Der Touristikkonzern TUI hält den Börsengang seiner Anteile an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd noch in diesem Frühjahr für möglich.

Hamburg/Hannover. TUI-Chef Michael Frenzel kennt das schon. Den Vorwurf, er habe für den Konzern in seiner Amtszeit keinen Wert geschaffen, erheben Vertreter der Aktionäre bei den Hauptversammlungen Jahr für Jahr. So war es auch gestern im Congress Centrum Hannover. "Es ist uns ein Rätsel, wie sich eine Führungskraft mit dieser schlechten Leistung so lange auf dem Chefsessel eines international aufgestellten Konzerns festsetzen konnte", sagte der Fondsmanager Ingo Speich von der Investmentgesellschaft Union Investment, die 0,6 Prozent der TUI-Anteile hält. Frenzels Vertrag dürfe nicht über das Frühjahr 2012 hinaus verlängert werden, forderte Speich.

In dieselbe Kerbe haute Tor Olav Troim, der Vertreter des zweitgrößten TUI-Aktionärs John Fredriksen. Frenzels Ausscheiden sei "zwingende Voraussetzung für echten und nachhaltigen Wandel in der Entwicklung der TUI", sagte Troim unter dem Applaus von rund 2000 Aktionären. Der Großreeder Fredriksen hält 15 Prozent der TUI-Anteile und hatte sich mit Frenzel einen jahrelangen Machtkampf geliefert, der inzwischen als beendet gilt.

Ob Frenzel den Touristikkonzern über 2012 hinaus führen wird, blieb gestern offen. Klar ist aber, dass TUI, der frühere Mischkonzern Preussag, seit Frenzels Antritt an der Konzernspitze 1994 eine Dauerbaustelle ist. Und die wohl größte Baumaßnahme, die Frenzel 2011 zu erledigen hat, ist die weitgehende oder komplette Trennung von der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd.

Schon 2008 wollte TUI die Reederei als damaliger Alleineigner komplett verkaufen, blieb wegen der aufkommenden Weltwirtschaftskrise aber beteiligt. Das Hamburger Konsortium Albert Ballin hält derzeit 50,2 Prozent der Anteile, 49,8 Prozent liegen bei TUI. Noch im Frühjahr könnte der Großteil davon an die Börse gehen. Alternativ prüft TUI weiterhin den Verkauf seiner Anteile an einen strategischen Investor. "Wir verfolgen derzeit beide Optionen mit hoher Intensität. Das Zeitfenster dafür ist aktuell günstig", sagte Frenzel.

Nach Informationen des Abendblatts wird der April für einen möglichen Börsengang angepeilt. Der Vorstand bestätigte das gestern nicht. Finanzvorstand Horst Baier sagte aber: "Die Idee ist, vorbereitet zu sein. Dann können wir entscheiden, wann wir den Startknopf drücken." Auch ein strategischer Investor sei "mehr als willkommen".

Die Reederei arbeite konzentriert an den Vorbereitungen für einen möglichen Börsengang, sagte Baier: "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung bei Hapag-Lloyd." Entscheidend sei, den Wert der Beteiligung zu maximieren. Daher könne es im Falle eines Börsengangs unter Umständen besser für TUI sein, einen Rest der Anteile zu behalten.

Die Reederei hatte die Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr überstanden und einen operativen Gewinn von rund 600 Millionen Euro erwirtschaftet. Noch im Jahr 2009 musste Hapag-Lloyd mit staatlichen Bürgschaften und zusätzlichem Kapital ihrer Anteilseigner gestützt werden. Die fünftgrößte Linienreederei der Welt hatte die Trendwende unter anderem mit erheblichen Rationalisierungen erreicht.

Aber auch der Containerschiffsmarkt hat sich nach den teils drastischen Rückgängen während der Krise mittlerweile wieder erholt. "Wir rechnen für dieses Jahr bei den Containerverkehren mit einem Wachstum von bis zu zehn Prozent und für dieses Jahrzehnt mit einem Durchschnitt von sieben Prozent", sagte Professor Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) dem Abendblatt. "Die Branche knüpft damit wieder an den langjährigen Trend aus der Zeit von vor der Weltwirtschaftskrise an."

Während der Wirtschaftskrise, vor allem im Jahr 2009, fürchtete die Schifffahrtsbranche massive Überkapazitäten. Die Nachfrage nach Schiffskapazität ging zurück, zugleich kamen zahlreiche neue, bereits Jahre zuvor bestellte Schiffe an den Markt. Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt. "Das bestehende Orderbuch für Containerschiffe ist dem Markt angemessen", sagte Lemper. "Es gibt noch einen gewissen Überhang bei den großen Schiffen von 10 000 TEU Kapazität und mehr. Bei kleineren Schiffen dürfte der Markt im Laufe des Jahres dagegen relativ schnell geräumt werden. Hier ist der Kapazitätszuwachs sehr gering."

Auch der Aktienmarkt entwickelt sich derzeit positiv. "Es ist viel Liquidität im Markt. Weil die Renditen von Anleihen derzeit nicht sehr hoch sind, fließt wieder mehr Geld in Aktien", sagte Martina Noß, Analystin bei der NordLB in Hannover, dem Abendblatt.

Es gebe einen "Anlagenotstand" bei den Investoren, sodass für einen Börsengang der Reederei gute Chancen bestünden. "Hapag-Lloyd hat bereits bei der Begebung von Anleihen viel Vorarbeit für den Börsengang geleistet", sagte Noß. "Die Banken, die den Börsengang vorbereiten, arbeiten nach eigenen Angaben mit Hochdruck. Daher wäre auch ein Börsengang bis zum April möglich."

Auch im Kreis des Konsortiums Albert Ballin dürfte es Verschiebungen geben, wenn TUI seine Anteile verkauft. Größte Anteilseigner im Konsortium sind die Stadt Hamburg, die durchgerechnet 23,55 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile hält, und der Unternehmer Klaus-Michael Kühne mit 13,31 Prozent. Hamburg will seinen Anteil halten. Kühne wird voraussichtlich aufstocken. Die Banken M.M. Warburg und HSH Nordbank wollen sich dem Vernehmen nach zurückziehen. Weitere Anteileigner sind die Versicherungen Signal Iduna und die Hanse Merkur.