzernsprecher dem Abendblatt. Spätestens bis Anfang 2012, so das Ziel des TUI-Vorstands um Michael Frenzel, will man aus der Containerschifffahrt aussteigen und sich komplett auf den Reisemarkt konzentrieren.

Für den Verkauf der Hapag-Lloyd-Anteile gibt es bislang keinen Termin. Und der Weg dahin droht kompliziert zu werden, denn im Kreis der Eigentümer treffen konträre Interessen und Lagen aufeinander. Bevor TUI gemäß dem Willen von Vorstand und Aufsichtsrat ein reiner Touristikkonzern werden kann, müssen die Anteile an der Hamburger Reederei verkauft werden. "Der Schlüssel zur Weiterentwicklung der Touristik liegt bei der Veräußerung von Hapag-Lloyd. Das zurzeit noch bei Hapag-Lloyd investierte Kapital kann verwendet werden, um die Touristik auszubauen", sagte Frenzel.

Überraschend schnell hat Hapag-Lloyd die Trendwende geschafft. Verluste im dreistelligen Millionenbereich im Jahr 2009 drehte die Reederei binnen Jahresfrist in einen dreistelligen Millionengewinn im zweiten Quartal 2010. Innerhalb eines Jahres hat sich das fünftgrößte Linienunternehmen der Containerschifffahrt von einem schweren Sanierungsfall zum wichtigsten Gewinnbringer bei TUI gewandelt. Das steigert den Wert des Schifffahrtsunternehmens und kommt TUI bei dem Ziel entgegen, für seinen Anteil einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Genau diese Entwicklung aber macht es für die übrigen Anteilseigner, gebündelt im Hamburger Konsortium Albert Ballin, erheblich schwieriger, ihre Anteile wie geplant aufzustocken.

Bereits Ende 2008 war Geldmangel die Ursache dafür, dass Hapag-Lloyd heute einem komplizierten Kreis von Eignern gehört. Schon damals wollte TUI komplett aus der Containerschifffahrt aussteigen. Dem Hamburger Konsortium um die städtische Beteiligungsgesellschaft und den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne fehlten aber angesichts der Weltwirtschaftskrise die Mittel für eine vollständige Übernahme von Hapag-Lloyd. Das Konsortium Albert Ballin, zu dem auch die Banken M.M.Warburg und HSH Nordbank sowie die Versicherungen Signal Iduna und HanseMerkur zählen, musste sich mit 57 Prozent der Anteile begnügen.

Die Interessenlagen im Konsortium Albert Ballin driften auseinander

Das gemeinsame Interesse von Kühne und der Stadt Hamburg geht nach Abendblatt-Informationen nun dahin, "möglichst viele Hapag-Lloyd-Anteile von TUI zu übernehmen", wie es heißt. Hamburgs Kassen aber sind leer, und die beiden Banken wollen ihre Anteile dem Vernehmen nach nicht aufstocken, sondern verkaufen.

Im Konsortium wird zudem ein Börsengang von Hapag-Lloyd diskutiert, bei dem 30 bis 40 Prozent der Reedereianteile an den Kapitalmarkt gebracht würden. Damit könnte Albert Ballin einen zweiten Großinvestor verhindern und das eigene Gewicht in der Reederei stärken. Dazu aber müssten die Hamburger die Anteile von TUI zunächst wohl übernehmen. Denn TUI würde bei einem strategischen Investor erfahrungsgemäß mehr erlösen als bei einer Streuung der Anteile an der Börse.

Im Konsortium Albert Ballin ist Großunternehmer Kühne der Einzige, bei dem finanzieller Spielraum für eine Aufstockung seines Anteils zu erwarten wäre. Würde aber Kühne als einer der weltweit führenden Anbieter von See- und Luftfracht seinen Anteil bei Hapag-Lloyd maßgeblich ausbauen, drohte der Reederei die Abwanderung von Kühne-Konkurrenten. Denn die könnten sich der Neutralität von Hapag-Lloyd im Wettbewerb nicht mehr sicher sein.

Für TUI entwickeln sich in dieser Lage neue Alternativen. Nach der schweren Krise macht die Schifffahrt wieder gute Gewinne, der Welthandel wächst. Das ruft erneut auch Finanzinvestoren auf den Plan, die lukrative Beteiligungen in der Reedereibranche suchen. Ende Juli stieg die US-Kapitalgesellschaft Oaktree bei der Bremer Beluga Shipping ein und kaufte ein Viertel von deren 69 Schiffe umfassender Flotte - für einen dreistelligen Millionenbetrag. Das hätte sich noch vor einem Jahr wohl kein Reeder träumen lassen.