Die Wirtschaftskrise zwingt Schiffe in die Warteposition. Doch der Betrieb an Bord geht weiter. Eine Reportage von Rolf Zamponi.

Am 13. Februar macht die "Northern Trust" am Liegeplatz 51 im Rostocker Hafen fest. Eine Woche später kommt die "Northern Valour", ein weiteres Schiff der Reederei Karl Schlüter, und legt sich längsseits. Auf der "Trust" werden alle Maschinen abgestellt und die zwei Containerfrachter mit einer Gangway verbunden. Die "Valour" liefert jetzt Strom und Energie für beide Schiffe und für zehn Mann, die statt der je 22-köpfigen Stammbesatzung an Bord bleiben. Seemänner, die vorerst keinen anderen Hafen mehr ansteuern werden. Die "Trust" und die "Valour" werden nicht gebraucht. Sie sind aufgelegt.

Ungewöhnlich sind die beiden Frachter, die 2800 und 3300 Standardcontainer (TEU) laden können, nur für den Hafen Rostock, weil der sonst nicht von solchen Überseeschiffen angelaufen wird. Unter fehlenden Transportaufträgen leiden jedoch immer mehr Containerreedereien. Vor allem deutsche, die mehr als ein Drittel der Schiffe dieses Typs weltweit steuern.

Mehr als 500 Frachter liegen nach Berechnungen von Experten inzwischen brach. Ihre Kapazität von 1,3 Millionen Standardcontainern (TEU) entspricht etwa zehn Prozent der weltweit fahrenden Flotte. Deren Tragfähigkeit soll zudem in den kommenden Jahren durch Neubauten noch einmal um fast 50 Prozent steigen. So werden bis Ende 2011 sogar 1000 Schiffe betroffen sein, erwartet der Hamburger Claus-Peter Offen, einer der weltgrößten Charterreeder.

Mit dem Bug zur See sind die "Trust" und die "Valour" nun in Rostock zunächst einmal fest und sicher an der Pier vertäut. "Die Schiffe im vergangenen Winter draußen auf See zu lassen, war keine Option", sagt Oliver Hennes, seit 2007 Leiter der 14-köpfigen Inspektion der Reederei und an diesem Tag zu Besuch an Bord. Außerdem wären die Betriebskosten auf See höher gewesen, schon weil die Schiffe weiter ihre Maschinen gebraucht hätten. Jetzt zahlt die Reederei 650 Euro pro Tag für jedes Schiff. "Ansonsten stellen wir fest", sagt Hennes, "dass es für Auflieger keinen Plan gibt."

So geht die Routine weiter. Maschinen werden gewartet, Decks gestrichen, Rettungsboote überprüft, Hilfsaggregate gecheckt. Die Wartungslisten liefert die Software aus dem Bordcomputer, der Drucker spuckt sie aus. Gearbeitet wird an Werktagen zwischen acht und 17 Uhr, nach Absprache auch an Sonn- und Feiertagen bis mittags.

"Arbeit ist die beste Medizin gegen Heimweh", sagt Kapitän Boris Uljan, ein 53 Jahre alter, 1,87 Meter großer gertenschlanker Kroate, der die Suppe zu Mittag weglässt, um nicht beim Gewicht zuzulegen. Und zu tun gebe es "immer etwas", zumal die Besatzung auf den leeren Decks jetzt dorthin vordringen kann, wo sonst fast immer Container den Zugang versperren.

Zu Stippvisiten in der Stadt hat es nach Feierabend auch mal gereicht. "Mit der S-Bahn sind das nur zehn Minuten", weiß der Kapitän. "Zuerst einmal habe ich den Philippinos dafür gezeigt, wie sie die Bahn nutzen können." Hauptziel der Männer war die Seemannsmission, wo sie Kollegen treffen und telefonieren können. Kein Wunder: Für die Seeleute, die um die 1000 Euro im Monat verdienen, sind die Preise in der Stadt relativ hoch.

Rostock und Umgebung kennt der Leitende Ingenieur Klaus Hein dagegen bestens. Er wohnt 25 Kilometer weiter südlich in Ziesendorf und kann die Rolle als Fremdenführer übernehmen. Ausflüge sind aber allenfalls mit zwei oder drei Leuten für einige Stunden möglich, weil an Bord jederzeit genügend Hände für Notfälle bereit sein müssen.

Die Mannschaft sieht den Dienst auf den stillgelegten Schiffen gelassen. "Keine Vibration, kein Lärm. Ich kann jetzt besser schlafen und leichter als von unterwegs meine Frau erreichen", sagt Rodolfo Parrenas, der Dritte Ingenieur. Auch die SMS-Grüße des Matrosen Mark Antony Durante kommen jeden Morgen sicher bei seiner Freundin an.

"Normalerweise ist nur wenig Zeit, um Bereiche zu pflegen, in denen die Container stehen", sagt Bootsmann Jonas Bretana. Das kann er jetzt ohne Hektik nachholen, was auch dem deutschen Praktikanten Kim Reher zugute kommt, der nach seiner Zeit auf der Fregatte "Bayern" im September ein Ingenieur-Studium in Flensburg aufnehmen will. "Hier lerne ich viel, kann selbstständig arbeiten und es stört nicht, wenn es mal länger dauert", sagt der ehemalige Marine-Obermaat.

Nur nach Feierabend vermissen die Seeleute ihre abgezogenen Kollegen. Es reicht nicht mehr für Basketballteams oder für Karaoke an Bord. "Jetzt ist es immer sehr still", sagt Bretana. "Wir müssen uns selbst unterhalten." Zudem seien die Zigaretten teurer: Statt der gewohnten zwölf Euro für die zollfreie Stange muss nun der übliche Ladenpreis von knapp vier Euro pro Päckchen gezahlt werden.

Frust an Bord ist jedoch nicht zu spüren. Zwar sind die Schiffe nun nicht mehr wie zuvor zwischen Europa, dem Mittelmeer, Nord- und Südamerika unterwegs, aber die Arbeitsverträge haben sich nicht geändert. So ist niemand aus der Besatzung bereits seit dem Einlaufen im Februar an Bord. Alle haben ihre Vorgänger abgelöst. "Aber ich hatte ohnehin in 15 Jahren als Kapitän nie Probleme mit der Disziplin von Philippinos", versichert der Kroate Uljan. "Das sind gute Seeleute." Seine eigenen Landsleute hätten verglichen damit "heißeres Blut".

Auch der Kapitän, der die "Trust" im Februar nach einem vorgeschriebenen technischen Check von den MWB Motorenwerken in Bremerhaven über einen kurzfristigen Stopp vor der Wesermündung bis nach Rostock führte, steht an diesem Nachmittag kurz vor der Ablösung. Nach drei Monaten Urlaub wird er für Schlüter einen von der Reederei APL gecharterten und beschäftigten Frachter übernehmen.

Die "Trust" und die "Valour" werden dann immer noch in Rostock liegen. Für die Schiffe, für die die Reedereien Cosco aus China und MSC aus Genf zuvor mehr als 20 000 Dollar pro Tag bezahlt haben, ist kein Interessent in Sicht. "Auch wenn wir sie für 6000 bis 7000 Dollar verchartern würden", sagt Schlüter-Geschäftsführer Ulrich Paulsdorff. Erst "im Lauf des kommenden Jahres", so der Diplomvolkswirt, werden die Schiffe wieder Fahrt aufnehmen können.

Bis dahin bleiben die Hebel der Maschinentelegrafen auf Stopp, die Abende an Bord still und die Zigaretten teuer.